
Lebensart EIN ABSOLUTES LIEBESKIND
EIN ABSOLUTES LIEBESKIND
Interview mit Elena Carriere
Mit Heidi Klums „Germany’s next Topmodel“ wurde Elena Carrière 2016 schlagartig in ganz Deutschland bekannt. Inzwischen macht die Schauspielertochter als Model auch international Karriere, und ihren Instagram-Blog verfolgen regelmäßig an die 500.000 Fans. Im Interview mit CHAPEAU spricht Elena über ihre Rolle als Influencerin, ihre Pläne und Wünsche und über ihr früheres Leben als Trennungskind zwischen Venedig und Hamburg.
CHAPEAU: War der zweite Platz bei „Germany’s next Topmodel 2016“ für dich der Karriereeinstieg?
ELENA CARRIERE:
Ja, das war meine „Launch Plattform“. Ich hatte davor auch schon gemodelt, aber erst mit „Germany’s next Topmodel“ habe ich angefangen, das ernsthaft als Karriere-Weg zu sehen – zusammen mit anderem Dingen wie Schauspielerei oder Moderation. Das war genau in der Zeit, als der Instagram-Boom so richtig begonnen hat.
CHAPEAU: Zweite zu werden ist also gar nicht so schlecht, oder?
ELENA CARRIERE:
Zweite ist sogar besser als Erste, sage ich immer. Für mich war es perfekt. Ich habe ein großes Maß an Exposure und Aufmerksamkeit erreicht, ohne stets diesen Stempel „Germany’s next Topmodel“ auf der Stirn tragen zu müssen.

Foto: Pino Petrillo
„Ich war nie eines von diesen Mädels, deren größter Traum ist, „Germany’s next Topmodel“ zu werden.“
CHAPEAU: Hast du noch Kontakt zu der damaligen Siegerin Kim und zu der Drittplatzierten Fata?
ELENA CARRIERE:
Ja, doch. Kim und Fata sind die einzigen, mit denen ich auch privat noch gerne etwas unternehme. Fata lebt in Berlin und Kim in Frankfurt, deshalb sehen wir uns nicht oft – aber bei Events laufen wir uns immer mal wieder über den Weg. Dann wird es auch immer gleich sehr familiär. Wir haben bei „Germany’s next Topmodel“ viel Zeit miteinander verbracht. Als Top drei waren wir am längsten dabei und haben uns gut verstanden. Wir wollen die Verbindung so gut es geht weiterführen
CHAPEAU: Von außen hat man immer das Gefühl, dass bei Heidi Klum hinter den Kulissen viel herumgezickt wird. Gehört das zur Show?
ELENA CARRIERE:
Ja, ein bisschen lebt die Show davon, und manches Gezicke ist vorausgeplant. Die Redaktion macht ihren Job sehr gut. Man lässt viele junge Mädchen zwischen 16 und 22 monatelang auf engstem Raum miteinander leben. Da sie zugleich einen Konkurrenzkampf ausführen, kommt es schon mal zu extremen Situationen. Aber das ist in dem Alter wohl normal.
CHAPEAU: Wann ist der Wunsch in dir gereift, Model zu werden oder vor die Kamera zu gehen?
ELENA CARRIERE:
Das sind ja zwei unterschiedliche Themenfelder. Eigentlich wollte ich Jura studieren und Anwältin werden. Ich hatte mich immer dagegen gewehrt, Schauspielerei zu betreiben. Die Leute sollten nicht denken, ich würde das wegen meines Vaters machen. Gemodelt habe ich immer schon. Aber meine Mutter hat immer ganz klar und richtigerweise gesagt, ich sollte zunächst mein Abitur schaffen. Ich habe die Schule durchgezogen und 2015 das Abi gemacht. Dann aber ging es recht schnell mit der Show los. Dazwischen hatte ich gar nicht viel Zeit, um mir über meine berufliche Zukunft Gedanken zu machen. Dafür hatte ich mir eigentlich ein Jahr Pause nehmen wollen, aber das hat sich dann anders entwickelt.
CHAPEAU: Hattest du dich bei Pro Sieben beworben, oder sind die auf dich zugekommen?
ELENA CARRIERE:
Ich habe mich nicht beworben. Das gehört wohl zu den Dingen, die meinen Weg bestimmt haben. Ich war nie eines von diesen Mädels, deren größter Traum ist, „Germany’s next Topmodel“ zu werden. Vielleicht ist Pro Sieben gerade deswegen auf mich zugekommen und hat mich zum ersten Casting bei Heidi eingeladen. Ich wollte ja eh ein paar Monate Auszeit nehmen und habe gedacht, wenn ich jetzt irgendwie unter die Top 15 käme, würde ich ein bisschen reisen können und Spaß haben.
Wer hätte schon gedacht, dass es dann so schnell und so toll weitergehen würde. Ich war mit 19 ja noch sehr jung.
„ In Venedig zu arbeiten, wäre für mich mal ein richtiges Highlight.“

Foto: Pino Petrillo
CHAPEAU: Reist du gerne?
ELENA CARRIERE:
Ja. Wenn ich ein Hobby habe, ist es das Reisen [kichert].
CHAPEAU: Kannst du dich unterwegs frei bewegen und dir auch mal Städte wie Barcelona, Paris und New York angucken – oder bist du vollgestopft mit Terminen und hast ständig das Handy in der Hand?
ELENA CARRIERE:
In Paris lebt mein Vater mit seiner Partnerin, das ist für mich ein zweites Zuhause. Ich bin dort auch bei einer Modelagentur und nutze die Zeit so viel wie möglich zum Arbeiten.Zwischendurch gibt es Tage, an denen ich einfach allein mit meinem Potcast in den Ohren durch Paris laufe und mir die Stadt angucke. Das ist in anderen Städten schwerer. Ich war schon an sehr vielen Orten, und viele davon habe ich nicht wirklich gesehen. Immerhin durfte ich schon nach Kapstadt,
nach Australien und nach was weiß ich wohin reisen. Es gibt immer die Möglichkeit, zu entdecken und zu entscheiden, ob ich dort auch mal einen Urlaub verbringen möchte. Ich spüre schon, welchen Vibe eine Stadt hat und ob ich ihn mag. In New York zum Beispiel würde ich in den nächsten Jahren nicht leben wollen – anders als etwa in Kapstadt.
CHAPEAU: Was ist gegen New York einzuwenden?
ELENA CARRIERE:
Die Stadt nimmt dir sehr viel Energie. Zum Arbeiten bin ich immer mal wieder sehr gern da, die Menschen sind super nett und Amerika ist ein sehr interessantes
und spannendes Land. Aber in der momentanen politischen Situation habe ich nicht wirklich viele Gründe, dort länger verweilen zu wollen. Ich bin halt ein sehr europalastiges Kind. Ich habe zehn Jahre in Venedig gelebt, Hamburg ist einer der schönsten Städte Europas und Paris – das sind geschichtlich und architektonisch geprägte Städte.
CHAPEAU: Wie steht’s mit Rom?
ELENA CARRIERE:
Rom ist wirklich wunderschön. Meine Mutter hat dort 20 Jahre gelebt, und da auch studiert. Wirklich toll, aber beruflich komme ich nicht oft nach Italien.
CHAPEAU: Du bist ja viel im Internet unterwegs und sehr aktiv – auch eine Form von Reisen.
ELENA CARRIERE:
Ja, stimmt. Mentales Reisen.
CHAPEAU: Bei Instagram hast du schon fast eine halbe Million Follower. Wie stellt man die alle zufrieden?
ELENA CARRIERE:
Alle zufriedenstellen geht nicht. Es wäre auch langweilig, wenn da draußen alle gleich wären. Es wäre nur für mich einfacher, denn ich habe schon das Bedürfnis, die Leute mit meinen Postings zu unterhalten. Ich möchte ich ihnen jeden Tag Content bieten, der ihre Interessen trifft. Aber ich darf nicht die eigenen Vorstellungen vergessen – und auch nicht die von potentiellen Kunden, die ich erreichen möchte. Diese drei Erwartungshaltungen zusammen zu bringen, ist am schwersten. Aber das ist mein Job. Ich mag, was ich tue, und bin sehr dankbar, dass ich das mit Leidenschaft tun kann.
„ Viele Leute haben mich als Tochter von… abgestempelt.“

Foto: Pino Petrillo

CHAPEAU: Arbeitest du mobil, oder sitzt du jeden Tag ein paar Stunden vor dem Rechner?
ELENA CARRIERE:
Rechner benutze ich gar nicht mehr. Ich poste mobil und versuche, die Posts mit den Fotos und Videos so authentisch und dokumentarisch wie möglich zu gestalten. Dafür verbringe ich jeden Tag ein paar Stunden am Handy. Manchmal fällt mir
das auch schwer, wenn ich zum Beispiel Zeit mit meinen Freunden verbringe und sagen muss: Hey, ich brauche jetzt mal zwei Stunden für Bildauswahl, Bearbeitung und Hochladen – oder zum Captions ausdenken, mir neuen Content überlegen, E-Mails beantworten. Dann müssen die Leute um mich herum verstehen, dass es nicht asozial von mir ist, wenn ich da sitze, aber nicht mit ihnen rede. Am besten funktioniert es, wenn ich einen Tag für mich nehme und das alles zuhause erledige. Da guckt keiner zu, und ich kann soviel auf das Handy gucken wie ich will.
CHAPEAU: Aber wenn man ständig etwas postet, muss man ja auch mal etwas aufnehmen, sich wieder selbst erfinden und etwas dazu lernen. Wo beziehst du deinen Input her?
ELENA CARRIERE:
Ich höre sehr viele Podcasts, und ich habe mich dieses Jahr auch sehr intensiv mit Spiritualität beschäftigt, lese viele Bücher zum Thema Selbstfindung. Und es gibt ja auch immer mehr, was man streamen kann. Auf Youtube und in Podcasts schaue ich mir auch gern Vorträge an, in denen es um politisch-soziale Dinge geht. Und natürlich hole ich mir auch Input von meinen Eltern und von meinen Freunden. Wenn ich auf Reisen bin, schicken mir meine Eltern immer mal wieder Artikel, die sie selbst interessant finden. Zum Beispiel darüber, was gerade an den Grenzen Mexikos passiert. Oder aber auch mal Sachen über die neuesten Ernährungserkenntnisse – damit befasse ich mich sehr intensiv. Wenn es etwas ist, das mich stark interessiert, nehme ich mir dann zuhause die Zeit, mich tiefer in das Thema einzuarbeiten. Und ich baue es in meinen Content ein, wenn ich denke, das könnte auch die Leute da draußen interessieren oder man sollte sie darauf aufmerksam machen.
CHAPEAU: Politik ist im Mode-Business doch wohl eher ein untergeordnetes Thema, oder sprichst du mit Kolleginnen darüber?
ELENA CARRIERE:
Mit meinen Kolleginnen rede ich kaum über diese Themen. Eher mit meinen Eltern oder mit älteren Leuten um mich herum. Aber ab und zu bin ich auch positiv überrascht, wenn ich in der Branche auf Leute treffe, die sich ihre Meinung bilden und Position beziehen.
CHAPEAU: Also ist dieses Klischee, junge Leute interessieren sich nicht für Politik, falsch?
ELENA CARRIERE:
Es gibt auch Leute in anderen Generationen, die sich nicht dafür interessieren. Und es ist genauso falsch wie das Klischee, Models seien dumm. Das stimmt einfach nicht.
CHAPEAU: Trifft die Bezeichnung „Influencer“ auf dich zu?
ELENA CARRIERE:
Ich würde das nicht in meinen Lebenslauf schreiben – aber doch, mittlerweile schon. Der Begriff wird ja auch zunehmend ernst genommen.
CHAPEAU: Mittlerweile geben viele „Influencer“ als Berufswunsch an. Ist das ein Beruf mit Zukunft?
ELENA CARRIERE:
Bis vor ein paar Monaten wurde das Wort noch belächelt. Gerade von Generationen, die noch nichts damit zu tun hatten. Die dachten, das sei eine schnelllebige Plattform und es sei total absurd, wie viel Geld Menschen damit verdienen können. Aber das ist nun einmal so, und es verschwindet auch nicht so bald wieder. Mittlerweile hat wohl jeder mitbekommen, dass es wirklich ein ernstzunehmendes Feld ist, auf dem schon mehr Werbung geschaltet wird als im Fernsehen. Für teilweise höhere Summen. Hätte ich eine Tochter und die hätte mir vor ein paar Monaten gesagt, dass sie Influencerin werden will, hätte ich sie auf ein Internat geschickt und gesagt, sie solle sich etwas Richtiges suchen. Mittlerweile aber glaube ich, dass es gar nicht so sehr um Werbung und das Geld dahinter geht, sondern um Einfluss zu nehmen. Jeder von uns will „influencen“, auf bewusste oder auf unbewusste Art. Ich versuche es bewusst zu tun und finde es wichtig. Meiner Meinung nach sind wir noch zu wenige. Wenn ich mich mit drei, vier Kolleginnen zusammen tun würde, die viele Follower haben, hätten wir eine Reichweite von Millionen Menschen. Millionen Jugendliche, die uns als Vorbild sehen. Und wenn wir dann ein, zwei Mal die Woche oder im Monat auf Themen aufmerksam machen, die wir als wirklich wichtig empfinden, können wir unglaublich viel erreichen. Wenn wir etwa zu Spenden für eine gute Sache oder auf Aktionen gegen Plastikmüll hinweisen. So sehe ich die Zukunft dieser Plattform. Momentan geht es dort noch sehr viel um Geld und Werbung, aber ich glaube, das wird sich in den nächsten Jahren ändern.
CHAPEAU: Lassen sich Werbung und soziales Engagement miteinander verbinden?
ELENA CARRIERE:
Natürlich. Ich habe immer gesagt, Konsum ist nicht schlecht. Ich verdiene mein Geld damit und finde es auch nicht schlimm, wenn Leute dadurch ein gutes Leben haben. Man sollte aber auch etwas zurückzugeben. Das ist meine Art, wie ich versuche, den Erfolg ein bisschen auszugleichen. Auch für die eigene Moral.
CHAPEAU: Du hast bereits erste Schritte als Schauspielerin unternommen. Möchtest du das weiter verfolgen?
ELENA CARRIERE:
Ich weiß nicht, ob ich das als Leidenschaft oder als Hobby bezeichnen soll. So weit weg von dem, was ich sonst tue, ist das ja nicht. Ich will es weiter betreiben, denn ich würde mich später ärgern, wenn ich es nicht zumindest versucht hätte. Es ist besser, etwas auszuprobieren und dann vielleicht zu merken, dass es doch nicht passt, als es gar nicht gemacht zu haben.
CHAPEAU: Zuletzt hast du für einen Film mit dem Titel „Breakdown Forest“ vor der Kamera gestanden. Weißt du, wann der herauskommt?
ELENA CARRIERE:
Nein, das ist ein Independent Movie. Die haben vier Jahre gebraucht, um den Film überhaupt zu produzieren, und er ist noch im Schnitt. Deswegen wird es wohl noch etwas dauern, bis er herauskommt. Ich habe „Breakdown Forest“ meinem Vater zu Liebe gemacht. Der ist ein großer Fan von unabhängig produzierten Filmen und unterstützt viele davon, produziert auch selbst welche. Es hat gerade gepasst, dass wir zwei Tage zusammen mitspielen konnten, und das war ganz lustig.
CHAPEAU: War das die erste gemeinsame Arbeit mit deinem Vater Mathieu Carrière?
ELENA CARRIERE:
Nein, tatsächlich habe ich mit 14 Jahren schon einmal mit ihm einen österreichischen „Tatort“ gedreht und seine 17-jährige Tochter gespielt. Mit 14! Meine Stimme wurde gedoubelt, weil ich zu jung klang und keinen österreichischen Akzent habe. Die haben mir eine Frauenstimme mit österreichischem Dialekt verpasst – einem 14-jährigen, total überschminkten Mädchen. Es war furchtbar. Im Drehbuch hatte ich übersehen, dass ich in der letzten Szene noch Text hatte. Dann saß ich da, dachte, ich muss nichts sagen, und dann kommt plötzlich die Aufforderung: „So, dein Text!“ Das war schlimm, wie ein schlechter Traum! Ich war da an dem Punkt, dass ich nicht weiter machen wollte. Ich war noch viel zu jung und hatte keine Ahnung. Ich hatte in meinem Leben noch nie gearbeitet und gedacht, nur ein wenig auswendig lernen zu müssen – wie in der Schule. Aus heutiger Sicht war das schon eine witzige Erfahrung, aber ich würde es keinem 14-Jährigen empfehlen, ohne dass er etwas gelernt hat.
„ Jeder von uns will „influencen“, bewusst oder unbewusst. Ich finde wichtig, es bewusst zu tun.“
CHAPEAU: Berätst du dich mit deinem Vater über deine Karriere?
ELENA CARRIERE:
In einem bestimmten Alter will man ja nichts von seinen Eltern annehmen. Er hätte sagen können was er will, ich hätte genau das Gegenteil davon gemacht. Das Gleiche bei meiner Mutter. Aber irgendwann kam die Wertschätzung dafür, was
meine Eltern für mich getan haben. Ich bin sehr dankbar, dass das bei mir schon ein bisschen früher eingetroffen ist als bei vielen meiner Freunde. Egal was die Eltern machen, sie haben Erfahrung und lernen in ihrem Beruf jeden Tag etwas Neues dazu. Deswegen schätze ich ihre Ratschläge jetzt viel mehr als früher. Trotzdem fällt es mir schwer, etwas anzunehmen – gerade wenn es um Schauspielerei geht. Ich habe viele Filme von meinem Vater gesehen und halte ihn für einen grandiosen Schauspieler. Aber ich möchte meinen eigenen Weg gehen und versuchen, mich in der Branche selbst durchzusetzen. In anderen Bereichen, beim Modeln, bei Instagram und auch beim TV-Backstage läuft es besser, da ist er sehr interessiert. Bei Instagram beschäftige ich mich ja viel mit Ernährung, und wir tauschen uns aus. Er sagt, dass er da viel von mir lernt. Ich helfe ihm wiederum beim Text lernen, wenn er Theater spielt. Dabei lerne ich natürlich auch etwas.
CHAPEAU: Hast du 2011 die Dschungel-Show mit deinem Vater gesehen?
ELENA CARRIERE:
Ja, da war ich 14 und lebte noch in Italien. Die Sendungen habe ich tatsächlich jeden Abend verfolgt. Meine Mutter und ich hatten damals so einen alten dicken 21-Zoll-Fernseher und konnten deutsches Fernsehen empfangen. Wir haben uns ganz hinten in einem Zimmer hingesetzt und dazu Abendbrot gegessen. Ich wusste nicht, welchen Ruf das Dschungel-Camp in Deutschland hat. Ich fand es einfach witzig, Papa in einer Reality-Sendung im Dschungel zu sehen. Er musste irgendwelche Aufgaben erfüllen, und er hatte mir erklärt, das sei halt ein Abenteuer. Er hatte damals natürlich auch finanzielle Gründe, wegen der vielen Sorgerechtstreits, Anwaltsgeschichten und Gerichtskosten. Aber hauptsächlich verfolgte er ein Ziel: Er wollte jedes Land der Welt einmal erkunden. Das war für ihn die Möglichkeit, Australien auf eine abenteuerliche Art mitzunehmen. Es lässt sich ja darüber streiten, ob es für seinen Ruf gut oder schlecht war – aber ich fand es nie peinlich.
CHAPEAU: Würdest du da auch mal mitmachen?
ELENA CARRIERE:
Tatsächlich wurde ich nach „Germany’s next Topmodel“ schon mal angefragt, aber ich habe abgelehnt. Mathieu hat mir damals auch geraten, abzulehnen. Denn als er mitgemacht hat, war er schon sechzig, und ihm war immer schon relativ egal, was die Leute über ihn denken. Auch ich muss mich ein Stück weit von der Meinung anderer unabhängig machen. Das muss jeder tun, der in der Öffentlichkeit steht. Ich hatte vorhin ja schon gesagt, dass man nicht alle Menschen auf dieser Erde zufrieden stellen kann, egal wie sehr man es versucht. Mit zwanzig musste ich auf jeden Fall nein sagen. Das wäre sonst mein Karriere-Tod gewesen.
CHAPEAU: Um das durchzustehen, man muss schon gefestigt sein.
ELENA CARRIERE:
Ich glaube, so wie ich jetzt charakterlich und von meinem Weltbild her aufgestellt bin, könnte ich das. Auch ohne da ein größeres Drama hinzulegen. Ich habe ja schon aus einer Reality-TV-Show gelernt. Das heißt aber nicht, dass ich es tun will.
CHAPEAU: Einige Presseartikel haben versucht, offenherzige Fotos von dir zu skandalisieren. Wie stehst du dazu?
ELENA CARRIERE:
Diese Sachen bekomme ich meistens gar nicht mit. Auf einem Foto lag ich in einer Badewanne mit einem Badesalz in einem leuchtenden Pink. Ich fand dieses Pink furchtbar und habe daraus auf meinem Kanal ein rötliches Orange gemacht. Jeder, der schon einmal ein Bild bearbeitet hat, weiß, dass man Farben verändern kann. Aber sofort haben das 30.000 Leute rauf und runter kommentiert: „Blöd, wenn man seine Tage hat und in die Badewanne geht.“ Man wird wohl immer mal wieder ein Bild posten, über das sich ein Prozent der Menschheit aufregt. Weil es zu freizügig ist, oder weil du einen Plastikbecher in der Hand hast oder man im Hintergrund einen Zigarettenstummel auf dem Boden liegen sieht.
CHAPEAU: Macht dich das vorsichtiger?
ELENA CARRIERE:
Ja, in Hinsicht auf meine Vorbildfunktion. Ich würde kein Bild mit einer Zigarettenschachtel oder mit Alkohol posten, schon, weil ich das selbst nicht benutze. Aber dass ich mich im Bikini ablichten lasse, gehört zu meinem Job. Ich hoffe sogar darauf, dass ich irgendwann im Bikini auf einem Plakat zu sehen sein werde. Als Model und als öffentliche Person, als Schauspielerin muss man auf so etwas vorbereitet sein. Als Schauspielerin saß ich mal in Lingerie und einem kleinen Übermantel auf Tom Beck und musste mit ihm rumknutschen. Das gehört zum Beruf und berührt mich emotional nicht weiter. Solange ich nicht privat nackt im Bett abgelichtet werde…

Foto: Pino Petrillo
CHAPEAU: Wie stehst du zur #MeToo-Bewegung?
ELENA CARRIERE:
Als emanzipierte Frau befürworte ich die #MeToo-Bewegung und finde es toll, dass sie ins Leben gerufen wurde. Sie ist wichtig für Frauen, die wirklich belästigt wurden und jahrelang Angst hatten, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber jetzt kommen plötzlich viele und stellen einfach nur Geldforderungen, auch wenn es keine Belästigung war, sondern einvernehmlich. Sie machen damit vielleicht Leben, Familien, Karrieren kaputt.
CHAPEAU: Ist der bekannte Familienname deiner Karriere förderlich, oder siehst du ihn eher als Hindernis?
ELENA CARRIERE:
In den ersten zwei Jahren, als ich in die Öffentlichkeit getreten bin, fand ich es nicht so cool, dass viele Leute mich als die Tochter von…. abgestempelt haben. Vor allem in Amerika gibt es ja diesen Hype um Kinder von… Viele von denen haben ja tatsächlich Talent, sind tolle Musiker, Schauspieler, Models. Aber andere haben nichts gemacht und sind wegen ihrer Eltern trotzdem berühmt. Da wollte ich mich nie einreihen. Die Leute meiner Generation schätzen meine Arbeit nur meinetwegen. Sie kannten meinen Vater vielleicht gar nicht und lernen ihn lustigerweise jetzt durch mich kennen. Nicht aus dem Dschungel oder aus seinen alten Filmen. Sie sehen ihn in meinen Instagram-Storys oder in einem Interview und lernen ihn ganz neu kennen. Umgekehrt wissen viele Leute seiner Generation jetzt auch, was ich tue. Unsere größten gemeinsamen Fans sind Mütter zwischen 50 und 65. Das sind Frauen, die in ihrer Jugend für ihn geschwärmt und mich dann später bei „Germany’s next Topmodel“ gesehen haben.
„ Venedig würde ich gern noch meinen Kindern zeigen.“
CHAPEAU: Die Älteren kennen auch deine Tante Mareike noch…
ELENA CARRIERE:
Ja, ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihr, seit ich wieder in Deutschland lebte. Ich glaube, sie hatte ein paar schöne letzte Jahre. Sie ist ja noch bis zum Ende auf Castings gegangen, hat sich mit Perücken in Schale geworfen und hat auch noch eine Rolle bekommen, aber das war dann nicht mehr machbar. Sie hat trotz ihrer schweren Erkrankung das Beste aus der Zeit gemacht und ist positiver mit allem umgegangen, als es die meisten anderen tun würden.
CHAPEAU: Wie es für dich, aus Venedig nach Deutschland zurückzukommen?
ELENA CARRIERE:
Schockiert hat mich nur die Kälte. Die Winter in Venedig haben zehn Grad. Oder sieben Grad, wenn die Temperatur mal richtig runter geht. Dem gegenüber war Deutschland schon krass. 2012 war ein sehr kalter Winter, und damit kam ich zunächst gar nicht klar. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, und als echter Hamburger muss man das auch lieben lernen.
CHAPEAU: Wie alt warst du, als deine Mutter mit dir nach Venedig gegangen ist?
ELENA CARRIERE:
Vier oder fünf. Den Winter hier hatte ich gar nicht richtig mitbekommen, außer in Burrito- Klamotten eingewickelt. Aber die Rückkehr war gar nicht schlimm. Venedig ist ein Dorf, ein schickes Highlight, architektonisch wunderschön, aber halt ein Dorf. Es war Zeit, dort herauszukommen. Ab fünfzehn aufwärts hast du da nichts mehr zu tun. Es sei denn, du wohnst seit Generationen in dieser Stadt, hast da deine komplette Familie, übernimmst vielleicht irgendeinen Laden von deinem Vater oder deiner Mutter. Das war bei uns nicht der Fall. Meine Mutter hat sich von ihrem Mann scheiden lassen, als ich fünfzehn war, deswegen sind wir zurückgekommen. Das war das Beste, was mir damals passieren konnte. Ich liebe Venedig immer noch und verbringe dort gern ein paar Tage Urlaub, aber man kann da nicht wirklich viel machen. Ich habe wahrscheinlich schon mehr erlebt als die Jugendlichen in Venedig in drei Lebzeiten. Dort kommt alles relativ spät an – Mode, Musik. Nur Kunst nicht. Für die Biennale gehe ich auch gerne zurück. Und das Venedig-Filmfestival steht für dieses Jahr auf dem Plan. Ich habe noch nicht in Venedig gearbeitet, das wäre für mich mal ein richtiges Highlight.
CHAPEAU: Es soll sich dort viel verändert haben. Hast du davon etwas mitbekommen?
ELENA CARRIERE:
Ja, in den zehn Jahren, die ich dort gelebt habe, habe ich schon einen Wandel bemerkt. Auf dem Schulweg haben wir uns in kleinen Läden immer ein Pausenbrot oder einen kleinen Snack geholt, und es gab es diese venezianischen Murano-Glas-Läden. Diese familiären Läden sind nach und nach verschwunden und wurden zu chinesischen Taschenshops. Venedig lebt vom Tourismus. Die Leute dort hassen ihn, aber sie müssen ihn akzeptieren. Auch die großen Frachter, die da reinfahren, passen so gar nicht in das Bild vom alten Venedig.
CHAPEAU: Mit „Frachter“ meinst du…
ELENA CARRIERE:
…die Kreuzfahrtschiffe. Menschentransporter, nenne ich sie. Wir haben damals viele Petitionen unterschrieben, dass die nicht mehr reinfahren dürfen. Die starken Wellen brechen langsam die alten Häuserfassaden auf. Wenn das noch paar Jahrzehnte so weiter geht, wird aus Venedig bald ein Atlantis. Dabei würde ich die Stadt gern noch meinen Kindern zeigen. Ich werde ja auch nicht schon morgen Kinder bekommen, schließlich habe ich noch eine Karriere zu stemmen.
CHAPEAU: Ist die Arbeits-Atmosphäre an einem Filmset anders als in der Modebranche?
ELENA CARRIERE:
Es ist komplett anders. Ein Filmset erinnert mich immer an meine Kindheit. Ich mag die Atmosphäre richtig gern. Meine Mutter ist ja zuerst nach Italien gegangen, weil sie da einen Film gedreht hat. Sie hat mich immer an den Set mitgenommen. Das war so schön, weil die Leute drei, vier Monate am Stück miteinander arbeiten. Die Leute vom Catering begrüßen dich jeden Morgen und wissen schon, wie du deinen Kaffee nimmst. Und in der Maske habe ich mich ab und zu schminken lassen. In den Sommerferien war es meine Lieblingsbeschäftigung, mit an den Set zu gehen. Auch mein Papa hat mich an Filmsets mitgenommen. Und wenn ich jetzt zehn Jahre später selbst mittendrin stehe, mich schminken lasse und an den Set muss – „Bitte Ruhe!“ – und dann geht’s los, das ist schon schön. Alle sind so vertraut miteinander. Dann verbringt man noch den Abend zusammen, geht etwas essen und ist wirklich eine kleine Familie. In der Mode ist das schon deshalb anders, weil man tageweise arbeitet. Beim klassischen Pariser Modeln wirst du morgens eingeflogen, triffst hoffentlich ein paar nette Menschen, und abends wirst du wieder ausgeflogen. Wenn du Glück hast, siehst du die Netten vielleicht noch ein oder zwei Mal wieder. Aber es ist nicht dasselbe Gefühl. Und jetzt hier in Deutschland als Influencerin zu arbeiten, ist noch einmal ganz anders als beim Film oder als Model. Es sind komplett unterschiedliche Situationen, und gerade das gefällt mir.
CHAPEAU: Hast du darunter gelitten, dass du als Trennungskind hin und her reisen musstest?
ELENA CARRIERE:
Ich fand das ganz cool. Mein Vater war in der Erziehung komplett anders als meine Mutter. Ich habe die Vorteile von beiden Leben genossen und nie verstanden, warum die Eltern von meinen Mitschülern auch dann zusammen blieben, wenn die Ehe nicht gut lief. Italien ist ein katholisches Land, und da trennt man sich nicht, wenn man kirchlich geheiratet hat. Meine Eltern waren nie verheiratet, außerdem ist es in Deutschland gang und gäbe, dass man sich trennt. Ich wusste jedenfalls nicht, warum es für Kinder so schlimm sein sollte, wenn sich die Eltern getrennt haben. Ich dachte mir, ist doch nice! Du hast zwei Wohnungen, zwei Kinderzimmer, und wenn es bei den Eltern irgendwie okay läuft, kannst du an Weihnachten die doppelten Geschenke abholen. Keine Ahnung, wie man das als Sieben- oder Achtjährige empfindet, mit vier oder fünf jedenfalls hatte ich schon das Gefühl, dass ich ein absolutes Liebeskind bin. Dass meine Eltern eine Zeitlang gut zusammengepasst haben und ich sehr froh bin, dass ich definitiv aus Liebe entstanden bin. Aber die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, und es würde zwischen ihnen auch nicht mehr funktionieren.
CHAPEAU: Verstehen sie sich mittlerweile wieder?
ELENA CARRIERE:
Ja, das ist jetzt gut. Wir haben vorletztes Jahr zu dritt Weihnachten zusammen gefeiert, das war sehr schön. Beide haben ja auch schon seit Jahren einen Partner.
„ Es fällt mir schwer, Ratschläge von meinem Vater anzunehmen.“
CHAPEAU: Du warst vier Jahre alt, als sie sich getrennt haben?
ELENA CARRIERE:
An ein paar Streitereien erinnere ich mich noch, aber das Meiste aus der Zeit habe ich wohl verdrängt. Ich war einfach froh, als es vorbei war. Mit fünfzehn konnte ich dann frei wählen, zu wem von beiden ich gegangen bin, und ich habe das nach meiner jeweiligen Stimmung entschieden. Bei meiner Mutter war ich eher, wenn ich mich konzentrieren und lernen wollte, ein bisschen Ruhe brauchte oder wenn ich krank war. Die Zweisamkeit mit Mama war die gemütliche Schiene. Mein Dad hat damals in einer WG in Hamburg gewohnt. Da kamen Freunde, man aß abends zusammen, feierte Partys, blieb vielleicht über Nacht. Das alles hat mein Leben sehr abwechslungsreich gemacht und ist vielleicht ein Grund, warum ich nicht den normalen Lebensweg mit Ausbildung oder Studium eingeschlagen habe. Ich glaube, meine Mutter findet das noch nicht so super, aber das kommt vielleicht noch. Irgendwann mache ich vielleicht noch ein Fernstudium. Ich hatte bislang nie ein geregeltes Leben, habe den Sommer in der Toskana verbracht oder war mit meinem Vater in Portugal. Ich war nie für lange Zeit an einem Ort, und das hat sich in meinem Charakter verankert.
CHAPEAU: Spürst du innere Unruhe, wenn du eine gewisse Zeit zuhause sitzt?
ELENA CARRIERE:
Ja, ich bekomme tatsächlich krasses Fernweh. Ich bin gern länger hier, wenn ich zum Beispiel mal krank bin oder vorher sehr lange unterwegs war; oder wenn ich mit meinen Freunden zu irgendwelchen Festivals hier in Deutschland fahren möchte. Aber wenn ich nichts zu tun habe und einfach so in meiner Wohnung sitze, dann muss ich mal wieder weg, mir neue Inspirationen holen. Für neuen Content, für eigene Projekte oder vielleicht nur für die Einrichtung meiner Wohnung. Dafür muss ich spontan sein können, vielleicht schnell ein Foto machen. Gerade in dem Moment.

Foto: Pino Petrillo
„ „Influencer“ ist ein ernstzunehmendes Feld, auf dem schon mehr Werbung geschaltet wird als im Fernsehen.“
CHAPEAU: Was sind denn deine nächsten Projekte?
ELENA CARRIERE:
Zu Anfang des Jahres werde ich an meinem Pariser Modelbuch arbeiten, dazu für ein paar Wochen ins Ausland gehen und das klassische Modelleben führen. Also in einem Modelapartment wohnen und Fotos für Magazine shooten. Und dann hoffentlich noch die TV-Laufbahn weiter anschieben. Ich will mich noch mehr mit Moderation beschäftigen, dazu will ich jetzt aber noch nichts verraten. Ja, und ich mache auf jeden Fall den Führerschein, das ist wichtig. Außerdem stehen noch viele Reiseziele auf dem Programm. Irgendwohin, wo es warm ist!