Im Gespräch Die Kunst zu Salzen

Die Kunst zu Salzen

Interview mit Léa Linster

INFO
Die Köchin, Gastronomin und Kochbuchautorin Léa Linster ist 1955 in Luxemburg geboren und studierte zunächst Jura, bevor sie nach dem Tod des Vaters 1982 dessen Gasthaus übernahm. Sie absolvierte eine Ausbildung als Köchin, errang ein Meisterdiplom und hospitierte bei u.a. bei Paul Bocuse. 1987 wurde ihr Restaurant „Léa Linster“ mit einem Stern ausgezeichnet (siehe auch den CHAPEAU-Restauranttest in der vorigen Ausgabe), 1989 gewann sie Gold bei dem von Bocuse gegründeten Wettbewerb Bocuse d’Or. In Deutschland ist sie vor allem als Fernsehköchin bekannt, war u.a. in der Sat.1-Kochshow und bei KochLust im SR zu sehen. Außerdem ist sie häufig Gast im ZDF-Fernsehgarten und moderiert gelegentlich die „Küchenschlacht“ des ZDF. „Brigitte“-Leserinnen kennen Léa Linster als Kolumnistin.
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Luxemburgs Starköchin und Gastronomin Léa Linster ist in Deutschland aus dem Fernsehen, als Autorin von Kochbüchern und als Kolumnistin bekannt. Im Interview mit CHAPEAU-Reporter Lars Görg in ihrem Restaurant „Lá Linster“ zeigt sich die ebenso kluge wie temperamentvolle Sterneköchin bestens aufgelegt und punktet mit natürlichen Entertainer-Qualitäten. Es wird viel gelacht…

CHAPEAU: Frau Linster, Sie kochen seit 40 Jahren auf höchstem Niveau…

LÉA LINSTER:
… seit 37 Jahren, um genau zu sein. Und davon 32 Jahre mit Stern.

CHAPEAU: Bei Ihnen ist Kochen Kunst. Dazu umgeben Sie sich aber auch mit auffällig viel erlesener Kunst. Kompensieren sie damit etwas?

LÉA LINSTER:
Nein, auf gar keinen Fall! Ich umgebe mich einfach gern mit Dingen, die ich liebe, und mein Leben brachte die Kunst einfach mit sich. Ich habe viele Kunstsammler kennengelernt, das hat mein Interesse geweckt…. Mein Leben lang habe ich von allen Menschen, die ich traf, gelernt. Das war schon als kleines Mädchen so. Die alten Luxemburger waren früher ziemlich skurrile Typen. Du hast sie angesehen und gesagt: Mensch, das ist aber ein Typ! Und als kleines Mädchen habe ich diese Leute studiert, genau beobachtet und immer etwas gefunden, das nur diesen einen Charakter auszeichnete. Das habe ich dann spielend imitiert. Ganz liebevoll. Naja, und heute bin ich selbst eine alte Luxemburgerin. Eine Type…

CHAPEAU: Ohne jede Frage! 1989 haben Sie als erste Frau den „Bocuse d’Or“ gewonnen. Haben Sie auf diese Auszeichnung hingearbeitet, oder hat sie das getroffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel?

LÉA LINSTER:
Weder noch. Ich mache alles eher spielerisch. Wenn die Sachen, die ich gern mache, mich auch mögen, kommen wir eh zusammen. Ich wusste damals schon, dass es wichtig ist, in meinem Restaurant eine Spezialität zu anzubieten, etwas Besonderes. Damals galt üblicherweise als Spezialität eines Hauses, was dort am meisten verzehrt wurde. Das fand ich damals schon viel zu langweilig. Als ich dann von diesem Wettbewerb las, dachte ich mir: Daran nimmst du teil, und so kommst ganz sicher zu deiner Spezialität. Ich habe mir dann etwas ausgedacht, das ich mit Freude jeden Tag für meine Gäste kochen konnte. Also nichts, woran man sich einen Tag lang halb tot arbeitest. Ich wollte es jeden Tag kochen können, und meine Gäste sollten es jeden Tag haben wollen (lacht).

CHAPEAU: Das hat Ihnen die erste internationale Auszeichnung beschert. Sie waren die erste und sind bis heute die einzige Frau, die so geehrt worden ist. Was hat sich für Frauen seither geändert?

LÉA LINSTER:
Ich antworte mit einem lustigen Satz: Es ist nicht weniger schwierig geworden für Frauen, bloß komplizierter für Männer. Geändert hat sich nicht viel. Aber als ich 1989 den „Bocuse d’Or“ gewonnen habe, waren Frauen an internationalen Kochschulen gerade erst seit fünf Jahren zugelassen. Bis dahin hatten Frauen die übertragene Küche, also die autodidaktische Küche präsentiert, Männer die so genannte Lehrküche mit einer schulischen Ausbildung. Als ich 1989 gewann, waren die ersten Frauen noch gar nicht aus den Schulen entlassen worden.

CHAPEAU: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie heute?

LÉA LINSTER:
Inzwischen hat mein Sohn das Unternehmen übernommen. Im Restaurant „Léa Linster“ beschäftigt er 15 Mitarbeiter. Wenn Sie sich Restaurants anschauen, in denen es hoch her geht, finden Sie erheblich mehr Personal. So etwas wollte ich aber nie haben. Ich fand schon als junge Frau die Vorstellung nicht angenehm, Boss von so vielen Leuten zu sein. Mir ging es ausschließlich ums Kochen, ich wollte meinen Stil verwirklichen. Wenn Sie Männer engagieren und sie erfolgreich anleiten, reißen die Ihnen schnell alles aus der Hand.

CHAPEAU: Sie arbeiten also mit vielen Frauen zusammen?

LÉA LINSTER:
Meinen ersten Stern habe ich mir mit Portugiesinnen erkocht. Also: Frauen in der Küche, Männer in der Spüle. Ich mochte die Frauen in der Küche. Die konnten kochen, wussten genau, was zu tun ist, hatten aber keine Ahnung von der so genannten Hochküche. Die machten, was ich ihnen sagte und wie ich es ihnen zeigte. Mein großer Stolz ist übrigens, dass aus all diesen Frauen wirklich etwas geworden ist. Die wurden alle Köchinnen in den Botschaften hier.

CHAPEAU: Leben in Luxemburg viele Portugiesen?

LÉA LINSTER:
Ja. Die bilden die stärkste Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund. In den achtziger Jahren musste ich für meine Mitarbeiter noch bürgen, damit die überhaupt bei mir arbeiten durften. Anträge stellen, Papiere schreiben, Eingaben machen. Ein Wahnsinn. Dabei wollte ich eigentlich nur kreativ sein. Heute können sie in Europa arbeiten, wo und was sie wollen.

Ich umgebe mich gern mit Dingen, die ich liebe.

CHAPEAU: Wenn ich Sie jetzt so schimpfen höre, frage ich: wie konnten Sie sich in den fast 40 Jahren ihre Lebensfreude, ihre Gelassenheit erhalten?

LÉA LINSTER:
Meine Lebensfreude trage ich in meinem Herzen. Richtig geschimpft habe ich eigentlich nur bis zu meinem zehnten Lebensjahr. Dann habe ich gemerkt, dass ich mit der Motzerei nicht wirklich weiter komme und dass es auch keinen Spaß macht, immer nur herumzumotzen. Im Moment reden alle immer von Lifestyle – als ob man den irgendwo kaufen könnte! Lifestyle hat man – von mir aus im Herzen wie bei mir – oder eben nicht. Der Ursprung meiner Lebensfreude liegt sicher daran, dass ich schon als Kind meinen Namen geliebt habe. Léa! Das war in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, schon sehr ungewöhnlich. Ich heiße immer noch gerne Léa. Und dann auch noch Linster! Das hätte man sich doch schöner gar nicht ausdenken können. Wie ein Künstlername, von klein auf.
Zweitens hat die Erziehung meines Vaters mir die Lebensfreude verstärkt. Er hat mich immer ermutigt, zu träumen, nachzudenken und zu versuchen, was immer ich wollte. Er hat mich zu einer Visionärin erzogen! Er hatte viel Vertrauen zu mir und gesagt: Wenn eine Arbeit gut gemacht wird, fragt niemand, ob sie von einem Mann oder einer Frau ausgeführt worden ist. Mein Selbstbewusstsein habe ich mir also nicht erst erarbeiten müssen, das hatte ich schon mit vier, fünf oder sechs Jahren. Als ich vielleicht fünf Jahre alt war, fragte mein Vater: „Schatz, weißt du schon, was du später einmal werden willst?“ „Nicht genau“, habe ich geantwortet und auf eine Tür gezeigt – das war so eine Pendel-Doppeltür. Und ich habe gesagt: „Durch so eine Tür möchte ich gehen, und die Leute dahinter müssen sagen: ,Oh, schaut nur! Da kommt sie!’“ (lacht herzlich). Ohne meinen Vater wäre ich nicht die, die ich heute bin. Auch meine Mutter konnte richtig hart arbeiten und war eine tolle Frau. Mein Vater war spielerisch, meine Mutter fleißig. Ich sage immer: die Kunst, zu sein, habe ich vom Vater. Die Kunst, zu salzen, von der Mutter.

Die Kunst, zu leben, habe ich vom Vater. Die Kunst, zu salzen, von meiner Mutter.

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CHAPEAU: Waren Sie nervös, als es mit dem Fernsehen losging, oder ging da die Tür auf, und die Leute dahinter sagten: „Oh schaut nur! Da kommt sie“?

LÉA LINSTER:
Ja! Ein bisschen war das so. Die Tür war der Eingang zum Café meines Vaters. Es war wenig los, die Mitarbeiter machten Feierabend, und die letzten Gäste wollten bezahlen. Und dann ging die Tür auf, und eine Type kam herein. Und wissen Sie, was die Gäste sagten? „Ach, dann bring mir noch einen.“ So eine Type wollte ich sein – reinkommen, und alle sagen: Ach, dann bring mir noch einen. Dieser Wunsch enthält ja schon viel Showbusiness. Entertainment. Vorhang auf! Wahrscheinlich wollte ich als Kind Schauspielerin werden. Und ich habe ja erzählt, wie ich die Typen imitiert habe. Damit hab ich die Leute unterhalten. Ich musste dann auch nicht ins Bett, weil die Leute zu meinen Eltern sagten: „Ach, lasst sie doch noch ein bisschen hierbleiben, sie macht das so gut!“ Bald gab es ein Spiel: Die Gäste mussten erraten, wen ich nachgemacht habe. Ich war immer ganz enttäuscht, wenn das schnell ging. Erst später habe ich gemerkt: Das ging so schnell, weil ich so gut war! Selbst meine Mutter, die streng war, konnte ich damit begeistern. Dann lachte sie sogar!

CHAPEAU: Also haben Sie sich im echten Showbusiness gleich wie ein Fisch im Wasser gefühlt?

LÉA LINSTER:
Aber ja doch! Seit 1989 bin ich beim deutschen Fernsehen. Alfred Biolek hat mich damals ins Fernsehen geholt. Euphorisch war ich eh, weil ich diesen großartigen Preis gewonnen hatte – und das merkte man mir an. Vor allem steckte es an. Nach der Produktion sagten mir die Leute vom Fernsehen, dass ich so toll rüberkäme. Es wäre so, als sei ich in meinem Wohnzimmer. So müsste es sein, und dann blieb es auch so. Ich habe mir noch nie eine Sendung mit mir angesehen und seit damals auch nie wieder darüber nachgedacht, wie ich es machen soll. Ich mache einfach.

CHAPEAU: Haben Sie angesichts der vielen Kochshows im Fernsehen und der ganzen neuen Gesichter das Gefühl, sich noch einmal neu erfinden zu müssen?

LÉA LINSTER:
Nein, überhaupt nicht. Ich muss nichts beweisen, weder mir noch anderen. Ich bin ich. Bin Meisterköchin, habe alle Prüfungen bestanden, habe meine Preise, seit 32 Jahren den Stern – und nicht zu vergessen: Ich habe den perfekten Gaumen!

CHAPEAU: Den perfekten Gaumen? Ähnlich dem absoluten Gehör großer Musiker?

LÉA LINSTER:
Genau so. Darum lass ich mich auch nicht von irgendwelchen Moden beirren. Wenn ich etwas schmecke, das meine Gerichte noch besser macht, bin ich gern und sofort dabei. Aber auf gar keinen Fall, nur weil es „modern“ ist. Wissen Sie, was „in“ ist? Kurz vor „out“ (lacht)…

Mit Motzerei komme ich nicht wirklich weiter – und es macht auch keinen Spaß.

CHAPEAU: Wie sieht der Alltag von Frau Linster aus?

LÉA LINSTER:
Keine Ahnung! Alltag? Habe ich nicht, kenne ich nicht.

CHAPEAU: Essen Sie auch mal einen Hamburger, Pommes Frites?

LÉA LINSTER:
Ja, auch. Ich achte zunehmend auf die Qualität der Produkte und ernähre mich immer bewusster. Aber ich habe in meinem Leben alles probiert, alles geschmeckt. Ich glaube, dass ich mit zehn Jahren schon mehr probiert und geschmeckt habe als andere in ihrem ganzen Leben. Kein Witz. Man ging gerne mit mir essen, weil ich schon als Kindchen alles herausschmecken konnte. „Oh“, sagte ich dann, „in der Café de Paris ist kein Estragon“. Und so war es auch. Die Erwachsenen haben in der Küche nachgefragt, weil sie dachten, das könne die Kleine ja nicht wissen. Doch, wusste sie. Ob mein Gaumen wirklich absolut ist, weiß ich nicht. Bestimmt gibt es bessere. Aber ich weiß ihn auf jeden Fall zu benutzen. Ich habe einmal gelesen, dass Erfolg mehr von Fleiß als von Talent käme. Davon bin ich nicht überzeugt. Gute Gene und eine ansehnliche Schippe Talent machen das Leben einfacher (lacht). Noch heute sage ich mir oft, mein Gott, was hast du ein Glück gehabt! Du hast so viel Talent und machst mit links, was andere so viel Mühe kostet.

CHAPEAU: Das Geschäft haben Sie Ihrem Sohn übergeben. Konnten Sie ihm auch eine Schippe Talent mitgeben?

LÉA LINSTER:
Aber ja doch! Ich habe ihm meinen Gaumen vererbt und meine Schulden überlassen (lacht). Dass er die Mutter rettet, macht ihn doch sympathisch, oder?

CHAPEAU: Schulden? So schlimm?

LÉA LINSTER:
Was auch immer Schulden jetzt heißt. Man ist gewissen Dingen einfach etwas schuldig. Respekt. Demut. Ich kann es nicht besser ausdrücken… Schulden haben nicht immer mit Geld zu tun. Wenn ein Restaurant ein paar Schulden hat, ist das gar nicht schlecht. Sonst wird man schnell bequem… (lacht)

CHAPEAU: Aber aussteigen – das können Sie doch gar nicht!

LÉA LINSTER:
Wieso aussteigen? Ich bin in meinem Leben nicht einen Schritt zurückgegangen und fange heute nicht damit an. Es gibt so viele Nebenwege, andere Wege – warum also zurücktreten? Ich kenne nur eine Richtung, und die geht nach vorn.

CHAPEAU: Wie viele Restaurants betreiben Sie hier in Luxemburg?

LÉA LINSTER:
Zwei. Dieses hier und den Pavillon im Park. Ich werde mich jetzt stärker um den Pavillon kümmern. Der ist weniger förmlich, und ich kann dort mehr experimentieren. Da koche ich im Kleid oder in der Bluse, mit Hut auf dem Kopf oder ohne. Ganz wie ich will. Das habe ich mir immer erträumt, und das habe ich mir verdient.

CHAPEAU: Hatten Sie überhaupt Zeit für die Familie?

LÉA LINSTER:
Mein wundervolles Kind habe ich ja nicht in der Tombola gewonnen, das ist selbst gemacht. Eine lustige Geschichte: Ich wurde immer wieder gefragt, ob mein Sohn nicht nach meinen Rezepten koche, ob ich das nicht alles überwache. Das wurde mir irgendwann zu dumm, und ich sagte: „Wo ist das Problem? Mein kompletter Sohn ist doch schon nach meinem Rezept gemacht“, (lacht). Da fällt mir ein: Meinen Humor liebe ich auch. Ohne meinen Humor wäre mein Leben bei weitem nicht so schön! Aus den schlimmsten Situationen nehme ich mir immer noch eine heitere Anekdote mit.

CHAPEAU: Waren Sie in ihrem Berufsleben jemals eine angestellte Köchin?

LÉA LINSTER:
Niemals. Ich habe einmal in Hannover gekocht. Durch das Fernsehen relativ berühmt geworden, wurde ich eingeladen, gemeinsam mit anderen Köchen zu kochen. Irgendwann fragte mich ein Mann, wer denn hier kocht? Ich. Er fragte: wer ist denn der Chef? Ich. Können Sie denn kochen? Nein, ich tue nur so. Aber das gelingt mir sehr gut (lacht)!

CHAPEAU: Können Sie auch wütend werden?

LÉA LINSTER:
Aber ja, wenn man mir mit Dummheiten kommt. Mit Blödsinn, der mit meiner Arbeit nichts zu tun hat. Ich liebe es, geliebt zu werden, und tue alles dafür, dass die Arbeit gelingt. Und wenn dann jemand kommt und mault herum, dann werde ich richtig wütend. Maulerei erlebe ich als Strafe. Und ich habe es nie geliebt, bestraft zu werden. Einen dummen Fehler mache ich nur einmal. Aber es gibt diese Idioten, die mich für den Fehler immer wieder bestrafen wollen.

CHAPEAU: Wären Sie mit ihrer ausgeprägten und starken Persönlichkeit überhaupt eine gute Angestellte geworden?

LÉA LINSTER:
Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich wollte immer selbstständig sein, meine Eltern waren immer selbstständig – warum übers Angestelltsein nachdenken? Bestimmt könnte ich gut für andere arbeiten, aber nicht länger als zwei Tage. Außerdem müssten die mir sehr gut gefallen (lacht).

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CHAPEAU: Haben Sie einmal darüber nachgedacht, Luxemburg zu verlassen?

LÉA LINSTER:
Was? Wie kommen Sie denn auf so etwas? Ich habe mein Leben lang an nichts anderes gedacht!

CHAPEAU: Aha! Und warum sind sie dann immer noch hier?

LÉA LINSTER:
Du kannst im Leben alles haben, aber leider nicht gleichzeitig. Wenn du dich heute daran erinnerst, was du als Kind geträumt hast, und wenn du weißt, welche Träume sich erfüllt haben und welche nicht: dann bist du Léa Linster. Es gibt sowieso nur eine einzige Sache, die mich glücklich macht: Freiheit. Ich liebe meine Freiheit so sehr, dass ich bereit bin, mich dafür einsperren zu lassen.

CHAPEAU: Sie lassen am laufenden Band Sätze heraus, die wirklich klug klingen. Sind Sie lebensklug?

LÉA LINSTER:
Ich glaube schon. Und ich mache es mir einfach: Ich liebe Weiß, und ich liebe Schwarz. Grauzonen interessieren mich nicht. Ich erlebe lieber eine Katastrophe, als dass gar nichts geschieht. Und es gibt etwas, an das ich aus ganzem Herzen glaube: meine Intuition. Ich glaube, dass ich Negatives positiv gebrauchen kann. Ich bin lieber wütend als traurig. Wut erzeugt Energie, Trauer nimmt sie dir.

CHAPEAU: Ihr Restaurant ist auffallend hell, auffallend geräumig und mit herrlicher Kunst geschmückt. Ist das Ihr Geschmack oder Interieur-Design vom Profi?

LÉA LINSTER:
Um Gottes willen, nein! Natürlich hatte ich Architekten, aber die waren bereit, mit mir zusammen zu arbeiten und haben mich ermutigt! Sie finden hier im Haus keine Klinken. Die finde ich profan und will die nicht sehen – also gibt es keine. Alle Fenster sind bodentief und lassen sich komplett aufschieben. Sind sie geschlossen, schauen Sie auf einen wunderschönen Garten. Sind Sie offen, sitzen Sie wie im Garten. Das alles habe ich so gewollt, wusste oft aber nicht, ob es das überhaupt gibt. Aber ich hatte die Courage, danach zu fragen. Voilà, da ist es. Da fällt mir etwas ein: Dessert! Das wird oft stiefmütterlich behandelt. Und ich schlucke keine Kalorien, die mir nicht hundertprozentig Freude machen! Ich komme aus einer Familie von Konditoren, und für das erste Dessert in meinem Restaurant habe ich gleich einen Konditor geholt. Drei Jahre lang, dann konnte ich das selbst. Eis zum Niederknien! Auch das Brot backen wir selbst. Ich habe einfach einmal gefragt, wie viel Geld wir für Brot ausgeben, und überlegt: Hole ich mir einen Konditor, spare ich das Geld für Brot. Kommt das hin? Es kommt hin – und wir haben fabelhaftes Brot. Qualität lebt von der Beständigkeit. Es darf nicht nur einmal hervorragend sein – es muss immer hervorragend sein.

CHAPEAU: Gibt es Momente, in denen sie ihren Besitz und Ihren Erfolg als Bürde begreifen?

LÉA LINSTER:
Nein, dann wäre ich ja nicht mehr frei. Die Freiheit geht mir über alles. Manchmal wird es zur Last. Du brauchst ja nur etwas müde werden, dann ist dir fast alles eine Last. Mein Vater ist viel zu früh verstorben. Er hat mir aber seine Energie hinterlassen, und darüber bin ich sehr froh. Auch heute noch fühle ich mich von ihm ein bisschen überwacht. Klappt etwas besonders gut, sage ich: „Na, Emil? Das hat jetzt gut gefallen?“ (Lacht.) Sie fragten nach der Familie: Ich bin mit meinem Sohn mutterseelenallein. Wenn man mich fragt, wie machst du das, dann sage ich: mit den ganzen Scheidungen, die ich nie hatte (lacht). Als mein Sohn noch klein war, kam Wikipedia heraus. Da sagte er zu mir: „Mutti, du warst ja verheiratet!“ Ich sagte: „Nein, das weißt du doch!“ „Aber es steht hier.“ „Dann verbessere es!“ Jetzt stimmt das Meiste, was in Wikipedia über mich geschrieben steht.

CHAPEAU: Ich habe viel gelernt in diesem kurzen Gespräch. Erhalten Sie sich den Optimismus und die Lebensfreude! Danke!

LÉA LINSTER:
Naja, bei so viel Gegenwind kann ich schlecht auf Sparflamme gehen (lacht)!

Restaurant Léa Linster
route de Luxembourg 17
5752 Frisange
Luxembourg
Tel.+352 23 66 84 11
info@lelinster.lu
Kategorie: Im Gespräch
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