Kolumne Business Lounge

Business Lounge

Kolumne Klaus von Due

Weil ich als Klaus von Due als „freier Mitarbeiter“ wie ein Selbstständiger arbeite, musste ich lernen, wie man sich auf Reisen wie ein Geschäftsmann verhält. Es sind die kleinen Dinge, die uns von anderen unterscheiden: der Trolley, der genau in das Gepäckfach des Fliegers passt, der Laptop, der niemals zugeklappt wird. Und das dämliche Poloshirt, das sorgfältig in eine schlecht sitzende Jeans gesteckt wird. Gerade auf Reisen tragen wir Geschäftsmänner ganz bewusst Jeans, die nicht richtig sitzen, weil sie jedem sagen, dass wir den grössten Teil unseres Lebens in Meetings oder auf rauschenden Festen verbringen, wo die Jeans verpönt sind; deshalb ist es wichtig, beim Tragen von Jeans so unentspannt und blöde wie möglich auszusehen.

Sie sehen uns nie…

…eine der Flughafen-Lounges nutzen, weil das bedeutete, dass wir nicht über die Mittel verfügen, selbst für uns zu sorgen, und schlimmer noch, dass unsere Geschäfte so unwichtig sind, dass es uns nichts ausmacht, sie zu Gunsten von durchschnittlichem Ess- und Trinkbaren zu vernachlässigen. Sehen Sie jemanden, der wie ein Geschäftsmann aussieht, in einer dieser Airline-Business-Lounges, können Sie sicher sein, dass er ein Neuling, ein Aufschneider ist. Im Flugzeug trinken wir nie etwas, weil dies anderen Menschen in der Kabine nahelegt, dass wir Alkoholiker sein könnten. Also: kein Schaumwein, kein Whisk(e)y, kein Gin, keine echten Geschäftsmann-Getränke. Niemals. Wir schauen uns auch keine der angebotenen Filme an, weil wir alle Anregungen aus Tabellenkalkulationen, Transkriptionen und dem Wirtschaftsteil oder Feuilleton der wirklich wichtigen Tageszeitungen erhalten. Ist das erledigt, sind wir schnell eingeschlafen, ungefähr sechs Sekunden nachdem das „Fasten your Seatbelts-Licht“ ausgeschaltet wurde. Essen? Was für Weicheier. Entspannen? Das tut man, wenn man tot ist – etwas, das wir mit 52 Jahren sein werden.

Sobald das „Fasten your Seatbelts- Licht“…

…wieder leuchtet, holen wir unseren Laptop wieder heraus, der seit 18 Stunden läuft und noch 42% seiner Akkulaufzeit hat. Unmittelbar nach der Landung sind wir vor dem Flughafen im Fond einer Mercedes S-Klasse verschwunden und auf
dem Wege, die Welt noch etwas besser zu machen. Ich muss zugeben, dass ich bei all dem ziemlich hoffnungslos bin. Ich liebe Airline-Lounges, seit ich ein Kind war, sehe mir Filme in Flugzeugen an, mein Koffer ist viel zu gross und ich liebe Schaumwein, Whisk(e)y, Gin, die echten Geschäftsmann-Getränke. Aber ich interessiere mich für Autos, insbesondere für die, die Sie am Ende einer Reise brauchen. Und ich weiss, dass es keine S-Klasse sein muss. Das wäre die richtige Wahl in Asien, eine halbwegs originelle in den USA, aber hier? Hier muss es ein Cadillac sein.

Er ist riesig…

…Wenn Sie einen Cadillac schwimmen lassen könnten – und das können Sie nicht, weil er aus den schwersten Metallen besteht, die der Mensch kennt -,
könnten Sie ihn als Flugzeugträger verwenden. Das eigentliche Problem ist, dass Cadillac bereits 1992 aufgehört hat, dieses Auto – einen Brougham d’Elegance – zu
produzieren. Und es einfach kein anderes Auto gibt , das so gut ist wie dieses. Vor allen Dingen ist es enorm. Bis 1992 war es sogar das grösste Auto der westlichen Hemisphäre. Wenn man einen Cadillac schweben lassen könnte – und das können Sie nicht, weil er aus den schwersten Metallen besteht, die der Mensch kennt – könnte man ihn als Raumfähre einsetzen. Glücklicherweise bedeutet diese Grösse, dass der Innenraum etwas grösser ist als die meisten Filialen von EDEKA. Ausgestattet mit zwei Sitzbänken, kann er einen Fahrer und fünf Geschäftsleute (oder drei Amerikaner) aufnehmen, und der Kofferraum ist so gross, dass nicht einmal Kim Kardashian ihn mit Gepäck füllen könnte. Vier Golfbags passen hinein und wahrscheinlich auch ein Golf-Cart; was wirklich beeindruckend ist.

Aber das Beste an meinem Cadillac ist nicht die Grösse…

…sondern der Komfort. Europäische und japanische Autos werdenimmer mit Blick auf den Nürburgring gebaut.
Gerade die Deutschen können gar nicht anders. Tief im Inneren glaubt man bei Porsche, Audi, BMW und Daimler, dass das Handling wichtiger ist als Sicherheit, Preis, Kraftstoffverbrauch, Weltfrieden, die Weltwirtschaft oder Gott selbst.
In Amerika ist das anders. Dort denkt man, dass das Lenkrad nichts anderes ist als ein praktisches Plätzchen, um die USA Today abzulegen oder den nachwuchs zu wickeln. Und mit mehr als 2 m/ph um eine Strassenecke zu preschen, würde Ihnen Ihren Eimer Kaffee auf Ihren Schoss kippen. Also warum Handling?

Cadillac hat dies definitiv verstanden…

…als sie 1974 den Brougham d’Elegance entwarfen. Natürlich hat er sich in den fast 20 Jahren Bauzeit stetig verändert- er hatte schlussendlich vier Zigarettenanzünder und kapitonierte Ledersitzbezüge – aber das Rezept ist im Grunde das gleiche geblieben: Eine Karosserie,
die auf ein Fahrgestell geschraubt ist, eine starre und gleichzeitig sehr lebhafte Hinterachse und ein V8-Motor, der gefühlte sieben PS leistet, aber 100 Jahre hält. Dann ist da noch die Federung, die selbst das Kopfsteinflaster der Hindenburgstrasse komplett ausbügeln kann. Sie könnten einen Cadillac durch eine kürzlich bombardierte Stadt fahren, währenddessen eine Operation am offenen Herzen durchführen und der Patient wäre in Ordnung. Ich parkte einmal vor einem Laden in Delmenhorst, und als ich eine Stunde später zurückkam, schaukelte mein Cadillac immer noch. Das Innere meines Brougham besteht aus CD-Hüllen-Kunststoff und Gelsenkirchener Barock-Mobiliar. Aber darum geht es hier doch gar nicht. Wenn Sie nach vier Stunden in einer Ryan-Air Maschine endlich landen, was soll Sie lieber durch die unvermeidlichen Staus von Bremen nach Oldenburg transportieren: ein Auto, das die Nordschleife des Nürburgrings in 5:19, 546 Minuten umfahren kann? Oder etwas Bequemes? Nein, nein: mein Cadillac ist alles, was eine Limousine sein sollte. Geräumig, gut ausgestattet, komfortabel und preiswert. Ich bekam ihn zum 50. Geburtstag geschenkt – und meine fürstlichen Honorare reichen bei weitem für den Unterhalt aus. Cadillac ersetzte ihn in den 1990ern mit etwas, das wie ein Citroën aussieht. Kein Geschäftsmann würde darin tot gesehen werden wollen. Weshalb Sie in naher Zukunft auch keine Rezensionen über Cadillacs von mir lesen werden.

Kategorie: Kolumne
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