Kunst (Design) Der mit den BIENEN TANZT

Der mit den BIENEN TANZT

Interview mit Sascha Akkermann

Lars Görg: Um einmal gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Dieses formidable Hausboot im Oldenburger Hafen – das ist dein Hausboot.

Wie kommt man zu einem Hausboot? Wie kamst du zu diesem Hausboot? Sascha Akkermann: Die einfache Antwort: Indem man es sich einfach baut. Ich war so verrückt - und habe es mir gebaut.

Gab es einen Plan, eine Geschäftsidee, oder war es der Entschluss, meine Frau und ich werden auf einem Hausboot leben?

Ursprünglich hatte ich die Idee, auf einem Hausboot zu wohnen, und zwar als meine Werkstatt bei der Brandt-Werft direkt am Wasser lag. Ich konnte direkt an der Werkstatt das Hausboot bauen und später mit einem Kran ins Wasser heben. Ich hatte weder die Finanzierung, noch einen Bauplan, nur die Idee, ein Hausboot zu bauen. So fing ich einfach an.

Und? Habt ihr darauf gewohnt?

Ja, klar. Sieben Jahre lang.

Wie ist das Lebensgefühl? Mir käme das unsicher vor, so „zugänglich“ für jeden …

Ach, es gibt da ja nur eine Stelle, nämlich den Steg, über den man überhaupt erst auf das Boot kommt. Es sei denn, man käme vom Wasser, mit einem Boot, aber das machen Streuner eher nicht … Insofern ist das nicht anders als in einem Haus. Bei uns war es aber so, dass viele Leute sich für das Hausboot an sich interessiert haben. Da wurde viel geklingelt, geklopft oder gerufen, was das entspannte Privatleben, gerade am Wochenende, schon gestört hat. Das Interesse an Hausbooten konnten wir schon nachvollziehen, so viele gibt es davon in Deutschland ja nicht...
Sascha Akkermann - Chapeau
Sascha Akkermann - Chapeau
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Sascha Akkermann - Chapeau
Sascha Akkermann - Chapeau
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Inzwischen lebt ihr auf einem Hof auf dem Lande. Sehr bürgerlich, von der Warte des Hausboot-Skipiers aus betrachtet.

Dahinter steckte erst einmal der Wunsch, eine Werkstatt für mich zu finden. Dabei wurde relativ schnell klar, dass man so eine Investition nur einmal in seinem Leben macht, so dass die Idee entstanden ist, beides zusammenzufassen: Arbeits- und Wohnraum - weil ich immer gerne da gelebt habe, wo ich auch gearbeitet habe. Das war für mich immer das Gleiche, eins. Das ist jetzt wieder so - und das finde ich schon sehr, sehr gut.

Das Lebensgefühl auf dem Lande? Die Weite, die Stille – bemerkst du das bewusst?

Auf jeden Fall. Hier kann ich sicher sein, dass niemand unangemeldet vorbeikommt. Es ist ein richtiger „Weg“ hier hin, den niemand nur so mal eben macht. Und der Platz! Hier kann ich Sachen anfangen und liegen lassen, wenn ich nicht fertig werde; das finde ich ganz toll. Das war übrigens auch auf der Werft ganz toll; da hatte ich auch jede Menge Platz. Anfangs haben wir ja vor allem Sitzlandschaften gebaut, die ganz viel Platz einnahmen. Wenn man da ein Modell aufgebaut hatte, dann war der Raum eben voll. So war es schon gut, Voraussetzungen zu haben, etwas aufbauen, stehenlassen und trotzdem in einem anderen Raum weiterarbeiten zu können. Sonst wirst du ja durch Begrenzungen im Raum schon im kreativen Prozess ausgebremst. Viel Platz zu haben, hat mir schon oft tolle Möglichkeiten eröffnet.

Kreativität braucht Raum. Aber noch einen Schritt zurück: Die Werkstatt brauchtest du, weil du Möbeltischler bist. Gelernt oder als Autodidakt?

Ich bin Tischlermeister, habe die klassische Ausbildung gemacht und bin dann aber, als Autodidakt, in die Design-Szene hineingerutscht. Über ein Möbel, das ich gemacht habe, als ich eine „arbeitsfreie Zeit“ (lacht) nach der Meisterschule hatte. Dieses Möbel ist auch heute noch am Markt, es hat einen ganz langen Weg mit mir gemacht, und es hat mich in die Design-Szene geführt, obwohl ich „nur“ Tischler war. Ich habe Ausstellungen gesucht, in denen es nur ums Design geht und habe dafür auch Projekte umgesetzt. Lange Jahre. Und das ist so eine Sache: Solche Projekte verschlingen sehr viel Geld, Aufträge in diesem Bereich sind eine sehr langfristige Geschichte, Investitionen auch. Für das Möbel, von dem ich sprach, habe ich elf Jahre gebraucht. Vom Entwurf bis zur Serienreife, also bis es wirklich auf dem Markt für den Endkunden kaufbar war.

Was ist das denn nun, dieses Möbel?

Ein Liegemöbel, das aufgerollt ist, abgerollt und aufgestellt werden kann. Aus Holz und LKW-Plane, wobei die LKW-Plane nur als Scharnier genutzt wird.

Wird die Liege heute noch hergestellt?

Ja. Sie wird auch verkauft, nicht tausendfach, aber gut verkauft. Die Kunden sind glücklich, der Preis ist angemessen. Ich habe einen Super Hersteller dafür, der auch noch hier in der Region ist, in Bockhorn: Müller-Möbelwerkstätten – ein Familienbetrieb, der sehr sympathisch ist. Der Geschäftsführer ist in meinem Alter. Das passt alles super.

Daraus haben sich dann deine Kleinmöbel entwickelt, die in deiner Werkstatt stehen.

Nein, das lief ganz anders. Ich habe festgestellt, dass bei einigen Entwürfen von mir und anderen Designern, die in Teamarbeit umgesetzt wurden, ganz viele Menschen von den Möbeln profitieren. In erster Linie finanziell profitieren. Aber nicht die Entwerfer. Und wenn, dann nur zu einem ganz geringen Teil. Deshalb habe ich einfach dieses System hinterfragt. Man macht sich fast zu einem Sklaven der Möbelindustrie. Wir sind zu Messen gefahren, haben uns präsentiert und von den Leuten, die es dann letztlich produzieren wollten, so wenig zurückbekommen, dass es einfach irgendwann keinen Spaß mehr gemacht hat. Müller in Bockhorn ist wirklich die Ausnahme! Die arbeiten ganz transparent: Ich weiß genau, was die Materialien kosten, was er verdient, was der Händler verdient. Ich kann zu Händlerpreisen einkaufen, und es nicht der Standard, dass du als Designer Händlerpreise kriegst …

Und wirst inzwischen auch von Herstellern angesprochen, etwas zu designen?

Nein. Das sind eben die Pop-Stars, die von allen Möbelherstellern angesprochen und umworben werden. Bekanntestes Beispiel ist zurzeit Sebastian Herkner, der sich wirklich jeden Hersteller aussuchen könnte. Ich schätze seine Entwürfe übrigens sehr. Aber grundsätzlich vermisse ich insgesamt in der Branche Innovationen. Da gibt es unzählige Leute mit tollen Ideen, und ich frage mich, wo bleiben die denn? So war es ja auch jahrelang mit meiner Liege. Die Leute sahen, dass das keine Liege auf vier Füßen oder zwei Rollen ist – und das war ihnen zu heikel. Die sahen auch, die kann man ja zusammenrollen. Warum denn? Will doch keiner seine Liege unters Bett schieben können. Es gibt also Vorurteile gegenüber Innovationen in der Branche. Die Innovationen werden zwar immer als Highlights auf den Messen beworben, aber sie gehen nie richtig in Produktion.

Du hast einen „eigenen Stil“. Es wirkt alles sehr mobil, sehr pur… Ist es das? Bist das du? Der Purist?

Puristisch ist nicht der richtige Ausdruck. Vielleicht ist eher „einfach“. Oftmals liegt für mich bei vielen Sachen in der Einfachheit ein gewisser Reiz, eine gewisse Qualität.

Dazu passen die Bienen, die du auf dem Grundstück hast.

Die hatte ich aber schon auf dem Hausboot. Und auch auf der Werft. Das hat sich einfach mal so ergeben. Weiß gar nicht, woher das kam … Im Moment gibt’s darum ja einen Riesen-Hype.
Sascha Akkermann - Chapeau
Sascha Akkermann - Chapeau

Machen die Biester viel Arbeit?

Nein. Gar nicht. Und das ist das Gute: wenig Arbeit, viel Freude.

Aber eine Beziehung hat man zu so einem Bienenvolk ja nicht wirklich, oder? Du musst da in voller Imker-Montur ran …

Nein! Also Bienen können Gesichter erkennen und merken sich auch, wie man sie behandelt. Ich habe den Anspruch, sie gut zu behandeln. Was ich jetzt sage, hört sich sehr esoterisch an: Ich betrachte ein Bienenvolk als einen Organismus. Die Waben sind das Knochengerüst, die Königin ist das Hirn oder Herz. Jetzt nicht 1:1, aber im Prinzip. Und dann kannst du nicht, was normale Imker machen, einfach hingehen, Waben austauschen und wie blöd Honig entnehmen. Ich nehme auch Honig raus, aber in einem ganz anderen Umfang. Ein richtiger Imker nimmt bis zu 120 Kilo in einer Saison von einem Volk, ich nehme 5 bis 7 Kilo.

Und deine Völker leben nicht in Körben oder Magazinbeuten, sondern du hast ihnen Kleinmöbel spendiert.

Genau. Kleine Häuser. Darüber freuen sie sich! Bienen lieben es, einfach Raum zu haben, ohne Vorgaben. Der Raum muss sauber sein, gut riechen – dann bauen sie ihre Waben und sind glücklich. Ich könnte euch jetzt natürlich nicht die Königin zeigen; da komme ich gar nicht ran. Bei den klassischen Beuten könnte ich eine Wabe nach der anderen ziehen, gucken und dann sagen: da! Was die Bienen aber wahrscheinlich nicht mögen, weil es in der Natur so auch nicht vorkommt. Zieht da einer eine Wabe, ist es der Bär, der sie auffrisst …

Der Kern deiner Arbeit bleibt der Möbelentwurf und -bau?

Der Kern deiner Arbeit bleibt der Möbelentwurf und -bau? Kern meiner Arbeit zurzeit ist die Arbeit mit Jugendlichen in einem von der EU gefördertes Projekt, und zwar in Kirchhatten, was örtlich ganz gut passt. Dort entwickle ich mit Jugendlichen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Unterstützung brauchen, Möbel. Ich mache das jetzt zwei Jahre, in reduziertem Umfang neben meiner Arbeit hier in der Werkstatt. Die Mischung ist toll, und die Arbeit mit den Jugendlichen ist mir sehr, sehr wichtig. So sehr ich hier, wie vorhin gesagt, die Einsamkeit schätze, so wichtig ist mir auf der anderen Seite die Zusammenarbeit mit anderen. Besser: wichtig geworden. Da entstehen durch die Arbeit, das gute Produkt, das entsteht, echte Bindungen Da gibt es zum Beispiel Tische, und die Jugendlichen freuen sich richtig, dass die so gut ankommen. Dadurch entsteht Motivation, die ich selbst bei mir spüre und bei anderen. Man kann Motivation also lenken. Nicht immer, nicht bei jedem. Aber da, wo es klappt, macht es mir dann Freude, weiterzumachen.

Gibt es bei dir so etwas wie einen ganz schlichten Ehrgeiz, mit dem, was du mittels Kreativität und Handwerk schaffst, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, oder ist der Antrieb das Erreichen von, sagen wir mal, Glücksmomenten?

Das ist eine Frage … Wir haben ganz lange gekämpft, über eine bestimmte Hürde hinwegzukommen. Ich sage jetzt „wir“, weil ich früher ganz lange mit einer Kollegin zusammengearbeitet habe. Zehn Jahre bestimmt. Irgendwann haben wir uns gefragt: Warum machen wir das eigentlich? Wir bekommen doch nichts zurück. Weder finanziell noch sonst irgendwie. Letztendlich ist es so, dass man an bestimmte Ideen einfach glaubt. Das ist der Antrieb. Ich glaube, mein Anspruch ist gar nicht so hoch: Klamotten, Labels, bestimmte Möbel sind mir gar nicht wichtig, interessieren mich nicht. Deswegen habe ich eine IKEA-Küche. Einfach, weil es das praktischste war. Ich wollte eine weiße Küche, schlicht, keine Wartezeiten, hingehen, kaufen. So war’s – und das war super. Jeder sagt natürlich „Du als Möbeltischler kaufst dir eine IKEA-Küche?“ Ja. Das tu ich. Hätte ich die gebaut, hätte ich das Doppelte oder Dreifache bezahlt und fünf Wochen länger gebraucht. Und das Ergebnis wäre der jetzigen Lösung sehr ähnlich gewesen.

Und eine Küche wie diese erfüllt deinen Anspruch an Nachhaltigkeit?

Wahrscheinlich nicht. Ich habe immer bei den Sachen, die ich mache, den Gedanken der Nachhaltigkeit bereits in den Entwurf einfließen lassen. Bei meiner Liege zum Beispiel sind Holzlamellen drauf. Aus Kunststoff hätten sie die Hälfte gekostet und wäre fünf Jahre eher produzierbar gewesen. Nun ist sie so, wie ich sie wollte. Hier, die Rolle da in der Ecke, das ist eine.

DAS? Mehr ist das gar nicht?

Nein. Ist das Wetter schön, bauen wir sie auf der Terrasse auf. Gut: mit dem Holz ist sie nicht wetterfest. Da gibt es dann andere Sachen, die man das Jahr über stehen lassen kann …

… und nach drei Jahren wegwirft, weil sie unansehnlich geworden sind …

Ja; damit hängt Nachhaltigkeit auch zusammen. Das man Produkte lange nutzt. Aber wir sind da etwas abgeschweift … Als es darum ging, wie es mich zermürbt, Preise zu unterschreiten, nicht zurück zu bekommen, im Konkurrenzkampf zu bestehen. Produkte „umzudenken“, damit sie günstiger produziert werden können. Am Ende war das nicht meine Branche. Ich habe irgendwann den Kreis durchbrochen, indem ich ganz einfache, kleine Holzmöbel erdacht habe, die eine eigene Formensprache haben und die ich selbst herstelle. Und so bleibt alles bei mir. Die Arbeit, klar, aber auch die ganze Freude, die ich aus der Arbeit schöpfen kann. Wenn mir die Arbeit Spaß macht, mir die Kunden gefallen, dann wird es einfach gut. Und der Gewinn: der bleibt dann letztlich auch bei mir.

Da ich Dich jetzt so erlebe und kennenlerne: Deine Möbel spiegeln dich ein ganzes Stück wider. Wer Dreibeiner mit einer Schublade baut, muss „Einfachheit“ lieben…

Die Idee dahinter war, einen Ort für Lieblingsstücke zu schaffen. Mich fragte seinerzeit ein junger Mann, ob ich ihm ein Regal für seine Lieblingsmütze bauen könne. Der sammelte Baseball-Mützen, ganz, ganz viele, aber die eine, die wollte er für sich irgendwo präsentieren. Na ja, so kam es dann zu diesen Möbeln. Da passen dann eben die Mütze, oder ein Buch, oder eine Kette, ein Ring hinein. Diesen Lieblingsstücken gibt man Aufmerksamkeit durch so ein Möbel. Ja: das ist auch Einfachheit. Du gehst zu diesem Möbel hin, weil da nicht irgendwelche Sachen drin sind, sondern das Lieblingsstück.

Zurück zu deinem Weg: Ist es die Vereinbarkeit der dir wichtigen Dinge? Frau, Jugendarbeit, Bienen, Entwurf, Handwerk?

Ich habe ganz viele Jahre verbissen gearbeitet. Und etwas hinterhergejagt. Hatte Erfolgsdruck. Heute frage ich mich: warum? Festgestellt habe ich, dass meine Entspanntheit mir auch bei der Arbeit hilft. Ich habe die Freiheit, morgen zu malen, ohne mir die Frage stellen zu müssen, kann ich damit auch Geld verdienen. In der Holzwerkstatt. Durchs Machen habe ich die neuen Ideen bekommen. Es ist nie so, dass ich mich hinsetze und frage, was könnte ich mal machen … Sicherlich ist das sichere und regelmäßige Einkommen aus der Jugendarbeit ein wichtiger Faktor. Das Geld kommt jeden Monat und bedeutet ein Stück Freiheit. Ja, so wie es ist, kann es eigentlich bleiben.

Das macht dich wirklich besonders! Ich kenne bei allen und jedem eigentlich nur: genug ist nie genug. In unterschiedlichen Spielarten und auch verständlich; unser Wirtschaftssystem funktioniert nun einmal so. Dich verstehe ich aber auch. Wirklich. I

Ich wollte es ja auch mal. Ganz am Anfang. Einen Betrieb aufbauen … Ich glaube inzwischen aber, nur weil ich es so gelernt habe. Das wird dir antrainiert, vorgelebt. Nein, nein, in jeder Weise am gewinnbringendsten ist für mich das Bauen kleiner Möbelchen und die dann an den Mann zu bringen.

Sascha Akkermann ist Gewinner des „interior innovation award 2013“,
sowie des „German Design Award“ 2014 und 2016.

Kategorie: Kunst (Design)
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