Lebensart Der Drink der Stunde

Der Drink der Stunde

Interview mit Christian Heck

Am Anfang stand für Christian Heck die Frage, warum im Norden kein Gin mit den regionalen Botanicals hergestellt wird. Es folgte die Tat: Sein Hanseatic Dry Gin „Luv & Lee“ behauptet sich sturmfest im Markt und heimste bereits mehrere internationale renommierte Preise ein. CHAPEAU-Reporter Lars Görg gratuliert und fragt nach mehr…

CHAPEAU ― In den vielen Jahren, die wir uns kennen, bist Du vom einstmals respektablen Mann zum Schnapsbrenner geworden. Wie kam’s?

Christian Heck ― [lacht] Ich finde mich immer noch respektabel! Aber, ja: ich bin, um es mit deinen Worten zu sagen, Schnapsbrenner geworden. Mit meinem Gin „Luv & Lee“ als bislang einzigem Produkt.

Info ― Christian Heck kommt aus Oldenburg und kann als Spirituosenkenner auf mehr als 25 Jahre Erfahrung im Hause Pernod Ricard zurückgreifen. Um sein eigenes Projekt, einen Gin mit Zutaten aus der Region Norddeutschland, zu realisieren, holte er sich die Hamburger Weinkellerei und Spirituosenmanufaktur von Have ins Boot. Das Familienunternehmen stellt seit 1868 Spirituosen in kleinen Partien her. Die von Christian Heck entwickelte Hanseatic-Dry-Gin-Kreation „Luv & Lee“ wird bei von Have in Handarbeit hergestellt und abgefüllt. „Luv & Lee“ wurde bereits mit der Goldmedaille des Internationalen Wettbewerbs ISW ausgezeichnet, erhielt bei den China Wine & Spirits Awards die doppelte Goldmedaille und kürzlich nochmal Gold beim Los Angeles International Spirits Competition.

Warum Gin? Historisch betrachtet war Gin in Zeiten der Prohibition und den teilweise horrenden Steuern auf Alkohol tatsächlich der Schnaps der Wahl – für Schwarzbrenner…

Das stimmt. Aber nicht wegen dieser Tradition habe ich mich für Gin als erstes Produkt entschieden. Gin erlebt seit über zehn Jahren ein ungebrochenes Comeback, ist buchstäblich in aller Munde. Als aus der Idee der Selbstständigkeit langsam so etwas wie ein „Plan“ wurde, war mir klar, dass ich mit einem Erfolg starten muss – oder es besser gleich sein lasse. Der weltweite Siegeszug des Gins hat mir gesagt: Wenn mir damit etwas Besonderes, Unvergleichliches gelingt, werde ich den gewünschten Erfolg haben.

Was ist Dir Besonderes, Unvergleichliches gelungen?

Eigentlich gefallen mir diese Begriffe nicht, vor allem nicht in Verbindung zu mir als Person…

Du hast sie selbst benutzt…

Ja. Also noch einmal von vorne. Der weltweite Erfolg von Gin ist das eine, der daraus resultierende Wettbewerbsdruck das andere. Die Frage war: Wartet die Welt auf einen weiteren Gin? Viele, mit denen ich im Vorfeld sprach, verneinten diese Frage. Meine Antwort ist ja, wenn es der Richtige ist. Ohne jetzt Marketing-Phrasen über Authentizität, Storytelling, Regionalität, Nachhaltigkeit und so weiter dreschen zu wollen: Ich sollte aus Oldenburg, aus Norddeutschland heraus durchaus ein Bekenntnis zu dieser Region abgeben. Dazu, was diese Region typischerweise ausmacht. Übertragen auf eine Spirituose sind das Klarheit, Kühle, Frische. So weit, so gut. Und geschmacklich? Salz, Kümmel, Anis. Das alles lässt sich einem Gin vermitteln, über die sogenannten Botanicals beigeben. Während des Prozesses zum Finden der Rezeptur merkst du dann natürlich: So geht es gar nicht, so schon besser, jetzt ist es fast gut. Richtig gut. Sogar sehr gut wurde es, als Lemongrass und Zitrone hinzukamen, und Koriander, Sylter Meersalz – um nur einige Komponenten zu nennen.

Wo macht man so etwas? Am heimischen Herd zur grenzenlosen Begeisterung der liebenden Ehefrau?

Nein, das kannst Du vergessen. Dafür ist der Vorgang viel zu komplex und aufwendig. Ich habe mir dafür als Partner, wie auch für die spätere Herstellung und Abfüllung, die Firma Heinr. von Have dazu geholt, die älteste Spirituosenmanufaktur in Hamburg. Das ist kein Geheimnis, das steht auf jeder Flasche drauf. Anfangs hatte ich nur das Gefühl, das sei der richtige Partner, dann die Erkenntnis, und heute weiß ich: Das ist der richtige Partner. Witzigerweise bin ich erst über diese Hamburger Verbindung auf den Namen „Luv & Lee“ gekommen. Ich kann Dir nicht sagen, ob jeder bei „Hamburg“ an dasselbe denkt. Aber ich denke an den Hafen, hanseatische Art und Lebensform, und spätestens auf der Reeperbahn auch an Seefahrer-Romantik, Heimweh, Fernweh. Daraus muss dann nicht notwendigerweise Kitsch entstehen, aber ein Name wie „Luv & Lee“ liegt dann auf der Hand.

Mein Kollege bei Chapeau, Klaus von Due, merkte etwas spitz an: „Hanseatic Dry Gin“ gäbe es nicht. London Gin, Dry Gin, Französischer Gin, Old Tom Gin und Sloe Gin seien die einzigen zulässigen Klassifizierungen…

[lacht] Ohne die Welterfahrenheit deines Kollegen in Frage stellen zu wollen: Jein. Ich habe mir die Freiheit genommen, einen klassischen Dry Gin herzustellen, auf den London Gin zu schauen – und festzustellen: „Luv & Lee“ hat von beiden etwas. Also nenne ich ihn „Hanseatic Dry Gin“. Hier, bitte: Nimm Herrn von Due mal eine Flasche mit. Es gibt ihn, den Hanseatic Dry Gin!

Aus Norddeutschland heraus sollte ich schon ein Bekenntnis zu dieser Region abgeben.

Ich kann nicht still bleiben, wenn es um Gin geht.

Mit Speck fängt man Mäuse, mit Gin fängt man Kläuse… Ist „Luv & Lee“ ein Erfolg?

Ach, das ist auch wieder so ein Begriff, den ich ungern in den Mund nehme. Würdest du von dir sagen: „Ich bin erfolgreich?“ Das kann man denken, aber eine gute Kinderstube verhindert doch hoffentlich, so etwas laut zu sagen. Diesmal hast aber du den Begriff Erfolg vorgelegt, darum werde ich darauf antworten: Ein Erfolg, mein Erfolg ist es, dass aus einer jahrelange gereiften Idee eine Flasche wurde. Die kannst du, Klaus, jemandem mitbringen und darüber hinaus Gott-weiß-wo kaufen. Aus einer Idee ist Realität geworden. Das ist ein Erfolg, ja.

Ja. Nach Gold beim Meiningers International Spirits Award 2017 und doppelt Gold bei den China Wine & Spirits Awards, ebenfalls 2017, nun wieder Gold beim 2018 Los Angeles International Spirits Competition. Das ist doch was!

Natürlich. Und ich freue mich darüber wahnsinnig und finde es heute noch im wahrsten Wortsinne unglaublich. Aber deswegen will ich nicht die langfristige Entwicklung aus den Augen verlieren. Preise sind, was sie sind: Auszeichnungen. Aber schon heute die Auszeichnungen von gestern. Am Markt aber muss sich „Luv & Lee“ heute behaupten, morgen und übermorgen.

Welche Rolle spielt dabei der Wettbewerb?

Keine.

Komm…

Nein, wirklich. Es heißt ja nicht „Pepsi gegen Cola“, es heißt „Luv & Lee“. Wir haben fast kein Budget für Werbung. Ich bin aber viel unterwegs, auch in Bars. Dort sage ich zwar nie „Hey, das ist mein Gin“, kann aber nicht still bleiben, wenn es um Gin geht. Bislang ist noch jeder von „Luv & Lee“ überzeugt gewesen. Aber das kann man noch nicht einmal als Guerilla-Marketing bezeichnen. Die Mengen, die ich verkaufe, wachsen langsam, aber stetig. Jedoch in einem Bereich, in dem sich gar nicht messen ließe, ob meine Verkäufe zurückgehen wenn eine andere Firma eine Werbekampagne startet. Nein, der Wettbewerb spielt keine Rolle.

Welche Rolle spielt die Zukunft? Das kommende „nächste große Ding“?

Wie überall spielt die Zukunft die entscheidende Rolle! Wenn ich in die Zukunft schauen könnte… Nichts ist einfacher, als die Lottozahlen von gestern zu kennen. Aber wüsste ich die von morgen… Ich denke schon ständig darüber nach, was kommt. Was werden die Menschen morgen mit der gleichen Leidenschaft und Neugier kennen lernen wollen wie einen besonderen Gin? Den Korn, den Bitter? Ich weiß es nicht – und was ich mir vorstellen könnte, möchte ich eigentlich nicht sagen. Zunächst einmal bleibt „Luv & Lee“ Gin. Hanseatic Dry Gin jetzt, seit dem 30. Juli dazu auch noch als Sloe Gin. Also eigentlich ein Gin Likör, alkoholreduziert, mit Schlehe. Der klassische Sloe Gin ist ein perfektes Terrassengetränk und wird vor allem von Frauen gern auf Eis getrunken. Barkeeper nutzen ihn zum Cocktailmixen, zum Beispiel für den Negroni anstelle von Wermut

Na, da kann Klaus von Due sich ja freuen: Sloe Gin, eine zulässige Gin-Bezeichnung! Aber über die Gin-Welt hinaus? Whiskey und Whisky hatten wir schon, Rum haben wir immer noch, der Wodka ist nicht weg. Jägermeister & Co. haben ein großes Comeback…

Das ist alles nicht falsch, deswegen aber nicht notwendigerweise richtig für mich. Ich bin ja eine One-Man-Show, trotz meiner tollen Partnerschaft mit von Have. Ich muss dahinterstehen. Alles andere wäre unglaubwürdig. Ein Klasse-Korn vielleicht? Schauen wir mal. Mir muss eine Idee kommen, das Ergebnis muss mich stolz machen – und dann kann es weitergehen…

… mit der Erfolgsgeschichte.

Wie auch immer du es nennen willst. Aber, ja: weiterhin nicht am Markt vorbei zu planen und zu produzieren: Das ist es schon, was ich mir wünsche.

Ich wünsche es dir auch, Christian!

Kategorie: Lebensart
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