Menschen Eine Prise Meta
Eine Prise Meta
Interview mit Meta Hiltebrand
Eine Prise Meta
Interview: Arash Farahani / Fotos: Tobias Stahel
Mit raffinierten Verfeinerungen der südeuropäischen Landesküchen hat die Schweizerin Meta Hiltebrand die Herzen der Eidgenossen erobert und auch in deutschen Kochsendungen Furore gemacht. Aber seit sie vor rund einem halben Jahr ihr Restaurant „Le Chef“ in Zürich geschlossen hat, ist es um die einstige Senkrechtstarterin ruhiger geworden. Im CHAPEAU-Interview erzählt sie von ihrem neuen Leben, spricht aber auch über weitere Pläne und die ungebrochene Leidenschaft fürs Kochen.
Info – Die Köchin, Buchautorin und Unternehmerin ist 1983 in Bülach im Schweizer Kanton Zürich als jüngste von drei Geschwistern geboren. In Zürich absolvierte sie auch die Ausbildung zur Köchin, unter anderem bei ihrem Lehrmeister Fabio Codarini im Restaurant Rigihof. Neben weiteren beruflichen Stationen in Restaurants der Stadt bekam sie mit „kochen.tv“ eine eigene Sendung, die auf allen Schweizer Regionalsendern zu sehen war. Von 2011 bis 2015 führte sie mit „Metas Kutscherhalle“ ihr erstes eigenes Restaurant. 2013 übernahm sie ihren zweiten Betrieb in Zürich, das „Le Chef“. Ihren ersten Auftritt im deutschen Fernsehen absolvierte Meta 2016 in einer Folge von Tim Mälzers „Kitchen Impossible“. Als TV-Köchin in verschiedenen Sendungen erlangte sie auch hierzulande Popularität. Seit sie das „Le Chef“ Ende 2021 aufgab, betreibt Meta ein Kochstudio im urbanen Zürich. „Im Viadukt“ veranstaltet sie Kurse und Gourmet-Abende. Mit ihrem Lebensgefährten Tom lebt Meta Hiltebrand in Zürich.
CHAPEAU — Mit 23 hat man dich als jüngste Spitzenköchin der Schweiz bezeichnet. Gab es da überhaupt schon viele Spitzenköchinnen im Land?
META HILTEBRAND – Es gab da sehr wenige Frauen. Die Jungen Wilden waren auf dem Markt schon ein bisschen bekannt, aber noch nicht überall. Mit 23 hatte ich schon zwei Küchenchefs eingearbeitet. Das war verwunderlich, und ich habe mich gefragt, wie es mit mir eigentlich weitergehen soll. In dem Laden war irgendwie der Wurm drin, aber an dem Tag hat man mich gefragt, ob ich nicht die Stelle übernehmen möchte. Das habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen – wann hat man schon die Chance, mit 23 Küchenchefin zu werden. Das ist fast 17 Jahre her, und es war eine ganz andere Zeit. Damals gab es das Bild des klassischen Küchenchefs, und dieses Klischee habe ich durchbrochen, als ich mit meinen langen blonden Haaren der Chef in der Küche wurde.
Wie hat sich die Situation für weibliche Küchenchefs seit damals entwickelt?
Die Situation für Frauen hat sich massiv verändert. Schon als ich noch in der Ausbildung war, wurde deutlich, dass in der Küche einfach nicht mehr dieser raue Ton herrschen muss. Natürlich habe ich auf meinem Karriereweg auch die klassischen Küchen erlebt, wo Männer mit ihrem Testosteron das Zepter schwingen. Aber ich habe ich auch freundliche Köche kennengelernt, bei denen ein guter Umgangston herrschte. Gerade Frauen bekamen da die Möglichkeit, sich einzubringen. Unsere Genauigkeit wurde von vielen geschätzt. Ich muss aber zugeben, dass ich mich damals nicht sehr für das Thema Frauen interessierte. Ich habe mich immer an den Besten orientiert. Ob Männer oder Frauen, war mir egal. Für mich war immer wichtig, gut zu sein, aufmerksam zu sein und – ganz ehrlich – jeden Tag von irgendwem ein Lob zu bekommen. Das habe ich geschafft. Ich war sehr fleißig, und so habe ich mich gleich sehr gut positioniert. Aber ich hatte sehr wenig Zeit, darüber nachzudenken, wie es anderen Frauen oder Teammitgliedern geht. Ich war total auf meinem Job fokussiert und darauf, möglichst die Beste zu sein.
Gebackenes Ei mit Spinat-Spätzle, Sommerspargel und Sprossen
Den Menschen in Deutschland bist du vor allem durch die Auftritte in diversen Kochshows bekannt. Wie erklärst du dir den Erfolg von Kochsendungen?
Vermutlich brauchte es in der Branche ein paar Popstars, um das Thema Küche publikumswirksam zu kommunizieren. Was Köche wie Tim Mälzer angefangen haben, ist toll – Sendungen zu machen, die das professionelle Kochen auch für außenstehende Menschen greifbar macht. Von ambitionierten Hobbyköchen bis hin zu Leuten, die überhaupt keine Ahnung vom Kochen haben. Seit es diese Sendungen gibt, sind auch alle unsere Rezepturen, die früher mal Berufsgeheimnis waren, öffentlich und für alle zugänglich. Jeder kann es heute machen. Man kann das Phänomen Kochsendung vielleicht so erklären, dass Kochen die Menschen verbindet. Jeder muss essen. Ein wichtiger Punkt ist aber auch die vermittelte Leichtigkeit. Man betont das Schöne, Verspielte beim Kochen, nicht so sehr die harte Realität aus der Gastronomie. Bei uns in der Schweiz gibt es allerdings nur sehr wenige Kochformate. Ich hatte vier Jahre lang eine eigene Sendung mit dem Titel kochen.tv. Auch in dem Bereich gehörte ich zu den Jüngsten und war zu- gleich auch eine der ersten Frauen, die so etwas gemacht haben. Anscheinend hat es gefallen, denn ich habe darüber die Chance bekommen, auch in Deutschland auf Sendung zu gehen.
Woher nimmst du die Kraft für deine Leidenschaft?
Ja, das ist eine gute Frage. Über Jahre war ich ständig auf der Überholspur unterwegs und nie zuhause. Die Tage waren sehr lang, und manchmal hat mich sogar meine Katze kaum erkannt. Das fand ich schon sehr traurig. Leidenschaft ist halt ein Zwang, Dinge zu tun. Eine Art Tick. Ich habe nicht die Wahl, zu kochen oder nicht. Etwas in mir sagt, du musst das ausprobieren, du musst es irgendwie machen. Der eigene Antrieb ist der Motor, um diese Kraft aufzubringen. Nach den vielen Jahren habe ich allerdings gemerkt, dass ich die Kraft einteilen muss. Deshalb habe ich mich auch neu orientiert, aber das Kochen lasse ich mir nicht verbieten. Ich würde durchdrehen, wenn man mir die Hände einen Monat lang zusammenbinden würde. Die Leidenschaft ist die Kraft.
„Über Jahre war ich ständig auf der Überholspur unterwegs und nie zuhause.“
Dein Geburtsort Bülach gehört zum Bezirk Zürich, und dort hast du auch deine berufliche Laufbahn begonnen, hast zwei Restaurants geführt und lebst da bis heute. Ist es nicht ungewöhnlich für eine internationale Spitzenköchin, dass du dem Heimatort immer treu geblieben bist und nie woanders gearbeitet hast?
Ich habe hier meinen Boden, meine Heimat. Und wegen der vielen Arbeit hatte ich sehr wenig Zeit für mein Privatleben. Die wenige freie Zeit wollte ich immer mit Menschen verbringen, die mir wichtig sind. Dazu gehören meine Schwester und Mutter. Die geben mir Halt, erden mich, motivieren und kümmern sich um mich. Wären diese zwei Menschen nicht um mich gewesen, hätte ich es gar nicht so weit gebracht. Natürlich habe ich auch andere Angebote erhalten. Das krasseste war, ein Restaurant in Las Vegas zu eröffnen. Ich hätte sogar nur ab und zu selbst vor Ort sein müssen. Ich war tatsächlich dort und habe es mir angeschaut. Ein megageiles Konzept mit großem Budget. Ein Traum für einen Koch, sich so verwirklichen zu können. Aber ich konnte es einfach nicht machen. Es war viel zu weit weg von meiner Heimat. Auch die Arbeitsgesetze in den USA sind ganz anders als bei uns – und wie die mit Mitarbeitern umgehen, das hat für mich einfach nicht gepasst. Also bin ich in der Schweiz geblieben und habe hier ein Restaurant eröffnet. Dann wurde ich gefragt, ob ich nicht auch in Deutschland einen Betrieb eröffnen möchte. Aber ich habe gespürt, dieser Spagat, dieses Überall-sein-wollen würde mich nicht glücklich machen. Eher im Gegenteil. Ich könnte meinen Anspruch auf Perfektion gar nicht überall verwirklichen. Also habe ich einen Schritt zurückgemacht. Zürich ist megageil und groß. Es gibt hier einfach alles und, ja, es ist auch meine Heimat. Ich bleibe ihr treu. Das heißt nicht, dass man mich nicht auch woanders für Veranstaltungen und Events buchen kann. Ich bin durchaus motiviert, andere Länder zu sehen. Aber alles zu packen und hier wegzuziehen, würde mir sicher ein Stück Lebenskraft nehmen. Genau wie ein Baum brauche ich die Erde, die zu mir passt. Die habe ich hier gefunden.
Würde es dich wirklich gar nicht reizen, in eine andere Stadt zu ziehen und dort etwas Neues aufzubauen?
Es würde mich reizen, mit dem richtigen Mann einen neuen Abschnitt zu machen. Das ist denkbar, aber die andere Stadt müsste in der Schweiz sein. Auch ein neues Restaurant dort zu eröffnen, wäre überlegenswert. Aber in einem neuen Land mit anderen Regeln, Gesetzen und was man als Gastronom darüber alles wissen muss, das ist schon heftig und schreckt mich ab. Momentan genieße ich meine Freiheit und überlege nicht, wo ich etwas Neues anfangen möchte. Außerdem baue ich hier bereits etwas Neues auf – mein Kochstudio und ein Projekt mit meinem Partner Tom.
Wie definierst du „Spitzenküche“, und was macht deine Kochkunst einzigartig?
Die Spitzenküche zeichnet sich dadurch aus, dass sie sorgfältiger und bewusster zubereitet ist als die Standardküche. Für mich heißt es auch, dass alle Zutaten extra ausgesucht sind und die Nachhaltigkeit stimmt. Der große Unterschied zur normalen Küche ist, dass der Koch nicht einfach Nahrung kocht, sondern überlegt, wie er deinen Gaumen zum Spitzengenuss bringt.
Ist es korrekt, wenn man deine Küche als eine prinzipiell bodenständige beschreibt, die du mit deiner persönlichen Note raffinierter machst?
Ich koche eher bodenständig. Die Basis ist französisch und italienisch. Und weil ich mal Küchenchefin in einem spanischen Restaurant war, hat mich auch der spanische Raum stark beeinflusst. Man kann sagen, dass ich ganz einfache Zutaten zu einem Hauptdarsteller zu machen versuche. Ich liebe es, eine potentiell langweilige Möhre zu einer Attraktion zu machen. Man kann sie grillieren, man kann sie zu einem Püree oder Gelee verarbeiten, und dann machen wir noch Panna Cotta daraus. Wie wäre es dann mit einem Möhreneis kombiniert, mit ein wenig Lachs? Die Basis ist grundsätzlich bodenständig und traditionell. Was ich daraus mache, ist immer Meta. Ich baue irgendeine überraschende Zutat ein, die die vielen Aromen in Harmonie bringt. Ich denke, das macht meine raffinierte und durchaus auch beliebte Küche aus. Die Leute sagen hey, der Mut, den Meta aufbringt, gefällt uns. Das eckt ein bisschen an, zugleich bietet es ein neues Geschmackserlebnis. Wenn ich die Geschichten erzähle, wie ich auf die Ideen komme, sind die Leute sehr angetan und öffnen Geist und Gaumen für ein Experiment. Manchmal muss man die Menschen auch zu ihrem Glück zwingen. Wenn man ihnen aber nur eine Speisekarte in die Hand drückt, nehmen sie meist das, was sie schon kennen.
Wie kommst du denn auf die neuen Ideen?
Erstaunlicherweise kommen mir die oft im Schlaf. Ich gehe nach Tagen voller Eindrücke ins Bett. Dann wache ich auf und habe das Gefühl, ich müsste jetzt einen Lauch mit Hummer kombinieren. Noch schlimmer wird’s, wenn ich an Lakritze denke. Dann renne ich los, besorge die Zutaten und experimentiere. Ich habe kein Problem damit, auf Ideen zu kommen. Mir fällt immer etwas ein, und ich höre nie auf, Neues zu entwickeln.
Gibt es für dich auch absolute No-Gos in der Küche?
Ganz klar: nicht auf die Hygiene zu achten. Hygiene ist für mich oberstes Gebot. Auch Respekt ist ein wichtiger Punkt in der Küche. Es gehört zum Respekt gegenüber dem Arbeitgeber, dass man mit den Materialen gut umgeht, und dem Gast gegenüber, dass man mit sauberen Händen und geschlossenen Haaren arbeitet. Was für mich gar nicht geht: ein diffuses Verarbeiten von Produkten, ein planloses Herumwühlen in der Kammer, um zu gucken, was man daraus zusammenkochen kann, ohne sich vorher zu überlegen, was man wirklich braucht. Mir ist äußerst wichtig, eine harmonische Küche zu haben, in der die Leute respektvoll miteinander umgehen. In der man weiß, was man im Kühlschrank hat, und umsichtig mit den Zutaten und seinem Arbeitsplatz umgeht – bis hin zur Spüle. Dazu gehört aber auch eine kleine Speisekarte, damit man nur frische Lebensmittel verarbeitet und jedem Gast das Beste auftischt.
Welche Küche bevorzugst du generell – die französische oder die italienische?
Meine Basis ist italienisch, auch weil ich mit Fabio Codarini einen italienischen Küchenchef hatte. Ich nenne ihn heute noch meinen Meister. Er hat aber auch viele Einflüsse aus der französischen Küche mitgebracht, die mir gut gefallen. Nach der Ausbildung habe ich mir dann die französische Küche aus der Nähe angesehen und war beeindruckt. Ich habe aber auch gemerkt, dass die Zubereitungen sehr aufwendig sind. Dann war ich eine Zeit lang mit einem Spanier zusammen. Da habe ich die spanische Küche genauso verehrt und lieben gelernt. Mit vielen Kräutern, Zitronen, die Fischgerichte, das Backen und die Tavolata, wenn die Menschen gemeinsam kochen und genießen — alles groß, in Familie gedacht. Deshalb ist es wohl ein Mix aus allem. Am Ende habe ich dann noch eine Prise Meta hinzugefügt (lacht).
Dein Buch „Meta kocht!“ hat den Zusatztitel „Ohne Wenn und Aber“. Was wäre denn ein potentielles Wenn oder Aber, das du in deiner Küche auf keinen Fall verwenden würdest?
Der Buchtitel steht für meine Freiheit. Es geht nicht darum, was ich nicht verwenden würde, sondern darum, dass mir niemand reinquatscht oder meckert. Ich koche meine Gerichte ohne Wenn und Aber so, wie ich es für richtig halte. Auch das Buch konnte ich nach meinen Vorstellungen gestalten. Mehrere Verlage hatten mich angefragt, deshalb konnte ich Bedingungen stellen. Wenn jemand ein Buch mit mir machen will, dann so, wie ich es gerne haben möchte. Ohne Wenn und Aber. Deshalb heißt das Buch so. Mir war wichtig, dass man mich mit dem Buch kennenlernt, mich versteht, auch mein Umfeld kennenlernt. Ich beschreibe darin keine High-End-Speisen, sondern einfache Gerichte, die Spaß machen und einfach umzusetzen sind. Dinge, die Leute wirklich nachkochen können und die sofort ein Aha-Erfolgserlebnis vermitteln.
„Ich koche meine Gerichte ohne wenn und aber so, wie ich es für richtig halte.“
Wolltest du schon als Kind Köchin werden?
Nein, als Kind wusste ich gar nicht, welchen Berufsweg ich einschlagen will. In der Familie war eigentlich war klar, dass ich bei meinem Vater einsteige. Er hatte damals eine große Elektrofirma mit 25 Angestellten, und meine Mutter hat jeden Tag drei Mahlzeiten aufgetischt. Wie sie es geschafft hat, neben dem Haushalt noch Dinge im Büro zu erledigen, ist mir bis heute ein Rätsel. Sie war ein echtes Turbohäschen. Damals habe ich nicht darüber nachgedacht, was mir Essen bedeutet. Erst als ich vor der Berufswahl stand und mir verschiedene Berufe anschauen konnte, fand ich Koch unheimlich spannend. Weil man schnell etwas herstellen kann und sofort Erfolgsmomente hat. Aber noch viel spannender fand ich, dass man jeden Tag etwas Neues schafft und nicht 20 Tage lang am selben Projekt sitzt.
Dein Restaurant „Le Chef“ hast du mal als dein Lebenswerk bezeichnet. Nun hast du es vor sechs Monaten geschlossen. War Corona schuld, oder wolltest du wirklich einfach mehr Zeit fürs Privatleben haben?
Das „Le Chef“ bezeichne ich tatsächlich als mein Lebenswerk. Es war mein zweites Lokal, und ich habe nichts dem Zufall überlassen. Jedes Detail, Farben, Einrichtung bis hin zu Besteck und Geschirr habe ich persönlich ausgesucht. Es war mein Baby. Aber es hat mich auch kaputt gemacht. Die Schließung war eine schwierige Entscheidung, aber ich habe sie schon vor der Pandemie getroffen. Ich will mich neu entwickeln, weiter gehen. Nicht mehr sieben Tage die Woche 14 Stunden am Tag arbeiten und dann noch TV-Sendungen machen. Das war zu viel. Ich wollte auch wieder mal auf eine Hochzeit, einen Geburtstag gehen, an einem Samstag andere Leute treffen. Dinge, die für andere Leute normal sind, waren für mich immer etwas Besonderes. Die Entscheidung wurde dann noch mehr gefestigt, als einer meiner Lieblingsmitarbeiter während der Corona Krise gekündigt hat. Den wollte ich nicht wieder ersetzen. Auch mit den Gästen hat es nicht mehr funktioniert. Corona hat ganz viele Menschen unzufrieden gemacht. Ich selbst aber habe in der Zeit einen tollen Mann kennengelernt und mich gefragt, worauf ich denn jetzt noch warte. Ich kann nicht und nur davon reden, dass ich das Restaurant aufgebe, und es dann ewig hinziehen. Ich tue es und ziehe die Konsequenzen. Mein Kochstudio, das ich jetzt habe, gibt es nicht erst seit sechs Monaten. Den Mietvertrag habe ich schon vor zwei Jahren unterschrieben. Vor Corona, ziemlich genau zwei Wochen vor dem Lockdown. In der ganzen Zeit habe ich es schon mitfinanziert, und gerade das Projekt Kochstudio hat mir in der Coronaphase viel Kraft und Halt gegeben. Wirtschaftlich hat es mich zwar fast geköpft, andererseits gab es mir jeden Tag den Antrieb, aufzustehen, motiviert zu sein. Wir haben auch während der Pandemie viel gearbeitet und Sachen für die Menschen gemacht, haben in der Stadt karitativ geholfen. Aber dieses Restaurant war wie ein Monster. Es zieht dich ständig ein. Man liebt es, aber kaum ist man raus, denkt man, um Gottes Willen, wie kann man so etwas den ganzen Tag lang tun? Nein, die Schließung hatte nichts mit der Pandemie zutun. Ganz im Gegenteil. Die gab mir den Mut, mich neu zu orientieren. In der Coronazeit habe ich gemerkt, was ich alles in meinem Leben noch nicht hatte, was ich aber haben könnte. Die Entscheidung für die Schließung fiel mir wirklich nicht leicht, aber ich bereue es nicht. Mein Leben ist immer noch sehr abenteuerlich, immer noch spannend, aber jetzt gibt es darin private Momente.
Trauerst du dem „Le Chef“ nicht doch in manchen Momenten nach?
Es gab Augenblicke, als der Entschluss schon getroffen war und gleich mehrere Anfragen nach Platzreservierungen kamen. Da dachte ich tatsächlich, ich hätte das Restaurant ja noch und könnte es danach immer noch abwickeln. Es ist wohl normal, dass man darüber nachdenkt, ob es die richtige Idee war. Aber es war die richtige Entscheidung. Auch ich darf mehr als ein Leben haben, und ich will mehr sehen als meine vier Wände. Die neuen Projekte, die ich gerade mache und anschiebe, machen unheimlich viel Spaß.
Wie haben dich die Mitarbeiter im Restaurant erlebt – immer als die nette Chefin, oder schwingst du auch mal die Peitsche (grinst)?
Mein Führungsstil ist eher nett. Klar bin ich auch schon mal sauer geworden und lauter. Aber eigentlich bin ich wahnsinnig harmoniesüchtig. Das war wohl einer meiner Fehler. Manchmal hätte ich einfach konsequenter sein müssen. Weniger freundschaftlich und fürsorglich. Frech gesagt, härter. Wenn es in der Gastronomie Schlag auf Schlag geht, muss der Ton mal etwas rauer werden. Dann geht‘s einfach schneller. Aber Rumschreien und dieses Testosteron-Ding sind nicht meins. Und ich habe auch für private Probleme ein großes Herz. Wenn Mitarbeiter Schulden oder familiäre Probleme hatten, war ich die erste Schulter, die sich angeboten hat. Das macht mich ja auch aus. Manchmal ärgere ich mich zwar über meinen netten Führungsstil, aber ich will kein Choleriker sein, der in der Küche ständig herumbrüllt. Ich möchte eher zusammen mit meinen Leuten etwas führen, und das soll uns allen Spaß machen. Wer dich den ganzen Tag anschreit, den mag man einfach nicht und dem hört man auch nicht mehr zu. Schon deshalb habe ich immer versucht, in einer normalen Stimmlage zu kommunizieren. Da muss man nämlich genauer hinhören.
Muscheln an Safran-Fenchelsud
Was ist mit den ehemaligen Gästen – hast du noch Kontakt?
Meine Gäste haben mir unheimlich viel bedeutet. Wir waren kein Massenrestaurant, viele Leute haben bei uns auch allein gegessen. Pärchen haben ihre Feiern bei uns veranstaltet, Jahrestage, Geburtstage. Wir haben Menschen zusammengebracht. Das fehlt mir wirklich. Einige meiner früheren Gäste kommen jetzt ins Kochstudio, machen Kochkurse oder Kulinarik-Events mit. Das genieße ich. Es ist schön, mit ihnen über alte Zeiten zu reden. Merkwürdig. Das Ganze ist erst sechs Monate her, und man redet darüber, als wären es schon zehn Jahre.
Gönnst du dir jetzt eine Pause, oder gibt es Projekte, die du umsetzen möchtest?
Ich gönne mir eine Pause. Ich habe jetzt ein Privatleben und genieße es, auch für meinen Partner zu kochen – schon fast wie eine Hausfrau (lacht). Vielleicht kann man sich das bei mir nicht vorstellen, aber ja, ich genieße es wirklich. Andererseits habe ich jetzt auch Zeit für neue Ideen und Konzepte, die ich umsetzen möchte. Zum Beispiel ein Pop-Up-Konzept, das wir mit mehreren Leuten erarbeiten. Oder zwei neue Fernsehshows. Dazu kann ich aber noch nichts sagen. Ist noch nicht unterschrieben und spruchreif. Aber wer mich kennt, weiß, mir wird nicht langweilig.
„Ich habe jetzt ein Privatleben und genieße es, auch für meinen Partner zu kochen.“
Für dich der Beginn einer neuen Ära?
Die Ära hat schon während der Pandemie angefangen. Da hatte ich Zeit zu überlegen, wer Meta eigentlich noch ist – außer Essen auf dem Teller einer Gastwirtschaft. Die andere Meta habe ich gefunden. Die möchte ein bisschen sozialer sein und mehr Freizeit haben. Das ist diese neue Ära, und die ist an dem Tag gestartet, an dem ich eingesehen habe, dass ich in meinem Leben etwas ändern muss, um etwas Neues zu gewinnen.
Wie stellt man sich die Meta zuhause vor – in Kochschürze, mit Gummistiefeln im Garten oder eher mit Bademantel auf der Couch?
Ich bin schon eine kleine Hausfrau und mache das gern. Zuhause kochen, dekorieren, nach den Blumen schauen, etwas backen und das dann am liebsten den Nachbarn schenken. Es gibt also diese private Meta, die zuhause entspannt und ungeschminkt ist, die auch mal den Haushalt macht. Aber was ich nicht mag, ist Grillen. Ich glaube, das werde ich nie mögen. Dazu fehlen mir einfach die Nerven.
Was entspannt dich, wie schaffst du dir einen Ausgleich?
Auf diese Frage habe ich schon früher in meinem Leben ganz oft eine Antwort gesucht. Meist war es Tanzen oder in einen Club gehen. Die Batterien komplett leeren bis die Sonne aufgeht, dann zuhause tot umfallen und den ganzen Tag ausschlafen. Heute ist für mich ein schöner Ausgleich, mit meinem Schatz eine tolle Flasche Wein zu trinken und den Abend zu genießen. Und, so langweilig es klingt, ein Kerzchen anzuzünden und auf dem Balkon sitzen oder einfach einen schönen Film zu schauen, lecker Essen zu gehen. Dinge, die für andere immer schon ganz normal waren. Die genieße ich jetzt und empfinde sie als Ausgleich.
Die Food-Welt steht im Wandel, es herrscht Aufbruchsstimmung in Gastronomie und Handel. Zunehmend wird auf Nachhaltigkeit und Gesundheit gesetzt. Investoren bieten Startups eine große Bühne. Wie beurteilst du diese Bewegung und ihre Herausforderungen?
Die Food-Welt befindet sich im Wandel, und das ist auch wichtig. Aber man weiß gar nicht so recht, wo sie eigentlich hinwill. Wir reden über Food Waste, dann wieder von neuen Zubereitungstechnologien, dann wieder von Servicerobotern. Die Gastronomie hatte auch bislang schon sehr vieles zu bieten. Aber gerade jetzt leidet der Markt unter großem Personalmangel. Wir suchen händeringend nach guten Leuten und haben gar keine Zeit, alle diese Konzepte und Innovationen in unsere Läden zu integrieren und die entsprechend umzubauen. Das ist eine Herausforderung für die ganze Branche, und es wird in den nächsten Jahren auch nicht einfacher. Wenn wir Glück haben, bekommen wir ein paar tolle Fachkräfte zurück. Die reichen aber nicht für die gesamte Gastronomie, deshalb müssen neue Konzepte her. Es geht auch darum, welche Lösungen die Mitarbeiter entlasten können. Darüber hinaus geht es um Themen wie Nachhaltigkeit und Food Waste, also die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Es gibt Ideen, dass man keine Takeaway-Geschirre mehr verwendet, sondern Einweglösungen. Es gibt viele Überlegungen, und ich bin sehr gespannt, was da alles kommt. Und noch viel gespannter, wer dann das Rennen macht. Es gibt ja diese innovativen Menschen, die immer die Ersten sind.
Was ist mit Fusion Kitchen, Fusion Food – Spielereien oder innovativ?
Fusion Kitchen kann man sowohl spielerisch wie innovativ finden. Man kann sie auch mutig nennen. Meine Küche ist auch ein bisschen Fusion, aber keine UFO-Fusion sondern bodenständig. Jeder Koch muss selber wissen, welchem Stil er folgt, was er machen möchte, was zu ihm passt. Ob er spielt oder nicht, ist auch seine Sache. Findet er ein Klientel, das sein Essen konsumiert, hat er wohl eine Berechtigung auf dem Markt. Je unterschiedlicher wir sind, desto abwechslungsreicher ist das Konsumverhalten unserer Gäste. Ich finde es großartig, wenn es neue Dinge gibt.
Du veranstaltest Kochkurse, Workshops und Kulinarik-Abende. Wie viel Zeit beanspruchen diese Aktivitäten?
Sehr viel Zeit, ich bin oft unterwegs. Aber im Unterschied zu früher kann ich mir die Zeit heute selber einrichten. So einen Kulinarik-Abend etwa veranstalte ich nicht fünf Tage hintereinander. Dann würde mir gegen Ende die Puste ausgehen. Ich will aber bei jedem einzelnen Event die Meta sein, die ich immer sein möchte. Die Meta, die Freude in den Augen hat, die Leidenschaft lebt, die diese kulinarischen Teller kreiert und offen ist für Menschen. Dafür sind zwischendurch Ruhepausen nötig. 50 Prozent meiner Arbeitszeit bin ich unterwegs, die andere Hälfte stehe ich in meinem Kochstudio, entwickele Rezepte sowohl für mich als auch für meine Kunden und arbeite an meinen Workshops. Manchmal stehe ich einen ganzen Tag lang in der Küche, koche irgendetwas und verschenke es danach, weil ich soviel gar nicht selbst essen kann.
Honig-Bier-Pannacotta mit Whisky-Melonen
Wie bist du in Zürich auf das Viadukt als Ort für deine Kurse und Abende gekommen?
Die Location ist traumhaft. Wer weiß, was ein Viadukt ist, weiß auch, dass es ein Übergang ist. Ich habe den kleinsten aller Bögen. Das Viadukt war mal ein Kulturprojekt der Stadt Zürich. Davor wurden die Bögen gar nicht genutzt, dann hat man sie vor etwa zehn Jahren mit viel Geld zu individuellen Läden, Büros, Event- und Kulturräumen umgebaut. Schon damals wollte ich dort einen Raum haben, hatte aber noch keine Ahnung, wie man da ran kommt. Dort jetzt einen Viaduktbogen zu haben, ist für mich ein Mega-Ding. Wer in Zürich lebt, will da einfach hin. Hinzu kommt, dass die Bögen direkt neben meinem Lieblingsclub liegen. Ich gehe wirklich sehr gerne tanzen. Und wenn ich am Abend noch Essen übrighabe, kann ich den Security-Leuten etwas Gutes tun, danach einen Drink im Club nehmen und eine Runde tanzen. Ich nenne das Urban Zürich. Hier grüßen die Menschen sich, bleiben zugleich anonym. Es ist nicht die Reeperbahn, aber auch nicht die Bahnhofstraße. Es ist bunt, lebendig und modern. Wo die Partys stattfinden, da gehört auch die Meta hin (lächelt).
Wer denkt, ich hätte die Gastronomie an den Nagel gehängt, täuscht sich. In mir schlägt das Restaurant-Herz. Das ist meine Passion. Wenn ich in ein Restaurant gehe und sehe, dass etwas nicht rund läuft, habe ich das dringende Bedürfnis zu helfen. Das steckt in mir drin, und ich kann es nicht ablegen. Man hat diese Berufung, oder man hat sie nicht. Zur Passion gehört aber auch, sich Schmerzen zuzufügen. Das meine ich natürlich im Spaß. Aber ich werde wohl erst ein neues Restaurant aufmachen, wenn ich vergessen habe, wie tief die Wunden und Schmerzen waren, die ich in der Zeit erlebt habe. Trotzdem habe ich es geliebt, und wenn man Meta ist, sollte man nie nein sagen. Vielleicht kommt irgendwann etwas richtig Abgefahrenes, das man unmöglich ablehnen kann. Dann werde ich es wahrscheinlich machen. Einige Leute sagen, ich sei jetzt keine Gastronomin mehr und könne nicht mehr mitreden. Aber ich habe es so lange und so leidenschaftlich gemacht, das kann mir niemand nehmen. Diese Erfahrung gehört mir, in meinem Herzen, in meinem Kopf, in meinen Händen. Diese Erfahrungen sind meine Kraft und meine Macht. Ich werde mein Leben lang eine Gastronomin bleiben.
Planst du wieder eine Buchveröffentlichung, und stehen neue TV-Projekte an?
Auf meinem Computer gibt es mehrere angefangene Buchprojekte, zu denen ich mich noch nicht entscheiden kann. In meinem Archiv habe ich natürlich viele Rezepte, die nachgekocht und fotografiert werden möchten. Und es gibt die Idee zu einem Fischbuch, das ich gerne mit meinem Fischhändler Dörig machen würde. Dafür habe ich aber noch keinen roten Faden. Ich mache im Moment so viele verschiedene Dinge, dass ich mich jetzt nicht für ein einzelnes Projekt einschweißen lassen möchte. Mein Fokus liegt deshalb momentan nicht auf einem Buch, aber an neuen TV-Projekten bin ich dran. Die sind bereits niedergeschrieben, und jetzt braucht es den passenden Sendeplatz, die richtigen Partner, um das Ganze zu stemmen. Im Kopf bewege ich also etliche Projekte, aber aktuell verbunden mit dem Wunsch nach Privatem. Man kann nun mal nicht alles zugleich machen. Ich bin ja auch erst 39 und habe noch ein wenig Zeit.