Kultur Mit dem Land Rover durch Europas äußersten Norden

Mit dem Land Rover durch Europas äußersten Norden

Teil 2: Vom Nordkap südwärts durch Finnland, das Baltikum und Polen zurück nach Oldenburg.

Der erste Teil der Abenteuertour durch Europas äußersten Norden führte unseren Autor Udo Paries an den Polarkreis und auf die Lofoten. In Teil zwei lenkt er seinen Land Rover Defender vom Nordkap südwärts durch Finnland, das Baltikum und Polen zurück nach Oldenburg.

Hündin Xena posiert für die Kamera in Estland

Hündin Xena posiert für die Kamera in Estland

Auf der Karte sieht die Entfernung von den Lofoten zum Nordkap recht kurz aus, …

… aber es sind immerhin rund 1.000 Kilometer zurückzulegen. Erschwerend hinzu kommen zahlreiche Baustellen, Tunnel und Serpentinen, so dass man hier zwei bis drei Tage unterwegs ist, wenn man sich nicht stressen will. Zum Glück ist die Strecke sehr abwechslungsreich. Teilweise fuhr ich durch herrliches Sonnenwetter, aber wenn ich aus den Tälern herauskam und Pässe überquerte, musste ich mich manchmal durch übles Schneegestöber und dichten Nebel kämpfen. Städte wie Narvik und Hammerfest habe ich links liegen lassen und meine Stopps irgendwo im Nirgendwo eingelegt. Etwa 250 Kilometer südlich vom Nordkap hatte ich dann mal wieder ein Bombenwetter mit ungetrübtem Sonnenschein, was auch gleich einige Tiere aus den Wäldern lockte. Neben zahlreichen Rentieren liefen mir auch mehrere Elche über den Weg. Meine Hoffnung stieg, dass mich auch am Nordkap geiles Wetter erwarten würde. Die letzten 250 Kilometer führten über eine teilweise spektakuläre Piste mit wenig Verkehr durch eine irre Landschaft entlang der rauen und wilden Küste – einfach genial.
Das Wetter im äußersten Norden ist extrem wechselhaft und unbeständig. Bis zum kleinen Fischerort Skarsvåg kurz vor dem Nordkap wurde es immer kälter und verdammt windig. Die letzten 20 Kilometer gestalteten sich dann auch recht ungemütlich, und am Nordkap angekommen habe ich eine der kältesten und stärksten Brisen überhaupt erlebt. Ich parkte erst einmal den Wagen und ging mit meinem Hund Xena zur berühmten Globus-Skulptur, um das obligatorische Nordkap-Foto zu machen. Von „gehen“ konnte allerdings nicht wirklich die Rede sein. Xena ist mir fast weggeweht, und meine Hände waren innerhalb von Minuten total durchgefroren. Der Wind wehte unglaublich kalt und heftig. Das hatte den Vorteil, dass nicht viel los war, aber den Nachteil, dass man es dort wirklich nicht lange ausgehalten hat.

Xena und Udo genießen die warmen Sonnenstrahlen in Estland

Xena und Udo genießen die warmen Sonnenstrahlen in Estland

Zum Aufwärmen kochte ich mir auf dem Gaskocher eine Suppe, trotzdem wurde es immer ungemütlicher, und der Wagen wackelte die ganze Nacht hin und her.

Das Wetter wurde immer extremer.

Also zurück zum Defender, der auf dem großen Parkplatz zusammen mit rund 100 weiteren Campern und Wohnmobilen stand. Jetzt galt es, alles für die Übernachtung vorzubereiten. Mein Land Rover ist mit dem Alkoven immerhin 2,60 Meter hoch und deshalb auch sehr windempfindlich. Und weil der kalte Wind immer noch extrem stark blies, habe ich den Wagen geschützt zwischen größere und höhere Wohnmobile gestellt. Aber auch anderen Campern war das Wetter zu heftig, und immer mehr Fahrzeuge verließen das Kap. Drei Mal musste ich den Defender umparken. Es wurde langsam dunkel, und zum Wind, der bis zu 130 km/h schnell war, kamen Schnee- und Eisfall hinzu. Ein Defender ist nicht wirklich dicht, und der Sturm pfiff durch jede Ritze. Zum Aufwärmen kochte ich mir auf dem Gaskocher eine Suppe, trotzdem wurde es immer ungemütlicher, und der Wagen wackelte die ganze Nacht hin und her. Ich habe mich mit Xena und mit allen Decken, die ich hatte, im Alkoven eingeigelt. Leider hatte ich die Fernbedienung zur Standheizung im Cockpit liegen lassen, aber überhaupt keine Lust, noch Mal aufzustehen. Musste auch so gehen.
Nach einer richtig kalten, unruhigen und ungemütlichen Nacht brachte auch der nächste Morgen kein wirkliches Geschenk. Der Parkplatz war fast leer, und nach wie vor war es auch super windig und dazu alles eingeschneit. Eine Schicht aus Schnee und Eis hatte die Fahrerseite des Defenders bedeckt, und die musste ich mit Mühe abschlagen. Das Informationszentrum am Nordkap hat ein Restaurant, ein Museum und Souvenirgeschäft. Dort konnte ich mich etwas frisch machen und bin dann ohne Frühstück gestartet.

Bezaubernder kleiner Wasserfall in Estland

Bezaubernder kleiner Wasserfall in Estland

Die Rückfahrt nach Skarsvåg war ein richtiger Albtraum. Alles war schneeweiß, und die Straße streckenweise kaum zu sehen. Der Wind tobte noch immer mit einer ordentlichen Geschwindigkeit, was ich in meinem hohen Defender mächtig zu spüren bekam. Unterwegs habe ich mindestens vier Fahrzeuge gesehen, die von der Straße abgekommen waren, entweder auf der Seite lagen oder herrenlos in Schneewehen steckten. Für die letzten 20 Kilometer habe ich fast eine Stunde gebraucht und während der ganzen Zeit kein anderes Fahrzeug gesehen.
Im Ort heil angekommen, gönnte ich mir erst einmal ein gutes Frühstück in einem warmen Lokal. Eigentlich hatte ich mich am Nordkap noch mit Chris aus der Schweiz und seinem Defender treffen wollen, aber wie sich herausstellte, war ihm der Wind da oben ebenfalls zu kalt und zu stark gewesen. In seinem Klappfach hätte er sich den A… abgefroren.
Für mein nächstes Ziel, die rund 900 Kilometer entfernte Stadt Oulu am Bottnischen Meerbusen in Finnland, ging es einmal quer durch Lappland am großen Inarijävi See entlang. Lappland ist Europas nördlichste Region und erstreckt sich über Norwegen, Finnland und Teile Russlands. Ureinwohner sind die Samen, und wie man unterwegs sehen kann, leben die auch heute noch vorwiegend von der Rentierzucht. Landschaftlich zeigt sich Lappland sehr unterschiedlich, teilweise mit Wäldern, meist Kiefern und Birken, aber auch sehr oft als Tundra mit Sträuchern und Gräsern. Ich fuhr an einigen Seen und sehr großen Flüssen mit glasklarem Wasser vorbei. Die Region ist sehr dünn besiedelt, und an den Straßen finden sich immer wieder kleine verlassene Camps der Samen, in denen sie ihre Rentiere zusammentreiben. Ansonsten machte die Region auf mich einen recht trostlosen Eindruck. Das lag sicherlich auch an dem ungemütlichen Wetter, das mich auch nach dem Verlassen des Nordkaps weiter begleitete. Auch die Ortschaften machten einen recht eintönigen Eindruck, und nur wenige Menschen waren unterwegs. Aufgrund der Witterung durchquerte ich Lappland recht zügig und legte nur eine Übernachtung auf dem abgelegenen Parkplatz eines kleinen Ortes ein.
Je weiter ich Richtung Süden fuhr, desto besser wurde auch das Wetter, und als ich in Oulu ankam, war alles perfekt. Sonne, schöner Campingplatz, und nach einigen Tagen ohne Dusche war ein langes warmes Duschbad der Luxus, auf den ich mich am meisten gefreut hatte. Die schöne Stadt Oulu konnte ich prima zu Fuß erreichen, und auf dem Markt genoss ich eine Spezialität dieser Region: kleine gegrillte Fische, die komplett mit Kopf gegessen werden – echt lecker.

Estlands Wälder beherbergen einen  riesengroßen, roten Turm

Estlands Wälder beherbergen einen riesengroßen, roten Turm

Masuren ist Polens grüne Lunge und bietet eine spektakuläre Natur mit Tausenden von Seen und tiefen Wäldern.

Mein ursprüngliches Ziel war gewesen, am finnischen Meerbusen entlang weiter Richtung Süden zu fahren, aber ich hatte über Facebook Kontakt zur Vorbesitzerin meines Land Rovers bekommen. Sie war zufällig zur selben Zeit in Finnland, allerdings in der Region Karelien, die sich im östlichen Teil Finnlands über die russische Grenze erstreckt. Sie schwärmte überschwänglich von Landschaft und Wetter, und so beschloss ich, anstatt den finnischen Meerbusen herunter zu fahren, erst einmal in Richtung Karelien aufzubrechen – also von der finnischen Westseite Richtung Osten an die russische Grenze.

Einen Tag vor der Weiterfahrt lernte ich noch einen wirklich interessanten Typen kennen. Danny hatte seine gut gehende Autowerkstatt in Hamburg irgendwann verkauft, weil er gern und viel gereist ist. Als er Mitte 50 war, hatte ihn ein Modelscout auf der Straße angesprochen. Heute ist Danny über 70 und verdient mit Modeln immer noch sehr gutes Geld. Er wird auf der ganzen Welt als Seniorenmodel gebucht und stand auch schon für die OLB Modell. Jetzt war er allein in seinem VW T4 Camper mit einem kleinen Anhänger unterwegs. Die 70 Liter Wein, die er dabei hatte, mussten seiner Einschätzung nach für die geplanten zwei bis drei Reisemonate reichen.

Mitte Juni startete ich meine Fahrt quer durch Finnland nach Karelien. Als erstes Ziel hatte ich den See Iso-Valkeinen in der Nähe des Ortes Kuopio anvisiert. Karelien liegt im Nordosten Europas zwischen Ostsee und Weißem Meer. In Nord-Süd-Richtung erstreckt sich die Region etwa zwischen dem 60. Breitengrad und dem Polarkreis, nach Osten hin begrenzen das Weiße Meer, der Onegasee, der Ladogasee und der finnische Meerbusen das Gebiet. Im Westen geht Karelien in die finnischen Landschaften Savo und Kainuu über. Die Gesamtfläche Kareliens beträgt etwa 200.000 km2. Karelien besteht zu einem sehr großen Teil aus Seen und endlosen Wäldern. Ich war meist auf der Via Karelia unterwegs, aber auch sehr viel auf einfachen Sand- und Schotterpisten, die meinen Defender nicht nur von außen, sondern leider auch von innen ordentlich einstaubten. Der feine Schmutz drang wirklich durch jede Ritze ins Fahrzeuginnere. Mein Bettzeug im Alkoven war ebenso mit einer feinen Staubschicht überzogen wie meine Lebensmittelvorräte in den diversen Kisten. Auch auf den karelischen Pisten habe ich über Stunden weder ein anderes Auto noch irgendwelche Menschen getroffen. Die Landschaft ist auch hier unglaublich schön und natürlich, mit Wäldern und Seen durchzogen. Zwischendurch traf ich auf kleine einfache Siedlungen oder einzelne Häuser, überwiegend klassische Holzbauten.
Zum Übernachten habe ich mir meist einen einfachen Stellplatz irgendwo in der Pampa gesucht, oft direkt an einem der tausenden Seen. In Nord-Karelien parkte ich mal zwischen zwei Seen, wo ich drei Tage lang keinen einzigen Menschen sah. Erst zum Wochenende sind dann einige Finnen zum Angeln an die Seen gekommen.

Aus Australien hatte ich mir ein Tropical-Strength-Mittel mitgebracht, aber die finnischen Mücken haben über diese Anti-Moskito-Tinktur anscheinend nur gelacht.

Abends machte ich mir Feuer in einer Schutzhütte, was auch die zahlreichen Mücken vertrieb. Mein Essen bereitete ich mit dem Gaskocher zu und genoss dann einfach die Natur und die unglaubliche Stille um mich herum. Tagsüber wanderte ich stundenlang durch die Gegend, wobei mir die „Here“-App immer wieder half, den Weg zum Camp zurück zu finden. Einmal wurde Xena von etlichen kleinen Fliegen angefallen. Vor allem ihr Unterbauch, wo sie recht wenig Fell hat, wurde komplett zerbissen. Die Wunden bluteten, entzündeten sich aber glücklicherweise nicht. Gegen die Mücken hatte ich mir aus Australien ein Tropical-Strength-Mittel mitgebracht, aber die finnischen Mücken haben über diese Anti-Moskito-Tinktur anscheinend nur gelacht. Gewirkt hat sie jedenfalls überhaupt nicht. Trotzdem habe ich die Entscheidung, nach Karelien zu fahren, zu keinem Zeitpunkt bereut. Die abgelegenen Wege konnte ich mit dem Land Rover prima befahren, und in Verbindung mit der traumhaften und abwechslungsreichen Landschaft gehört Karelien auf jeden Fall zu den Highlights meiner Reise.
Wenn ich mir einen Stellplatz zum Übernachten irgendwo in der Wildnis gesucht hatte, badete ich entweder in einem der Seen oder stellte mich unter meine Solardusche, auch wenn das Wasser nicht wirklich richtig warm war. Und wenn bei mir dann zwischendurch mal das dringende Bedürfnis nach einer richtigen Dusche aufkam, steuerte ich einen Campingplatz an. Am großen Pielinen-See fand ich einen traumhaften Stellplatz auf einer der kleinen Inseln, die über eine kostenlose Fähre zu erreichen sind. Der See ist für sich schon irre schön, dazu kommen die vielen kleinen Inseln mit glatten Felsen, auf denen man sitzen oder liegen kann. Eine unglaubliche Landschaft, nicht zu vergleichen mit allem, was ich bis dahin gesehen hatte. Der 347 Meter hohe Koli ist der größte Berg im Koli-Nationalpark, und trotz der bescheidenen Höhe bietet die Anhöhe einen tollen Ausblick über die Seenlandschaft im finnischen Teil Kareliens.
Um wieder einmal vernünftig zu duschen, meine Klamotten zu waschen und zu sortieren, suchte ich in der Stadt Joensuu mal wieder einen Campingplatz auf, nicht weit von der russischen Grenze entfernt. Und während ich ja auf den Lofoten beinahe mein Handy in einer Felsspalte verloren hatte, verlor ich es diesmal auf einem Waldweg von Joensuu zurück zum Campingplatz. Ich hatte auf einem zu einer Bar umgebauten Schiff ein paar Leute kennengelernt und mich nach einigen gemeinsamen Bieren bei einsetzender Dämmerung auf den etwa vier Kilometer langen Rückweg gemacht. Irgendwo unterwegs ist mein Handy verloren gegangen, und da ich es immer zum Navigieren nutze, musste ich es zwingend wiederfinden. Rund eine Stunde lang habe ich es im Halbdunkel gesucht und konnte es zunächst gar nicht glauben, als ich das Ding in der schwarzen Lederhülle dann am Wegesrand liegen sah. Mal wieder mehr Glück als Verstand gehabt!

Den nächsten Stopp legte ich in Imatra ein, …

… einer Grenzstadt zu Russland. Die Nacht verbrachte ich am Ufer des Flusses Vuoksi, aber dort ging früh morgens echt die Post ab. Ab sechs Uhr in der Frühe strömten die Leute herbei, um direkt am Fluss ihre Teppiche zu reinigen und in der Sonne zum Trocknen auszulegen. Früher war es ja vielleicht überall üblich, die Teppiche im Fluss zu waschen, aber selbst gesehen hatte ich es noch nicht.
Den eigentlichen Plan, direkt Kurs auf Helsinki zu nehmen, habe ich spontan geändert und bin stattdessen noch an den Saimaa See gefahren. Weil es auch hier mal wieder unglaublich schön war, bin ich einfach geblieben. Und vor der geplanten Fährfahrt von Helsinki nach Tallinn in Estland legte ich noch einen weiteren Stopp in Kotka ein, einem schönen Städtchen an der Mündung des Kymijoki im finnischen Meerbusen.
Damit war ich jetzt in Südfinnland angekommen, rund 150 Kilometer östlich von Helsinki. In Kotka wurde ich von Leuten auf meinen Land Rover angesprochen. Einige hatte mich bereits am Nordkap gesehen, andere irgendwo in Karelien. Schon witzig, wie klein die Welt ist und wie man mit einem etwas spezielleren Fahrzeug dann doch gleich auffällt.
Die letzte Nacht vor der Überfahrt verbrachte ich auf einem Mini-Campingplatz in Poorvo, direkt am finnischen Meerbusen. Hier war ich weit und breit der einzige Ausländer. Die heimischen Finnen bereiteten sich auf das Midsommar-Fest vor, das mit Tanz, Essen, Getränken und einem riesigem Feuer gefeiert wird.
Die Weiterfahrt zum Fähranleger in Helsinki verlief dann recht unspektakulär, wenn man einmal davon absieht, dass mir etwa 15 Kilometer vor der Hauptstadt auf einer Strecke von vielleicht drei Kilometern drei Elche begegnet sind. So nahe an Finnlands Metropole hätte ich das nicht erwartet. Helsinki selbst habe ich mir nicht angeschaut, bin aber immerhin von Osten her kommend einmal quer durch die Stadt gefahren. Bei der perfekten Straßenführung mit Kreiseln und wenigen Ampeln ging das auch an einem Freitag Nachmittag schneller und stressfreier als eine Fahrt von Erzhorn in die City von Oldenburg.

Idyllischer, ruhiger Ort mit Bademöglichkeit in Lettland

Idyllischer, ruhiger Ort mit Bademöglichkeit in Lettland

Am Fähranleger von Helsinki nach Tallinn habe ich mich teilweise wie im Zoo gefühlt, …

… da mein Wagen ständig fotografiert wurde. Offenbar war mein Defender für viele Passagiere sehr interessant. Die Überfahrt selber verlief mit einer Fahrzeit von etwas über zwei Stunden total ruhig. Mit Restaurants, Shops und Entertainment bieten die Fährschiffe schon fast den Flair einer Kreuzfahrt.
Vom Fähranleger in Tallin fuhr ich auf direktem Wege raus aus der Stadt Richtung Westen an der Küste entlang. Tallin ist mit seiner traumhaften Altstadt wirklich schön und absolut eine Reise wert, aber ich kannte Estlands Hauptstadt bereits von einer früheren Reise und wollte mir jetzt wieder einen schönen Platz am Strand suchen. Das Wetter dafür hätte nicht besser sein können: strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Nach rund einer Stunde Fahrt fand ich einen wirklichen tollen Erste-Reihe-Platz am Strand. Außer dem schönen langen sauberen Strand war auch der Küstenstreifen mit seinem Wald und den Steilküsten-Abschnitten einfach traumhaft. Dazu sorgte noch der unglaubliche Sonnenuntergang für einen perfekten Start in Estland.
Am nächsten Tag fuhr ich etwas ins Landesinnere, denn in der Nähe von Rummu, etwa 40 Kilometer von Tallinn entfernt, liegt einer der schönsten Strände der Welt: ein blauer See, umgeben von schneeweißem Strand und rundherum Steilküste. 1938 wurde an dieser Stelle das Sowjetgefängnis Murru gebaut. 7.000 Gefangene mussten in Steinbrüchen Kalkstein abbauen. Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das Gefängnis 1991 aufgegeben. Seitdem steht es leer, und in dem alten Steinbruch werden Beachpartys veranstaltet, der See wird als Badesee genutzt. Das Gefängnis ist teilweise verfallen, gegen Bezahlung kann man dort auch die ein oder andere Nacht verbringen oder im teilweise unter Wasser stehenden Bereich tauchen gehen.
Zurück Richtung Ostseeküste kommt man immer wieder an alten halbverfallen Gutshäusern und Klöstern vorbei. Die Gegend ist durch Landwirtschaft geprägt, aber es sieht ganz anders aus als bei uns. In den kleinen Ortschaften gibt es noch sehr viele alte bewohnte Holzhäuser, die auch mit Holz beheizt werden. Das Gras wird mit der Sense geschnitten und die Kühe werden vielfach noch von Hand gemolken. Hier und da steht ein Brunnen hinterm Haus, der auch benutzt wird. Zwischen den landwirtschaftlichen Flächen gibt es immer wieder schöne dichte Wälder.

Hündin Xena geniest den Ausblick über Norwegens Täler

Hündin Xena geniest den Ausblick über Norwegens Täler

In Peraküla fand ich dann wieder einen genialen Platz direkt hinter den Dünen, …

… an dem ich allerdings nicht allein stand. Am Wochenende zieht es viele Esten an die schönen Strände, die von Tallinn ja auch schnell erreicht werden. Auch der Strand in Peraküla ist sehr lang und breit. Das Hinterland ist mit einem Netz aus Wanderwegen durchzogen, die zusammen rund 800 Kilometer lang sind und an Küsten, Mooren, Seen und durch wunderschöne Wälder führen, in denen es noch Bären und Wölfe gibt.
Nach zwei Tages ging es weiter an der Küste entlang Richtung Westen mit dem Ziel, die estländischen Inseln zu besuchen. Als Erstes stand Hiiumaa auf dem Programm, Estlands zweitgrößte Insel ist bekannt für ihre historischen Leuchttürme und für die teilweise unberührte Natur. In richtig kalten Wintern kann man sogar mit dem Auto über Europas längste Eisstraße auf die Insel fahren. Jetzt im Mittsommer waren die sauberen, großartigen Strände gut besucht, aber nicht so überfüllt wie bei uns in der Saison. Ich quartierte mich auf einem riesigen Campingplatz ein und stand mit meinem Defender ganz allein direkt am Strand. Besser kann es nicht sein.
Mittsommer gehört auch in Estland zu den wichtigsten und populärsten Feiertagen, und am Abend wurde dazu das große Midsommar-Feuer angezündet. Ganze Baumstämme waren dafür extra mit einem LKW angekarrt worden. Ein größeres „Lagerfeuer“ habe ich nie zuvor gesehen, es brannte noch am nächsten Tag. Zur Feier gab es diverse estnische Leckereien, Alkohol in rauen Mengen und etwas gewöhnungsbedürftige Live-Musik. Ganz Estland ist jetzt in Partystimmung, und auch hier waren alle verdammt gut drauf.
Etwas verkatert habe ich am nächsten Tag die Insel erkundet. Hinter dem Leuchtturm Tahkuna an Hiiumaas’ Nordspitze findet sich ein Denkmal des estnischen Bildhauers Mati Karmin sowie ein Mahnmal mit Schiffsglocke, das an die Opfer vom Untergang der Fähre „Estonia“ im September 1994 erinnert. Absolut gruselig auf der Insel sind die vielen alten Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, die teilweise noch zugänglich sind. Auch ein kleiner Wald voller Kreuze hinterließ bei mir einen gespenstischen Eindruck, obwohl die Kreuze irgendwann aufgestellt wurden, weil sie angeblich Glück bringen sollen.

Zu der morbiden Stimmung passte eine verlassene Hotelanlage, …

… die einfach irgendwann aufgegeben worden war. Ich ging hinein und fand den Anblick der kompletten Einrichtung und den frisch bezogenen Betten, alles von einer feinen Staubschicht überzogen, schon recht unheimlich. Keine Ahnung, warum man die Anlage so hinterlassen hat.
Die größte Insel Estlands ist Saaremaa, mein nächstes Ziel, und auch sie hat viel zu bieten. Ehemalige militärische Sperrgebiete erinnern an die hohe strategische Bedeutung, die Estlands Inseln für die damalige Sowjetunion hatten. Abgesehen von den zerfallenen Militäranlagen zeigt sich die Natur gerade in solchen Regionen seit langer Zeit unberührt. Darüber hinaus bietet Saaremaa eine überraschende Vielfalt unterschiedlicher Küsten, von endlosen Sand- und Kieselstränden bis zu wilden Klippen. Am bekanntesten sind die Steilküsten im Norden der Insel, zum Beispiel die rund 20 Meter hohen Panga-Klippen. Bei einem Spaziergang auf dem Rundweg lässt sich hier einer der atemberaubendsten Sonnenuntergänge der Insel genießen. Ich suchte meine Stellplätze auf Saaremaa meist direkt an der oder in Nähe zur Ostsee. Meeresrauschen war mein ständiger Begleiter. Einen Platz fand ich auf einem Grundstück am Meer mit einem Mini-Hafen, einer absolut geilen Location. In der kleinen urigen Beach-Bar waren junge Leute seit Tagen mit der Vorbereitung für das Elektro- und House-Festival „Island-Sounds“ beschäftigt. Diverse abgefahrene Tanz-Areas und Bühnen wurden gestaltet und aufgebaut. Die Leute waren super gut drauf, und beim Sonnenuntergang spielte jemand im Hafen auf einem alten Saxophon. Wieder ein sehr schöner Abend.
Die letzte Insel, Muhu, lag mehr oder weniger auf meinem Weg, um wieder aufs Festland zu kommen. Muhu ist schön, wunderschön sogar. Üppige Wälder, von Wacholder und Moosen bewachsene Küstenstreifen und die allgegenwärtigen Findlinge prägen das Bild der Insel in besonderer Weise. Hinzu kommen kleine Ansiedlungen und Gehöfte, die sich der Natur auf idyllische Art und Weise unterordnen. Ansonsten ist Muhu nahezu unbewohnt. Ich mag eigentlich kein Schwarzbrot, aber auf Muhu gibt es eine kleine Bäckerei, wo man das beste Brot ever backt. Auch das Schwarzbrot schmeckt mit Butter und geräuchertem Fisch verdammt lecker.
Von Muhu ging es dann die Küste runter nach Pärnu. Dort war ich mit zwei Freunden verabredet, die ich vor zwei Jahren auf der DANE Transhimalaya-Tour kennengelernt hatte. Das Städtchen ist total schön, auch mit langem Strand direkt an der Ostsee gelegen.

Abenteuerliche Ruinen in Polens Wäldern

Abenteuerliche Ruinen in Polens Wäldern

Zusammen mit Kris und Paul, …

… beide mit Motorrad unterwegs, ging es dann im Konvoi weiter nach Lettland. Unterwegs auf der Küstenstraße Richtung Riga trafen wir immer wieder Teilnehmer der „Baltic Sea Circle Rallye“, die wie ich vom Nordkap auf dem Rückweg nach Deutschland waren. Nachdem wir uns den ein oder anderen lettischen Küstenstreifen angesehen hatten, fuhren wir zusammen ins Landesinnere nach Cesis. Sie eine der ältesten Städte des Landes und hat bis heute nichts von ihrem geschichtsträchtigen Charme verloren. Leider spielte das Wetter nicht wirklich mit. Die Jungs quartierten sich in einem Hotel ein, während ich für zwei Nächte einen Platz auf einem Campingplatz am Fluss Gauja im gleichnamigen Nationalpark buchte. Bevor Kris und Paul am nächsten Tag wieder Richtung Deutschland starteten, beendeten wir den Abend zuvor mit leckerem Essen und reichlich Bier. Die Tage verbrachte ich im Nationalpark und in der Stadt, wo noch ein Kulturfest mit Streetfood und Live-Bands stattfand.
Meinen Wasservorrat habe ich mit Quellwasser direkt aus dem Berg aufgefüllt. Überhaupt war auch hier die Natur einfach atemberaubend. Unterwegs sind mir in Lettland wie schon in Estland die kleinen urigen Dörfer aufgefallen, aber hier befand sich gefühlt auf jedem Schornstein ein Storchennest. In Lettland habe ich innerhalb einer Stunde mehr Störche und Schwäne gesehen als bei uns in 20 Jahren.
Mein nächstes Ziel hat eine sehr düstere Vergangenheit. Leider gibt es davon im Baltikum und in Polen einige, aber zumindest eines wollte ich mir anschauen. Salaspils befindet sich etwa zwanzig Kilometer von der lettischen Hauptstadt Riga entfernt. Das sogenannte „Arbeitserziehungslager“ und erweiterte Polizeigefängnis Salaspils wurde unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg errichtet. Menschen jüdischer Abstammung wurden unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen eingesperrt. Über dem Gelände erschallt heute aus Lautsprechern ein künstlich erzeugter Herzschlag, was den Besuch in der Gedenkstätte noch bewegender macht.
Nach den paar Tagen im Landesinnere musste ich wieder an die Küste, und so ging es quer durch die Hauptstadt Riga Richtung Kap Kolka. Man fährt hier durch einige Urlaubsorte, die zum Teil aus sehr alten, teilweise zerfallenen Holzhäusern und andererseits aus supermodernen Villen bestehen. Die Küste dahinter bietet, wie fast überall hier, schöne saubere lange Strände und immer wieder die Möglichkeit für einen Stopp. Ich habe noch nie so viele Fischbuden gesehen, überall am Straßenrand kann man frisch geräucherten Fisch kaufen.

Am Kap Kolka kann man den Zusammenstoß von Wellen der offenen Ostsee und der Rigaer Meeresbucht beobachten.

Der Strand liegt voller Treibholz in allen Größen. Auch zahlreiche Bäume die jedes Jahr mit den Herbststürmen ins Meer gerissen werden, sind hier wieder angespült. Da ich früh morgens angekommen war, hatte ich den langen Strand und die traumhafte Landschaft fast für mich allein.
Von Kap Kolka ging es dann weiter an der Küste entlang nach Pavilosta. Unterwegs habe ich mir immer wieder kleine urige alte Fischerdörfer oder einen der langen und oftmals menschenleeren Strände angeschaut. Die Ostseeküste Lettlands ist einfach wahnsinnig schön, natürlich und unverbaut. Auch in Pavilosta hatte ich wieder einen Platz direkt an einem dieser breiten, langen leeren Strände und erlebte wieder einen grandiosen Sonnenuntergang.
Liepaja ist die drittgrößte Stadt Lettlands und war nach dem Zweiten Weltkrieg eine bedeutende sowjetische Garnisonsstadt mit einem großen Marinehafen. Es gibt dort noch zahlreiche ehemalige Offiziershäuser, teilweise leer und verfallen. Im Viertel Karosta kann man noch ein altes Gefängnis besichtigen und wenn man die Lust verspürt, dort auch die ein oder andere Nacht verbringen. Das Viertel mit seinen alten Gebäuden hat irgendwie Charme, ist aber auch ein bisschen unheimlich.
Meine nächsten Ziele lagen schon in Litauen. Der „Mystische Garten“ des Künstlers Orvidas ist auch als Absurditätenmuseum bekannt und liegt im Zemaitija Nationalpark, nicht weit vom berühmten „Berg der Kreuze“. Der Garten ist voll mit verschiedensten Skulpturen, großenteils alte Grabsteine aus den 60ern. Ein stiller Protest gegen die damalige sowjetische Besatzungsmacht. Der „Berg der Kreuze“ ist ein katholisch und touristisch geprägter Wallfahrtsort in der Nähe des Ortes Siauliai. Pilger aus der ganzen Welt stellen Kreuze auf den Hügel, verbunden mit einem Wunsch oder einem Dank. Bei 100.000 Kreuzen auf dem Berg und dem danebenliegenden Areal hat man aufgehört zu zählen.
Meine letzte Nacht in Litauen habe ich etwa zwei Kilometer von der russischen Grenze entfernt an einem großen See verbracht, auf dem ich rund 30 Schwäne ausmachen konnte. Da ich für Russland kein Visum hatte, musste ich die Enklave Kaliningrad umfahren; weiter an der russischen Grenze entlang über kilometerlange zugewachsene Alleen, durch urige kleine Dörfer und Natur nach Masuren in Polen.
Masuren ist Polens grüne Lunge und bietet eine spektakuläre Natur mit Tausenden von Seen und tiefen Wäldern, ein Paradies für Erholungsuchende und Naturfreaks. Massentourismus Fehlanzeige. Gern hätte ich mehr Zeit dort verbracht und denke, dass ich sicherlich nochmal hinfahren werde. In dem ca. 46.000 Quadratkilometer großen Gebiet gibt es etwa 3.000 Seen, ursprüngliche Fluss- und Sumpflandschaften. Hinzu kommt eine reichhaltige Tierwelt mit Elchen, Wisenten, Luchsen und Wölfen und einer unglaublichen Anzahl an Störchen und Schwänen. Durch Masuren bewegte ich mich größtenteils auf kleinen Landstraßen und oft auf Schotter- und Feldwegen, meist mit beschaulichen 80 km/h. Man hat teilweise das Gefühl, durch einen Tunnel aus Bäumen zu fahren. Da es im östlichen Masuren kein gut ausgebautes Straßennetz gibt, kann eine Baustelle schon mal ordentlich Nerven kosten. An einem Abschnitt, wo gerade die Straße erneuert wurde, war ein LKW vom befestigenden Straßenabschnitt gerutscht und blockierte die ganze Fahrbahn. Warten oder Umweg – hier kommt beides aufs Gleiche raus. Für mich hieß es drei Stunden warten. Die Leute hier nehmen so etwas mehr oder weniger entspannt.
In Masuren übernachtete ich ausschließlich auf Stellplätzen an irgendwelchen Seen, immer mit herrlicher Aussicht. Am frühen Abend kamen fast immer Leute zum Angeln, viele sprachen etwas Deutsch, und alle wollten wissen, wer man war, woher man kommt und wo die Reise hingeht. Mit den Menschen hier habe ich ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht. Keine so schöne Erinnerung hinterließ ein Besuch des „Führerhauptquartiers“ Wolfsschanze und des 20 Kilometer weiter liegenden OKH Mauerwald, von 1941 bis 1944 das Oberkommando des deutschen Heeres. Beide Anlagen aus dem Zweiten Weltkrieg umfassen riesige Gelände in dichten Wäldern mit großen Bunkeranlagen. Die zum Teil gesprengten und zugewachsenen Bunker sind eine Hinterlassenschaft des Terror-Regimes der Nazis und heute eine Touristenattraktion mit bis zu einer Viertelmillionen Besuchern jährlich.
Nach ein paar ansonsten entspannten Tagen in Masuren ging es dann wieder hoch Richtung Ostsee auf die zwischen Russland und Polen geteilte Frische Nehrung.
Die schmale Landzunge ist rund 70 Kilometer lang und einige hundert Meter breit und trennt in nordöstlicher Richtung das Frische Haff von der offenen Ostsee. Der Norden gehört zur russischen Enklave Kaliningrad, der Süden zu Polen. Beim Strandspaziergang steht man irgendwann am Grenzzaun mit Warnhinweisen. Hinter dem Zaun, auf der russischen Seite, versteht man bei illegalen Grenzspaziergängern keinen Spaß. Die Frische Nehrung ist gesetzliches Naturschutzgebiet und die unfruchtbare, sandige Landschaft durchgehend mit einem Kiefernwald bewachsen. Die Strände zur Ostsee sind auch hier sehr lang und breit. Oft weht hier ein recht rauer Wind, so dass nur wenige Touristen hierher kommen.

Plötzlich stand ich an dieser Steilküste, die sich Jahr für Jahr landeinwärts verschiebt.

Vom Frischen Haff ging es vorbei an Danzig, das ich bereits von einem früheren Besuch kannte, immer an der Küste entlang nach Rowy in Pommern. In dem kleinen Ostseebadeort verbringen viele Polen ihre Sommerferien. Ich ließ mich dort auf einem Campingplatz nieder, vor allem, weil ich meinen Defender reinigen musste. Beim Offroad-Touren hatte ich mich auf einem schmalen Waldweg beinahe festgefahren, und beim Herauswühlen hatten die groben All-Terrain-Reifen ordentlich Dreck aufgewühlt. Entsprechend ungepflegt sah der Wagen aus. Der halbe Campingplatz kam vorbei, um sich den verschmutzen Defender anzuschauen.
Nach dem großen Innen- und Außen-Reinigungsprogramm von Fahrzeug und Klamotten belohnte ich mich mit einem der schönen Sonnenuntergänge am Strand. Obwohl der Ort fast komplett ausgebucht war, hatte ich an den langen breiten Stränden nie das Gefühl von zu viel Menschen.
Das änderte sich im Verlauf der Weiterfahrt Richtung Westen. Viele Polen verbringen ihre Ferien verständlicherweise an den herrlichen Ostsee-Stränden, aber mir waren die Orte nach der bisher so ruhig und entspannt verlaufenen Reise echt zu voll. Ich habe dennoch ein paar nette Stellplätze an der polnischen Küste gefunden. Besonders interessant fand ich die Steilküste auf der Insel Wolin, deren nordwestlicher Teil als Nationalpark geschützt ist. Die Landschaft des Nationalparks, zu dem ein Teil der Pommerschen Bucht und des Stetiger Haffs gehören, ist sehr abwechslungsreich, geprägt von einer sich über 15 Kilometer ausdehnenden und bis 95 Meter hohen Steilküste. Bei einer einstündigen Waldwanderung mit meinem Hund Xena hörte ich ständig das Meer rauschen, und plötzlich stand ich an dieser Steilküste, die sich Jahr für Jahr landeinwärts verschiebt. Abgesehen von der phantastischen Aussicht sah die ganze Gegend mit dem Strand und dem Meer einfach irre aus.
Nach einigen Tagen an der polnischen Ostseeküste verbrachte ich die letzte Nacht in meinem Defender am Kanal Piastowski auf der Insel Usedom. Der Kanal verbindet im polnischen Teil der Insel die Swine südlich der Hafenstadt Swinemünde mit dem Stettiner Haff und damit der Oder. Swinemünde selbst fand ich nicht so besonders, auch der berühmt berüchtigte Polenmarkt hat mich nicht gerade angetickt. Na ja, und am nächsten Tag ging es dann im Schneckentempo über die ganze Insel Usedom. Ferienzeit. Die Straßen voll und Stau ohne Ende.

Der Defender zurück in Deutschland

Der Defender zurück in Deutschland

Ich wollte nur noch schnellstmöglich weg …

… und habe mir spontan Rügen als nächsten Stopp überlegt. Deutschlands größte Insel ist zwar auch ordentlich besucht, aber irgendwie verteilte sich der Besucherstrom hier besser. Statt auf einen Campingplatz zu gehen, fand ich neben einigen Wohnmobilen einen Stellplatz bei den Ruinen von Prosa. Rügen ist klasse, aber der Platz war mit Abstand der dreckigste auf meiner gesamten Reise um die Ostsee. Traurig, aber wahr.
Nachdem ich mir Rügen mit den Steilküsten und dem Kreidefelsen angeschaut hatte, ging die Fahrt zum letzten Etappenziel zum Beckerwitz Beach. Auf der Fahrt begleitete mich traumhaftes Wetter, und das blieb auch so während der letzten Tage, die ich an der Ostsee verbrachte. Der Beckerwitz Beach ist ein kleiner naturbelassener Strand mit schöner Steilküste und einem kleinen Campingplatz. Hier verbrachte ich noch zwei tolle Tage, hing am Stand ab und leerte abends mit ein paar Leuten aus Berlin die ein und andere Flasche Wein.
Die letzten Tage musste ich zwangsläufig immer wieder daran denken, dass mein Roadtrip jetzt vorbei war, die letzte Strecke nach Oldenburg zählte nicht mehr wirklich. Ich habe unheimlich viel gesehen. Tolle Landschaften, insbesondere die Lofoten, Karelien und Masuren, wo die Natur anscheinend noch in Ordnung ist. Die Ostseeküste mit ihren langen, großenteils menschenleeren Stränden und den malerischsten Sonnenuntergängen. Deutschland mitgezählt, bin ich durch neun Länder gefahren, und alle sind irgendwie verschieden. Meine größte Sorge, dass mein Defender Probleme machen könnte, war Gottseidank umsonst. Der Landy, ein wirklich extravagantes Fahrzeug, lief einwandfrei und war für diese Tour genau das Richtige. So ein Abenteuer schreit nach Fortsetzung, vielleicht mal Richtung Balkan oder Frankreich und Spanien. Aber jetzt geht’s im Februar erst einmal auf den Kilimandscharo.

BUCHTIPP
Alva Gehrmann: „I did it Norway – Die Entdeckung der nordischen Lebensart“

Die Berliner Journalistin Alva Gehrmann arbeitet u.a. für Spiegel Online, Merian, GEO Special und bereist seit 15 Jahren die entlegensten Winkel Nordeuropas. In ihrem Norwegen-Report „für Fjordgeschrittene“ taucht sie in die abenteuerliche Welt von waghalsigen Bootsausflügen, tagelangen Wanderungen oder ausgedehnten Skitouren ein, begleitet eine Sámi-Familie bei der Rentierwanderung, spricht mit Mitgliedern der Königsfamilie und philosophiert mit Autoren wie Jostein Gaarder.

dtv Sachbuch, 16,90 Euro

Kategorie: Kultur
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