Genuss Bei Tisch: Freudentafel

Bei Tisch: Freudentafel

Gourmet Klaus von Due, CHAPEAUs Gastro-Kritiker

Das (seit einigen Jahren auch Hotel) Restaurant „Tafelfreuden“ liegt im vorderen Teil der Alexanderstraße, gegenüber dem Gertrudenfriedhof. Aus dem alten Gebäude wurde im Laufe der Jahre ein stattliches Anwesen mit Remise, Clubzimmer, Garten und altem Apfelbaum – vor allem aber die wichtigste Adresse einer neuen deutschen Landküche.

Eigentümer Stefan Aufleger hat als Erster erkannt, dass man mit heimischen Produkten und in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten Produzenten ungeahnte Qualitäten erreichen kann. Seine hervorragende „Bretonische Fischsuppe“ hat allerbeste Produktqualität und dazu eine aromatische Individualität, die ihr nicht nur einen hohen Wiedererkennungswert beschert, sondern sie schlicht einmalig macht.

Dabei geht es hier bei Kartoffelsuppe, Lammtopf, Schweinerücken, Rumpsteak und Schokomus in keiner Weise um eine rustikale Küche. Küchenchef Willy Veit und Restaurantleiter Sebastian Urban entwickeln sich permanent weiter, ohne sich in Klischees um Bio-Küche, Regionalität und speise-esoterischen Schnickschnack zu verlieren. Vieles wird neu erdacht, wieder und wieder bewertet und anders zusammengefügt. So erlebe ich eine Küche mit traditionellen Wurzeln und einem tragfähigen Konzept für die Zukunft.

Mit dieser Form der Bio-Küche kann ich gut leben. Mich langweilt nicht der 27. Burger, kein „Schweineklein“ (Hipster nennen es „pulled pork“), kein Fehlton in Speise oder Wein wird mir mit Regionalität schöngeredet, und Serviceleistung wie Auftritt der Servierenden sind angenehm klassisch.

Willy Veits wunderbar simpel gemachte „Frikadelle mit karamellisierten Zwiebeln und Schnittlauch-Kartoffelpüree“ hat wunderbar klare und feine Aromen und zeigt lehrbuchmäßig, zu welchem Genuss sich auch unscheinbare, normale, regionale Zutaten in der Hand eines hervorragenden Kochs entwickeln können. Letztlich ein „Klassiker“ der deutschen Küche „für den kleinen Mann“, sicherlich nicht das Gericht, das ich in einem Restaurant dieser (Preis-)Klasse erwarte, aber uneingeschränkt empfehlen kann.

Den Wein, den Sebastian Urban empfiehlt, Châteauneuf-du-Pape der Domaine Pierre André, kann ich nur weiterempfehlen: kein ausgemachtes Schnäppchen – aber das war mein Hauptgericht ja schon.

Und wo wir bei Empfehlungen sind: Wären zur behaglichen Einrichtung, den Schurwollbezügen der Sessel, dem wunderbar warmen Licht, Stoffservietten nicht schön? Nein, nein: kein Vortrag über Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit, Öko-Bilanz und für-und-wider, bitte. Stoffservietten! Und nicht nur der erbsenzählende Klaus, auch die eher bildungsnahe Stammklientel freute sich über Speisenkarten, die wenigstens im Großen und Ganzen ein Bekenntnis zur heimischen (nennen wir’s „regionalen“, dann klingt es eingängiger) Orthografie ablegen …

Fazit: Eines der inzwischen ältesten Restaurants der Stadt (man mag’s kaum glauben!) präsentiert sich frisch, mit Blick nach vorn – und mit von Herzen gegönntem Stolz auf Stefan Auflegers Weitsicht, seit 2005 Oldenburgs erstes BIO-zertifiziertes Restaurant zu sein.

Tonkabohnen-Eisparfait, Weinberg-Pfirsich-Ragout mit Honighippe, dazu ein Gläschen Vin Santo aus der Toskana beschließen einen Abend, der weder mein erster noch mein letzter war. Wir sehen uns also …

Kategorie: Genuss
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