Kunst (Design) Ein Pirat der Kunst

Ein Pirat der Kunst

Interview mit Endy Hupperich

CHAPEAU: Lieber Endy, du kommst ursprünglich aus Bayern. Was hat dich nach Mexiko geführt, und welche Verbindung hast du zu dem Land?

Endy Hupperich: Ich stamme aus dem Allgäu, bin in Kaufbeuren geboren. Das liegt zwischen München und Füssen. Irgendwann bin ich in Mexiko gelandet, anfangs angetrieben durch meine Faszination an der Kultur der Maya und Azteken. Schon als Jugendlicher wollte ich irgendwann einmal dorthin. Letztlich geblieben bin ich auch wegen meiner Frau, die Mexikanerin ist. Nun ist es meine neue Heimat. Seit 1992 war ich regelmäßig in Mexiko und Guatemala, und 1998 habe ich zusammen mit meiner damaligen Partnerin, ebenfalls Künstlerin, den mexikanischen Künstler Miguel Castro Leñero kennengelernt, und die erste Ausstellung mit Mexiko-Bezug ist damals dann in Zusammenarbeit mit Leñero in der Galerie van de Loo in München zustande gekommen. Van de Loo selbst kannte ich aus meiner Akademiezeit. Otto van de Loo hatte die Galerie einst in München gegründet und vereinte sehr wichtige Malerpositionen der Gegenwartskunst. CoBrA, Gruppe Spur, Helmut Sturm und Asger Jorn hatte er wohl als einer der Ersten ausgestellt und gefördert. Und da ich bei Helmut Sturm studiert habe, ergab sich fast automatisch der Kontakt zur Galerie.

Wie lassen sich das „Dorf“ München und die Mega-City künstlerisch vereinbaren?

Man kann beides kaum vereinbaren, und künstlerisch gibt es gegenwärtig für mich kaum etwas, das ich aus München in meiner Arbeit verwende. München ist langweilig und bräsig, und Mexiko Stadt ist genau das Gegenteil davon. Einzig die äußerst befruchtende sechsjährige Zusammenarbeit als künstlerischer Mitarbeiter bei Markus Oehlen an der Akademie der Bildenden Künste in München nehme ich mit.

Wirkt sich der Kontrast auf deine Arbeitsweise aus?

Ich bin Maler, das heißt, ich bin ein sehr visueller Mensch. Vor diesem Hintergrund ist es fast selbsterklärend, dass eine Stadt wie Mexiko so viel mehr zu bieten hat als München. Alles, was mich optisch und inhaltlich interessieren könnte, ist interessant, um mich damit künstlerisch auseinanderzusetzen. Die offensichtliche Gegenwart Mexikos beruht auf der Vermi- schung ihrer alten traditionsreichen Kulturen und den Kulturen der westlichen Welt. Genau diese Vermischung, oder besser gesagt Überlappungen der Kulturen – denn vermischen lassen sie sich nicht wirklich – interessieren mich. Eine Eins-zu-eins-Übertragung in meine Malerei gibt es aber nicht. Ich nehme diese Erkenntnisse vielmehr als Inspirationsquelle für meine Arbeit.

Erkenntnis versus Unterhaltung in der Kunst – welchen Stellenwert hat der Humor? Wird dein sehr eigener Humor auch verstanden und wenn ja, von wem?

Mit dem Humor in der Kunst ist das so eine Sache. Es wurde lange als sehr schwierig empfunden, Kunst und Humor zu vereinen. Humor zu erkennen und zu verstehen, verlangt, dass der Betrachter Sinn für Humor mitbringt und Humor nicht als etwas Banales abtut. Außerdem ist Kunst an sich ja eine ernste Sache, besonders wenn man sie verkaufen muss. Die Frage ist daher immer: Geht Humor in der Kunst, wo doch Kunst so eine ernste Sache ist, die möglicherweise sogar erheblich viel Geld kostet? Trotzdem ist Humor immer ein wesentlicher Bestandteil meines Schaffensprozesses. Ich muss ein Schmunzeln bei der Arbeit haben, um dabeibleiben zu wollen. Das ist manchmal mehr, manchmal weniger, aber grundsätzlich brauche ich etwas Ironie in meinen Bildern – Ironie, keinen Zynismus – und Ironie im Umgang mit der Arbeit und dem täglichen Leben.
Meine Arbeit besteht aus einer Ansammlung verschiedener gemalter Kontraste. So wird zum Beispiel ernsthafte Malerei mit Ironie und Humor oder sehr schön Gemaltes mit schnell dahin Gemaltem, mit gestisch-schnoddrig Anmutendem gebrochen. Und das passt dann ganz gut zusammen.

Kunst als Antwort auf bzw. Kritik an der neuen Medienwelt mit ihren digitalen Bildermassen? Segen oder Fluch?

Ach, das sehe ich gar nicht so als Gegensatz. Ich finde beides gut, und ich will nicht gegen die neuen Medien ankämpfen, was ja auch gar nicht funktionieren würde. Ich sehe das Ganze eher als eine gegenseitige Beeinflussung. Die Medien, die Technik werden nie von mir beeinflusst sein, aber ich von ihr, also nutze ich diese Medien, und das ist besser, als sie zu verfluchen. Vor allem der Piraterie-Gedanke gefällt mir, dieses sich-einfach-etwas-nehmen, um daraus etwas anderes zu machen. Richard Prince ist ein hervorragendes Beispiel, wie man mit diesem Gedanken eine komplette Künstlerkarriere erfolgreich aufbauen kann. Ich sammle erst einmal alles, was mich interessiert.
Ich fotografiere viel auf der Straße und tatsächlich auch mal einen Bildschirm ab, womit ich schon eine Verfremdung erhalte. Mit dieser Sammlung arbeite ich dann. Die Bilderflut aus verschiedenen Medien ist ein spannendes Arbeitsfeld, man muss sich nur für ihre Anwendbarkeit in der Kunst Zeit nehmen und alles, was man aufnimmt, nicht sofort ungefiltert in Kunst umsetzen. Das wird dann nur platt und oberflächlich. Es ist also kein Fluch, aber man muss filtern. Und genau das mache ich ja mit meinen Arbeiten. Vergleichbar mit einem Sieb, in das man Schlamm hineinkippt. Wenn man lange genug siebt, bleibt Goldstaub zurück, und der ist wunderbar verwendbar, und mit Glück und Ausdauer entstehen so wahre Schätze, nämlich gute Bilder.

„Landschaften, Freundschaften und Liebschaften“, so lautet der Titel deiner Ausstellung. Wo fühlst du dich am wohlsten?

In allen dreien gleichermaßen. Landschaften sind sehr wichtig, um sich zu erneuern. Landschaft ist Sehen, Fühlen, Schmecken, Erholung. Freundschaften sind wichtig für den Austausch, auch Künstlerfreundschaften. Ich muss jedoch zugeben, das meiste ergibt sich von alleine, ich suche also nicht bewusst danach. Warum das so ist, kann ich gar nicht sagen. Und bei Liebschaften denke ich eher an meine Bilder bzw. das Gefühl von Vertrautheit und Abhängigkeit, das beim Arbeiten entsteht. Es ist dann auch die Liebe zu der Arbeit, die ich beim Loslassen spüre, wenn ich Bilder ausstelle. Selbst nach all den Jahren fällt das Loslassen manchmal immer noch schwer ...

2008 hast du schon mal in der Galerie LAKE ausgestellt. Welche Beziehung hast du zu dieser mittelgroßen Stadt Oldenburg?

Ich bin über Michael Ramsauer zur Galerie LAKE gekommen. Ralf Lake hatte sich meine Arbeiten auf dessen Empfehlung hin angeschaut und mich anschließend kontaktiert. Ich habe ihn dann auf einer Ausstellung in Bielefeld kennengelernt. Zunächst war eine Gemeinschaftsausstellung in Oldenburg geplant, doch am Ende gab es eine Einzelausstellung. Die Stadt gefällt mir, sie ist übersichtlich, man ist schnell in Bremen, Hamburg oder Amsterdam. Alles scheint wohlgeordnet, und die Leute erscheinen mir hier sehr großzügig. Und es gibt hier sehr gute Restaurants, vorneweg die Schmitz Brasserie. Ich mag auch die Landschaft – ein wenig vom Wind gezeichnet, und die Küste ist zu erahnen. Das ist toll! Hier hätte ich gerne ein Atelier, so in der Nähe zu guten Freunden.

Was liegt in der Zukunft an?

Zukunft? Zukunft ist heute! Ich interessiere mich immer weniger dafür, was in der Zukunft sein könnte, entscheidend ist das, was man jetzt gerade mit vollem Bewusstsein tut, denn das hat eventuell eine Bedeutung für die eigene Zukunft. Ich hoffe, weiterhin viele geniale Ideen für meine Malerei zu haben und dazu fit und gesund zu sein. Und dass es meiner kleinen Familie gut geht: meiner Frau, die auch Künstlerin ist, und unserem achtjährigen Sohnemann – der ein dufter Typ ist. Das reicht mir schon. Da bin ich froh, wenn alles passt und wir mit unserer Kunst gut zurechtkommen, wir Leute begeistern können. Bei all dem authentisch zu bleiben, ist das Wichtigste.

Galerie LAKE
Herbartgang 17
26122 Oldenburg
www.galerielake.de

Kategorie: Kunst (Design)
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