Genuss Außergewöhnlich statt massig
Außergewöhnlich statt massig
Interview mit Kevin Gideon
Interview mit Kevin Gideon
Text: Arash Farahani / Fotos: Contentley Media
Kevin Gideon ist den Oldenburgern kein Unbekannter. Nach seiner Ausbildung im Apicius Bad Zwischenahnund im Seesteg auf Norderney war er als Commis de Cuisine im Haerlin in Hamburg. Im Anschluss führte es den gebürtigen Uckermarker nach Oldenburg in die Vinothek und Brasserie Schmitz und als Sous Chef in die Klinkerburg sowie in das Haus Upmoor in Lohne. Als Konsequenz seiner bisherigen Laufbahn verwirklicht der begnadete Koch nun seinen Traum vom eigenen Restaurant und Oldenburg kann sich auf ein neues gastronomisches Highlight in der Innenstadt freuen. Im Restaurant Kevin Gideon sollen Genuss und Zeit im Vordergrund stehen. Außerdem erwartet die Gäste ein klares, gradliniges Konzept von der Ausstattung bis zum Angebot, sagt Gideon. Das Ziel ist hoch gesteckt: den Stern nach Oldenburg holen. Im CHAPEAU Interview spricht Kevin Gideon im August 2021 über seine Pläne, Werte und über das Konzept der Qualitätsgastronomie.
CHAPEAU — Wie lautet deine persönliche Küchenphilosophie und was zeichnet deine Kochkunst aus?
KEVIN GIDEON – Meine Philosophie lautet Qualität statt Masse. Meine Kochkunst zeichnet sich durch die Produktaffinität, den Fokus auf den Geschmack und durch das Bild, welches mein Gericht am Ende ergibt, aus.
Ist Kochen für dich überhaupt Kunst oder eher ein Handwerk?
Kochen ist für mich beides. Ohne Handwerk entsteht keine Kunst und ohne Kunst ist das Handwerk nicht vollendet. Das ist vergleichbar mit einem guten Tischler, der einen kunstvollen Schrank baut. Das geht eben auch nur, wenn er sein Handwerk beherrscht. So ist das bei uns Köchen auch. Man muss die Basis beherrschen, um am Ende des Tages ein rundes, kunstvolles Bild erzeugen zu können.
„Unser Konzept basiert auf Qualitätsgastronomie.“
In den letzten Jahren war ein zunehmender Trend zur Qualitätsgastronomie zu beobachten – aber dann kam Corona. Wie sind deine Erfahrungen nach dem Lockdownende? Kommen die Gäste zurück?
Ja, langsam aber sicher. Man merkt immer noch ein verhaltenes Ausgehverhalten, das sich zwar schon bessert, aber noch nicht auf dem Niveau ist, welches wir benötigen. Man merkt aber, dass die Gäste bereit sind, mehr Geld auszugeben und dass ein Umdenken in Sachen Qualität stattgefunden hat. Die Gäste sind auch bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn die Qualität stimmt.
Die Nachfrage hat aber zu einem höheren Anteil an Gastronomiebetrieben mit Qualitätsküche geführt. Ist das auch dein Eindruck oder ist es schlicht eine subjektive Wahrnehmung?
Die Frage ist ja: Wie definiert man Qualitätsküche? Bewegen wir uns da im hohen Segment der Gastronomie oder bewegen wir uns da auf der Ebene von Nachhaltigkeit und Bio. Ja, die Menschen sind qualitätsbewusster geworden. Die Richtung geht dahin, dass die Gastronomie qualitätsbewusster werden MUSS. Allerdings ist das bei vielen Gastronomiebesitzern oder Betreibern noch nicht angekommen, weil die Preise teilweise – gerade die Inlandspreise – noch extrem abschrecken und viele vom „alten Schlag“ sind. Viele haben aus der Coronakrise nicht unbedingt ein Umdenken mitgenommen, sondern bleiben auf ihrer „alten Schiene“, weil die Vergangenheit einfach gezeigt hat, dass das alte System gut funktioniert hat.
„Meine Devise ist: Wenn Qualität, dann auch Transparenz zeigen. Anders funktioniert es nicht.“
Bedeutet erhöhter Qualitätsanspruch nicht auch ein erhöhtes Risiko für die Gastronomen?
Ja und nein. Auf der einen Seite muss man dem Gast den gestiegenen Qualitätsanspruch vermitteln und zeigen und das nicht nur beim ersten oder zweiten Besuch, sondern fortlaufend. Wenn man das verpasst und einfach nur die Preise hochschraubt und nicht transparent ist, dann wird es schwierig. Denn dann begibt man sich in ein Risikofeld und ist zum Scheitern verurteilt. Meine Devise ist: Wenn Qualität, dann auch Transparenz zeigen. Anders funktioniert es nicht.
Wie geht ihr in eurem Haus mit diesem Druck um?
Unser Konzept basiert auf Qualitätsgastronomie. Somit schaffen wir erst gar keinen Druck. Die Qualität unserer Lebensmittel richtet sich nach dem Anspruch, den wir als eigener Gast haben.
Was ist für dich ein richtig guter Fisch und was ein richtig gutes Stück Fleisch?
Ein richtig guter Fisch ist für mich der Zander aus der Zucht von Torsten Pistol, der nach einer alten japanischen Schlachtart (Ike Jime) getötet wird. Da sieht, schmeckt und riecht man einfach die Qualität. Das Gleiche gilt für mich beim Fleisch, da kommt es auf die Aufzucht an. Wie geht der Landwirt mit seinen Tieren um, Futter, Beschaffenheit, Stall, etc. Für mich hier das eindrucksvollste Beispiel: die Wagyu Bude von Dieter Ruhe. Mit welch einer Sorgfalt die Tiere da aufgezogen werden, sieht und schmeckt man einfach am Ende des Tages in der Pfanne, auf dem Teller oder wo auch immer. Das ist für mich Endstand.
Wie reagierst du auf den zunehmenden Anteil Vegetarier und Veganer unter den Gästen?
Über Vegetarier freue ich mich, weil man da seine tatsächliche Qualität als Koch zeigen kann. Wenn man nicht von einem Grundprodukt oder einem Grundlebensmittel abhängig ist, sondern die eigentlichen „Nebendarsteller“ in die Hauptrolle setzt. Von veganem Essen distanziere ich mich. Ich verstehe es, aber stehe nicht dazu.
Sind es überwiegend jüngere Gäste, die auf Fleisch und Fisch verzichten?
Ja. Viele, so habe ich das Gefühl, machen es immer noch aus einer Trendbewegung und weniger aus Überzeugung. Aber die, die es aus Überzeugung machen, zeigen das eben auch.
Alle reden von regionalen Produkten, aber wo liegen tatsächlich die Vorteile gegenüber einer Auswahl überregionaler Zutaten?
Na ganz klar: die CO2 Bilanz, der Transport und die Nähe zu den Produzenten. Für mich als Koch ist es sehr wichtig geworden, auch die Umstände zu sehen: Wo kommen die Lebensmittel her, gerade im Fleischbereich. Ich lege sehr viel Wert auf artgerechte Haltung, auf das Futter und die Lebensumstände, die die Tiere hatten bis hin zur Schlachtung.
Zu einem richtig guten Essen gehört ja auch ein richtig guter Wein. Regional aus dem Nordwesten ist der wohl kaum zu bekommen. Hast du Lieblingsregionen oder sogar Favoriten unter bestimmten Winzern, die du bevorzugt servieren lässt?
Servieren lassen ist in diesem Falle so die beste Aussage. Weil A, habe ich von Wein keine Ahnung und B ist es so ein komplexes Thema, dass ich mich wahrscheinlich damit auch in den nächsten Wochen nicht wirklich beschäftigen kann. Dafür habe ich mir einen sehr guten Weinkenner gesucht und auch gefunden. Der wird dann unter anderem Weine von Markus Molitor oder Dr. Bürklin-Wolf servieren.
Was empfiehlst du den Gästen, die keinen Alkohol trinken, etwa weil sie mit dem Auto gekommen sind?
Da empfehle ich unsere Saftreise. Parallel zu unserem Weinangebot werden wir auch ein alkoholfreies Angebot haben, welches auf unser Essen abgestimmt ist.
Kleine Scherzfrage: Es wäre doch ganz schön, wenn sich Gäste nach dem ein oder anderen Gläschen Wein in Zukunft irgendwann mal von ihrem autonom fahrenden Auto nach Hause bringen lassen könnten.
Ja, eine sehr witzige Frage, die ich in Sachen Klimawandel etc. gar nicht für so unrealistisch halte. Auf diesem Wege möchte ich nach Sponsoren suchen, die mir ein autonomes Fahrzeug vor die Tür stellen und ich meine Gäste nach Hause bringen lassen kann (lacht).
„Meine Frau wird oft beneidet, einen so guten Koch zu Hause zu haben – dabei Koche ich zu Hause gar nicht.“
Dein Kochkollege Tim Raue hat uns im Interview erzählt, dass er nach einem erschöpften Tag in der Küche am Ende so erledigt ist, dass er nur noch einen Batzen Junkfood in sich reinstopfen kann. Wie ernährst du dich selbst? Greifst du auch manchmal zu Pommes, Currywurst, Burger oder Pizza?
Da sind der Herr Raue und ich nicht nur Kochkollegen, sondern auch Leidensgenossen nach einem ordentlichen Fresskoma. Ja, in der Tat greife ich gerne mal zu Chickenwings, Pizza & Co. Meine Frau wird oft beneidet, einen so guten Koch zu Hause zu haben – dabei Koche ich zu Hause gar nicht.
„Ohne Handwerk entsteht keine Kunst und ohne Kunst ist das Handwerk nicht vollendet.“
Was wünschst du dir für die kommenden Monate und welche Hoffnungen setzt du auf das nächste Jahr?
Meine Wünsche für die nächsten Monate sind erst mal der Abschluss der Umbauarbeiten und die Eröffnung des Restaurants. Primär dann einen unterbrechungsfreien Abschluss des Jahres für den Einzelhandel, die Gastronomie und die komplette Wirtschaft in Deutschland. Für das nächste Jahr wünsche ich mir definitiv Gesundheit, weiter so viel Rückendeckung meiner Familie und einfach, dass wir nächstes Jahr noch am Start sind.
Dann wünschen wir dir dabei viel Erfolg und danken dir für das spannende Gespräch.
Restaurant Kevin Gideon
Heiligengeistwall 9
26122 Oldenburg