Kolumne Bei Tisch: Das „Jin Gui“ im „Tortue“

Bei Tisch: Das „Jin Gui“ im „Tortue“

Gourmet Klaus von Due, CHAPEAUs Gastro-Kritiker

So gerne ich in Hamburg bin, so sehr „hasse“ ich das Probieren neuer Restaurants. Ich bin nämlich stock-konservativ, manche sagen: reaktionär. Warum darf ich nicht in den „Grill“ oder das „Haerlin“ – muss es immer wieder etwas Neues sein? „Ja.“ Mehr sagt mein Herausgeber nicht.

Champagner muss sein

Asien und Sake hin oder her: Champagner muss es sein. Weiß und kalt. Er kommt perfekt temperiert – und überaus charmant serviert. Ohne „so“ und „gerne“, dafür mit einem Lächeln und dem unbezahlbaren Gefühl, willkommen zu sein. Und Herr van der Heyde? Der schlägt einmal wieder den großen Bogen von einem Kontinent mit seinen Produkten zu europäisch-kulinarischer
Tradition. Von einer reduzierten und damit optimierten klassischen Kochkunst einerseits und der Avantgarde (was immer das sein mag; asiatische Küche auf höchstem Niveau ist es in Hamburg eigentlich nicht mehr. Aber für mich ist es diese Art Küche immer noch) andererseits. Sein Kochstil ist nicht Vorspiegelung eines womöglich künstlerischen Anspruchs, sondern logische Weiterführung eines durchaus hanseatischen Ansatzes.

Man gebe mir Champagner und höre mich „Austern!“ erbitten. Hier vorneweg „Oysters Three Styles“ mit Ponzu, Yuzu, Miso – für 14 Euro weiß Gott nicht teuer. Und, viel wichtiger, ausgezeichnet! So oder ähnlich, mit erheblichem Erfindungsreichtum und gleichbleibender struktureller Konsequenz geht es an „Truffle Scallop“. Was bedeutet: Jakobsmuschel, Garnele, Trüffel und Wasabi-Mayonnaise (5 Euro das Stück; preislich auch Herausgeber-kompatibel). Es folgt der erste umfangreichere Gang, „Seabass“: marinierter Wolfsbarsch mit Tomaten, roten Zwiebeln, Koriander, Kalamata Oliven, Schnittlauch und Soja-Yuzu für 21 Euro.

Nun schreite ich über lilafarbenen Teppich …

… die Stufen in die Beletage des Hofhauses hinauf, vom Axel-Springer-Platz kommend das erste Gebäude der Stadthöfe. Wo früher die Büros der Stadtentwicklung residierten, wird nunmehr genächtigt, zu Mittag und zu Abend gegessen. Ich bin zum Abendessen hier. Einigermaßen übellaunig, aber von meinem Herausgeber mit der Carte blanche ausgestattet. So etwas kann sich mitunter leicht sedierend auf mich auswirken.

Die Eleganz des Hotels „Tortue“, …

… in dessen Restaurant „Jin Gui“ ich heute essen werde, erschließt sich à la longue. Die des unglaublich ausgestatteten „Jin Gui“ dagegen schlagartig: mit einem verspiegelten Raum samt stählerner Installation unter der Decke. Eine ähnlich atemberaubende Wirkung hatte auf mich bisher nur ein einziges Restaurant: das „Tantris“ in München. Hier also regiert Carsten van der Heyde, auch Inhaber des Restaurants „Tarantella“. Der Siebenundvierzigjährige hat eine Menge zu bieten. Was er den Gästen des „Tarantella“ serviert, ist präzise entwickelt und kulinarisch wie gastronomisch durchaus ausgewogen. Hier im „Jin Gui“ nun cuisine chinoise – beziehungsweise (nach Studium der nicht allzu umfangreichen Speisenkarte) asienne.

Inzwischen beim dritten Glase Champagner angelangt, …

… kann ich folgendes feststellen: Die Methode Carsten van der Heyde ist durch und durch gastronomisch: Alles schmeckt ausgezeichnet, auch wenn man mit eher konventionellen Erwartungen im „Jin Gui“ Platz nimmt. Er verliert keineswegs jene Gäste aus den Augen, die die Qualitäten einer avancierten Küche für sich erst noch entdecken müssen.

Etwas „Tuna Sashimi“, roher Thunfisch, als kleine Portion 18 Euro teuer, läuten den Hauptgang ein: einen „Black Cod“ genannten Kabeljau in einer Sweet-Miso-Sauce. Ich will es einmal gemäßigte Moderne nennen – und wirklich erstklassig. Spontan erinnert mich der Teller an den „Carpaccio und Croustillant von Kabeljau“, den ich mir vor Jahren einmal von Harald Wohlfahrt reichen ließ. Der Fisch frisch und auf den Punkt gegart, die Sweet-Miso-Sauce zurückhaltend genug, den feinen Geschmack des Fisches nicht zu überdecken. Respekt!

Der Abschluss

Dass das „Urkarotte Guave Sorbet“ mit Champagner und Minze kommt, erscheint mir fast als Zeichen der Vorsehung – und das nicht der Minze wegen. Ein wunderbarer Abschluss!

Ich las (in der „Welt“? Der „Zeit“?), die Küche im „Jin Gui“ habe es schwer gegen die imposante Einrichtung. Hat sie nicht! Nicht, etwa weil die Einrichtung schlecht wäre. Nein, nein, die Küche ist einfach viel zu gut.

Jin Gui im Tortue Hamburg
Stadthausbrücke 10
20355 HamburgTelefon: 040 33 44 14 024
jingui@tortue.de
www.tortue.de
Kategorie: Kolumne
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