Kolumne Dem Gedächtnis auf der Spur (Teil 3)

Dem Gedächtnis auf der Spur (Teil 3)

Ist jetzt auch unser Denkvermögen im Lockdown?

Ist jetzt auch unser Denkvermögen im Lockdown?

Interview: Michael Eckert

Wir alle kämpfen hin und wieder mit Gedächtnislücken. Der Coach und Buchautor Oliver Geisselhart schult Gedächtnisleistungen mit dem Ziel, die Möglichkeiten unseres geistigen Potentials auszuschöpfen. Er vermittelt Strategien, damit wir uns Dinge besser merken und uns dann auch schneller wieder erinnern können. „Es gibt kein schlechtes Gedächtnis, nur ein schlecht genutztes“, sagt Geisselhart und ist überzeugt, dass es für die Verbesserung nicht einmal ein umfangreiches Training braucht. „Viel wichtiger ist es, einmal die richtige Technik zu erlernen und mit dieser dann zu arbeiten.“ Für Teil 3 unserer Geisselhart-Serie fragten wir den Coach, ob uns Corona auch eine Gedächtniskrise beschert. 

Info – Oliver Geisselhart ist Universitätslehrbeauftragter, Bestseller-Autor und Unternehmer. Seit mehr als 37 Jahren schult er die Gedächtnisleistung von Mitarbeitern und Kunden renommierter Unternehmen in der ganzen Welt. Sein erstes Seminar veranstaltete er bereits im Alter von 16 Jahren, und bis heute hielt der gebürtige Schwabe über 4.000 Vorträge und Seminare. Das ZDF bezeichnet ihn als „Deutschlands Gedächtnistrainer Nr.1“ und „Deutschlands führenden Mentaltrainer“, VOX sogar als „Europas erfolgreichsten Gedächtnistrainer“. Schon dreimal wurde ihm der begehrte Conga Award verliehen.
Mehr Infos: www.teamgeisselhart.de 

Hat Deutschlands Mentaltrainer Nr. 1 (ZDF) auch ein Rezept gegen den Corona-Blues?

Mein Rezept ist eindeutig: sich einfach weniger mit Corona und den ganzen Folgen zu beschäftigen. Das hört sich vielleicht ein bisschen oberflächlich an, aber wenn ich schon weiß, dass ich als Einzelner nichts dagegen ausrichten kann, dann macht es nach meinem Denken einfach keinen Sinn, sich daran abzuarbeiten. Also höre ich auf, mein Gehirn mit dem Müll zu verpesten. Wenn ich mir also die ganzen Nachrichten anschaue, sämtliche News reinziehe, vielleicht noch mit Freunden darüber diskutiere und mich ständig aufrege, vergifte ich mich unbewusst. Natürlich gibt es auch Leute, die das ganz bewusst machen. Die schalten den Fernseher ein, gerade um Negativ-Informationen reinholen. Das ist aber nicht gut für das Gehirn. Über den Mund nehmen wir auch nicht jeden Mist zu uns. Das wählen wir sorgfältig aus. Gegen den Corona-Blues setze ich deshalb geistige Hygiene. Den Fokus darauf setzen, was mir Spaß macht und wo ich hinwill. In solchen Zeiten muss ich mich an die Gegebenheiten anpassen. Wenn es regnet, gehe ich ja auch nicht in der Badehose raus, sondern nehme einen Schirm mit. 

Wirkt sich der monatelange Lockdown einschläfernd auf unsere Gehirnaktivität aus?

Eindeutig. Wir haben zu wenige Kontakte. Aber soziale Kontakte und Kommunikation mit anderen Menschen aktivieren unser Gehirn. Es trainiert unser Gehirn besonders umfassend, wenn wir uns mit mehreren Menschen gleichzeitig unterhalten. Das fordert unser Gehirn heraus. Wenn das fehlt, baut das Gehirn ab – gerade bei älteren Menschen, die aus dem Berufsleben raus sind und womöglich auch körperliche Gebrechen haben, weniger aus dem Haus kommen und infolgedessen auch weniger soziale Kontakte haben. Forschungen haben längst erwiesen, dass sich dann demenzähnliche Zustände ausbreiten können. Bei Forschung und bei Therapien geht es dann darum, solchen Menschen wieder möglichst viele soziale Kontakte zu ermöglichen und das soziale Umfeld so zu stärken, dass die Gehirnaktivität wieder trainiert wird. Gerade in Zeiten des Lockdowns sollten wir darauf achten, mit möglichst vielen Menschen zu kommunizieren. Über Online-Medien lässt es sich zum Teil herstellen, aber das ersetzt natürlich nicht das direkte Kommunizieren. Wir müssen hoffen, dass der Lockdown schnell vorübergeht und wir uns wieder mit mehr Menschen treffen können. 

Wie stark ist unsere Gedächtnisleistung von den Einschränkungen betroffen?

Das ist individuell sehr unterschiedlich, aber insgesamt kein Grund zu großer Besorgnis. Generell aktiviert unser Gehirn bei einem Gespräch zunächst das Arbeitsgedächtnis, wo kurzfristige Informationen wie das vom Gegenüber gerade Gesagte abgespeichert werden. Darauf muss ich sofort wieder zugreifen können, damit andere Hirn-Areale die Antwort finden und interaktiv darauf reagieren können. Vermutlich wird der Lockdown nicht gleich dazu führen, dass die Menschen ein starkes Nachlassen ihrer Gedächtnisleistung registrieren. Bei gezielten Tests wäre das vielleicht feststellbar, aber das ist dann relativ schnell wieder reversibel. Wenn ich wieder in Kontakt mit Menschen komme und meine gewohnte Arbeit wieder aufnehmen kann, wenn also die Gehirnaktivität wieder so gefordert wird wie vor dem Lockdown, dann habe ich da sehr schnell meine kompletten Kapazitäten wieder zurückgewonnen. 

Ist Alleinsein grundsätzlich schädlich für Gedächtnisleistungen?


Grundsätzlich ja. Es sei denn, ich fördere mein Gedächtnis in der Zeit des Alleinseins mit gezieltem Gedächtnistraining. Mit bestimmten Übungen kann ich meine Gedächtnisleistung in der Zeit des Alleinseins verbessern. Leider machen das die wenigsten Menschen. Je länger ich allein bin, desto länger wird mein Gedächtnis nicht benutzt. Wenn ich nach einem Beinbruch einen Beinmuskel nicht benutze, bildet er sich zurück. Unser Gehirn verbraucht 20 bis 25 Prozent unseres Grundumsatzes an Kalorien. Das ist wirklich eine große Menge, und unser Körper ist sehr schlau und ständig auf Energieeffizienz bedacht. Er hält immer nur so viel Muskeln und auch so viel Gehirnleistung parat, wie gerade benötigt wird. Im Ruhezustand, wenn die Leistung nicht mehr abgerufen wird, fährt er auch die Gehirnleistung zurück, um weniger Kalorien zu verbrauchen. Wie ein Motor, der die Zylinder abschaltet, damit er weniger Sprit verbraucht. Unser Körper agiert im ständigen Überlebensmodus und denkt, wir müssen sparsam mit Kalorien, mit Nahrung, mit Treibstoff umgehen, weil Knappheit und Mangel herrschen. Das ist zwar heute nicht mehr so, aber der Körper verhält sich entsprechend. 

Wie ergeht es dir selbst im Lockdown?

Ich habe immer noch sehr viele Kontakte, wenn auch über Online- Medien, Telefon oder Videotelefonie. Und ich kommuniziere nach wie vor mit meinem Büro. Unsere Meetings und Besprechungen sind nur in den schlimmsten Phasen des Lockdowns ausgefallen. Ansonsten haben wir das immer durchgezogen, dann halt mit Abstand und mit Masken. Darüber hinaus halte ich mich natürlich mit meinen Gedächtnis-Schulungstechniken fit und bringe mich immer wieder auf den Stand. 

Wie geht es dir damit, wenn du deine Klientinnen und Klienten nicht persönlich treffen kannst?

Natürlich ist es schöner, wenn ich mit meinen Kursteilnehmern und Kunden persönlich sprechen kann. Wenn ich sie leibhaft in der Praxis vor mir habe, ich Seminare durchführe, ich die Gruppen dort habe und betreuen kann. Das erfüllt mich mehr, als wenn das Ganze über Videotelefonie oder Video-Meetings läuft. Aber das geht momentan nicht anders. Ich habe mich der Situation angepasst und komme damit gut klar. Es gehört zu meinen Eigenschaften, dass ich mich ganz gut an Gegebenheiten anpasse, die ich nicht beeinflussen kann. Da verspüre ich in mir keinen Frust oder Ärger. Wenn ich im Stau stehe, kann ich auch nichts dagegen machen. Also bleibe ich locker, schiebe ein schönes Hörbuch in den CD-Spieler oder nehme einen Stick, höre ich mir ein Hörbuch an oder nutze die Zeit auf andere Weise sinnvoll. 

Welche digitale Techniken nutzt du für die Kommunikation mit deinen Klienten?

Ich nutze Zoom und sehr gerne Videotelefonie. Meine Schulungsmethode musste ich deshalb nicht umstellen, wir haben allerdings auch viele Kurse und Seminare ausfallen lassen müssen und teilweise verschoben. Jetzt im April findet das erste wieder hier auf Mallorca statt, im Mai das nächste. Dringende Veranstaltungen haben wir online abgehalten, und das hat auch ganz gut funktioniert. Wer diese Medien richtig nutzt, kann da auch viel machen. Es ist eine adäquate Methode, um Lockdown-Zeiten so gut wie möglich zu überbrücken. 

Mehr Infos

TEAMGEISSELHART
teamgeisselhart.de
info@kopferfolg.de

Kategorie: Kolumne
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