Kunst (Design) Auf der Grenze zwischen Realität und Fiktion
Auf der Grenze zwischen
Realität und Fiktion
Interview mit Edyta Grzyb
Interview mit Edyta Grzyb
Text: Michael Eckert
Die Malerin Edyta Grzyb hat sich mit eindrücklichen Acryl-Gemälden auch ohne kunstakademische Ausbildung rasch in der Szene etabliert. Im Interview spricht Edyta über ihre Leidenschaft für Gesichter, aber auch über die Unsicherheiten, die mit einem autodidaktischen Karriereweg verbunden sind.
CHAPEAU — Deine Werke fallen sofort ins Auge. Die Neon- Farben bringen viel Energie in die Arbeiten. Was willst du mit deiner Kunst kommunizieren?
EDYTA GRZYB – Das bevorzugte Motiv meiner Arbeiten sind Menschen. Genau genommen interessiere ich mich für deren Emotionen. Diese werden durch kontrastreiche Farben aufgetragen, wobei ich gelegentlich auf der Grenze zwischen Realität und Fiktion balanciere. Ich vertrete die Ansicht, dass die Malerei vor allem von Farben lebt, die beim Betrachter ästhetische Regungen und Emotionen hervorrufen. Durch die Kombination von kühlen Tönen und intensiven Neon-Farben versuche ich mein Publikum in das Reich der Fantasie zu entführen.
Was ist deine Inspiration beim Malen?
Viele Dinge inspirieren mich: Fotografie, Mode, Design…. In der Regel von Fotos, Portraits. Am wichtigsten für mich sind jedoch zum Ausdruck gebrachte Emotionen.
Der Kontrast zwischen schwarz–weißen Portraits und bunten Neon-Farben wirkt sehr stark. Wie wählst du deine Motive?
Schwarz-weiße Gesichter bilden die Basis für meine Arbeiten. Sie sind eine Fortsetzung meiner Anfänge mit der Pastellmalerei. Damals habe ich nur schwarz-weiß benutzt. Mit der Zeit aber hat mir da etwas gefehlt. Wichtig für mich ist das Element der Überraschung, eine verborgene Information – wie versteckte Augen oder eine deckende und zugleich fließend erscheinende Brille. Kontrast unterstreicht die Stärke des Charakters und verstärkt Emotionen. Zugleich versuche ich aber auch einen harmonisch funktionierenden artistischen Mechanismus zu erschaffen – sowohl in Bezug auf Form als auch Inhalt.
Deine Karriere als Künstlerin ist ziemlich ungewöhnlich. Du bist Autodidakt, von Haus aus Ingenieurin und begannst erst vor sechs Jahren mit der Malerei. Wie kam es zu dieser Transformation?
Kurz vor meinem 30. Geburtstag dachte ich viel darüber nach, was im Leben wichtig ist. Ständig habe ich versucht das zu machen, was die meisten Menschen als normal ansehen. Allerdings ging das völlig nach hinten los. Im damaligen Job war ich nicht voll mit dem Herzen dabei. Die ganze Zeit hat mir etwas gefehlt.
Und in der Malerei hast du dich sofort selbst wiedergefunden?
In meinen Bildern versuche ich ein wenig von meiner Geschichte zu vermitteln. Vor allem die Momente der Unsicherheit, des Nachdenkens und des Auf-der-Suche-Seins. Manchmal macht es Sinn, eine Pause zu machen, herauszufinden, was für einen im Leben wichtig ist –und dann ein Risiko einzugehen. Vermutlich stehen viele Menschen vor ähnlichen Entscheidungen im Leben – und können sich vielleicht deswegen gut mit meinen Werken identifizieren.
Wenn man deine Werke betrachtet, ist es schwer zu glauben, dass du vor 2014 nie einen Pinsel in der Hand hattest…
Tatsächlich begann meine Geschichte mit der Staffelei-Malerei erst vor zwei Jahren, und beruhte eigentlich eher auf Zufall. Eine Freundin bat mich, eine Abstraktion auf Leinwand für sie zu malen. Ich hatte das nie zuvor gemacht, kannte nicht einmal eine Technik dafür. Es erforderte langes Experimentieren bis ich die richtige Methode gefunden hatte. Gleich danach wollte meine Schwester ein richtig buntes Bild gemalt bekommen – und so begann es (lächelt).
Was gibt dir die Malerei?
Kunst hat mich seit der Kindheit fasziniert. Ich erinnere mich an die Zeit, als es noch kein flächendeckendes Internet gab und es schwierig war, Informationen über Kunst und Künstler zu finden. Ich lieh mir alle Bücher über die berühmtesten Maler aus der Bibliothek und bewunderte ihre Arbeiten. Der gesamte Prozess der Malerei ist von einer Aura umgeben. Der Geruch der Leinwand und der Farben wie überhaupt der gesamte Schaffens-Prozess bezaubern mich. Die Zufriedenheit nach erfolgreich getaner Arbeit und das Ergebnis – das alles zieht mich in den Bann und hat für mich einen unschätzbarem Wert.
Wie viele Stunden am Tag bist du mit Malen beschäftigt?
Es ist schwer zu bestimmen, wie viele Stunden ich täglich male. Malerei ist auch meine Arbeit, und die besteht nicht nur aus Malen. Viele Stunden am Tag suche ich nach Inspiration, nach Promotionskanälen, und ich lerne den Kunstmarkt noch besser zu verstehen.
Welches Motiv ist dir deiner Meinung nach am besten gelungen?
Das Motiv mit der „fließenden Brille“ hat das Publikum begeistert. Die Menschen lieben es, wenn die Farben unkontrolliert und schlaff nach unten fließen. Den Effekt versuche ich sorgfältig mit meinen Charakteren zu verbinden, um eine bestimmte Information zu vermitteln. Am Ende runde ich alles zu einem ästhetischen Ganzen ab.
Warum malst du hauptsächlich Portraits?
Das menschliche Gesicht ist für mich eine endlose Quelle der Inspiration. Ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu malen. Für mich ist dies die beste Quelle der Informationsübertragung. Sogar mit verbundenen Augen kann ein Gesicht mehr Informationen liefern, als es scheinen mag. All das regt zum Nachdenken an.
Woher stammt die Idee, Neon-Farben zu verwenden?
Die Standardfarben konnten keine starke Botschaft vermitteln, die mich zufrieden gestellt hätte. Ich muss zugeben, dass mich auch andere Künstler inspiriert haben, die ähnliche Farben anwenden.
„Konrast Unterstreicht die Stärke des Characters.“
Welche Botschaft möchtest du mittels der Malerei vermitteln?
Sie bietet eine Ausflucht vom stundenlangen Surfen im Social Media. Am Ende sind wir alle in dieser Welt verloren, wir leben das Leben der anderen. Die Zeit läuft, und wir bleiben immer an gleichem Ort und gleicher Stelle. Manchmal ist es gut, anzuhalten und über sich selbst nachzudenken. Darüber, dass man vielleicht etwas ändern sollte, eine Chance nutzen, das Risiko eingehen. Ich denke, dass meine Bilder mit ihren Farben viel Hoffnung und positive Energie geben, auch wenn sie voller Melancholie und Unsicherheit sind.
Hast du Angst, dass du eines Tages ausbrennst oder deine Inspiration verloren geht?
Anfangs hatte ich eine schwierige Zeit. Durch das viele Experimentieren habe ich eine Menge Zeit benötigt, um mein künstlerisches Portfolio zu entwickeln. Ich hatte eine Menge Ideen, aber ich konnte sie nicht auf die Leinwand übertragen. Die anfängliche Idee auch als Beruf aufzufassen ging mit viel Zögern und Unsicherheit einher. Aber ich habe mich schnell in die Malerei verliebt und realisiert: Je mehr ich arbeite, desto schneller entwickele ich mich. Und je schneller ich mich entwickele, desto mehr bin ich mit mir selbst zufrieden. So funktioniert es. Zunächst hatte ich Angst, dass ich weniger arbeiten würde und dass dann meine künstlerische Weiterentwicklung verlangsamt werden könnte. Aber mir ist bewusst, dass es noch einen langen Weg mit der Malerei für mich gibt. Das gibt mir immer weitere Inspiration und Kraft.
Wo stellst du deine Werke aus?
Meine Arbeiten wurden bereits mehrfach auf lokalen und regionalen Ausstellungen in Polen und Deutschland gezeigt. Im Hinblick auf die nächsten Ausstellungen nehme ich dieses Jahr im Juni und November an den Kunstmessen in München und Hamburg teil – vertreten durch die Galerie All You Can Art.
Dafür wünschen wir dir viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch.
Info – Edyta Grzyb ist 1984 in Polen geboren. Im Alter von 20 Jahren begann sie das Malen, zunächst mit Pastellfarben. Seit 2013 ist sie auf Acryl spezialisiert. Nach ihrer Entdeckung konnte sie sich rasch in der Kunstszene etablieren. Ihre Arbeiten werden in Europa, New York und Hongkong ausgestellt, und mehr als 100 ihrer Werke befinden sich bereits in Privatsammlungen. Im Internet wird ihre Kunst über allyoucanart.de vertrieben.