Genuss BEI TISCH: ISS SCHMITZ…

BEI TISCH: ISS SCHMITZ…

Gourmet Klaus von Due, CHAPEAUs Gastro-Kritiker

Das „erste Haus am Platz“, das „beste Restaurant“ der Stadt.

Darüber kann man streiten, muss es aber nicht. Am besten ist es eh immer, hinzugehen – und etwas zu essen und zu trinken. Vor allem Wein. Bis Bremen gibt es mit Sicherheit keinen besser sortierten Weinkeller. Der Rede wert sind diverse Champagner, fair kalkuliert, Bioweine, die längst die Öko-Ecke verlassen und die Sterne-Küchen erreicht haben, sowie deutsche Weine.

Apropos „Sterne-Küche“: die hat der Küchenchef, Cord Henning Pieper, längst verlassen; einst (er-)kochte er in Bad Nenndorf den begehrten Michelin-Stern, später im Altera
knapp darunter, aber auf demselben Niveau. Heute praktiziert er „Brasserie-Küche“ – und die will verstanden werden. Soviel vorweg: wird sie.

Im Vordergrund steht das Produkt: das Fleisch, der Fisch, das Krustentier, das Gemüse. NICHT der Teller, NICHT die Anrichteweise, NICHT der Küchenchef, NICHT der Eigentümer. Finden Sie wie ich Ihr Gegenüber am wichtigsten, registrieren Sie dankbar, dass hier die Speisen vom Teller gegessen werden – und nicht von Dachlatten, Pflastersteinen, Badelatschen oder anderem Rodder gekratzt werden müssen. Insofern sind die Gerichte von ergreifender Schlichtheit – und die Preise so
hoch, wie es die Produkte wert sind. Absolut betrachtet: hoch. Relativ betrachtet: preiswert (und das im Wortsinne).

Dass man sich in Oldenburgs „guter Stube“ aufhält, verrät ein Blick auf Lage, Ambiente und Publikum. Erstgenannte atmet Geschichte, das Ambiente entspannte Zeitlosigkeit
– und das Publikum überwiegend gepflegte Bürgerlichkeit. Dabei sorgt die Anbindung an das Hotel durchaus dafür, dass man nicht ausschließlich entre nous is(s)t …

Leben kommt in die Bude, wenn

a): ein bestimmter Tisch auf der Galerie vergeben ist. Gepflegte Bürgerlichkeit hin oder her: Offenbar haben wir in Oldenburg mehr bedeutende Persönlichkeiten als bedeutende Tische.
b): der Eigentümer am Tresen sitzt und in „Weinlaune“ ist. Sitzen Sie dann auch am Tresen und sind durch Offenheit, Freundlichkeit und eine bislang erfreuliche Weinauswahl
angenehm aufgefallen, kann es zu einer spontanen Weinprobe kommen. Herzlichen Glückwunsch – und viel Spaß dabei (ich hatte den noch jedes Mal).

Das gereichte Brot kommt von Bäcker Gaues aus Hannover. Nichts gegen selbstgebackenes Brot; vor allem dann nicht, wenn Sie Bäcker sind. Herr Pieper aber ist Koch, der Bäcker Herr Gaues. Belieferte zu Christian Wulffs Zeiten schon das Schloss Bellevue in Berlin mit Brot. Und beliefert nahezu sämtliche Sterne-Küchen der Republik, die mir gerade einfallen. Probieren Sie’s – und Sie wissen, warum.

Austern gehen immer. Wenn mal nicht, dann weil keine da sind. Fine de claire, Belon, Donegal, Sylter Royal – gratiniert für den, der die rohe Auster meidet, auf Eis für den erfahreneren Kenner. Dazu ein Gläschen Schaumwein – fabelhaft. Oder, wie südlich von Bordeaux praktiziert, ein Gläschen eiskalten Süßweines; einfach mal probieren. Dann ein Entrecôte, die hausgemachten Pommes frites, eine Flasche Wein (L’Horizon. Matassa. Roc d’Anglade) – und die Erkenntnis reift, dass 100 Euro auch nicht mehr das sind, was sie mal waren … Spaß beiseite: 100 Euro können auch heute noch jeden Cent wert sein. Hier sind sie es.

Kategorie: Genuss
Chapeau - Das Magazin für kultivierte Lebensart - Logo