
Im Gespräch Fassaden made in Edewecht
Fassaden made in Edewecht
Interview mit Heinz Haskamp und Mathias Krause-Haskamp
Mathias Krause-Haskamp hat von Schwiegervater Heinz Haskamp ein florierendes Unternehmen übernommen. Im Gespräch mit beiden wird deutlich, welche Perspektiven es hat.
CHAPEAU ― Herr Haskamp, als sie vor 40 Jahren Ihr Unternehmen gründeten, war es ein Zweimannbetrieb. War Ihnen damals schon klar, dass Sie besser sein würden als andere? Haben Sie den Erfolg vorausgesehen?
Heinz Haskamp ― Wir waren zunächst sicher der klassische Handwerksbetrieb. Aber ich wusste von Anfang an, was ich wollte und wie ich es wollte. Als Betriebsleiter bei einem ähnlichen Unternehmen habe ich Erfahrung sammeln können. Darum war mir bewusst, „anders“ sein zu müssen. Allein schon, um mich vom Wettbewerb abzugrenzen. Ich suchte gleich den engen Kontakt zu Architekturbüros, um zu verdeutlichen, dass ich auch für nicht alltägliche Aufgaben zur Verfügung stehe und das nötige Fachwissen mitbringe.
Sie sind kein Bauunternehmen im herkömmlichen Sinn, sondern auf Fassadenbau spezialisiert. Was bedeutet das genau?
Im Grunde kennt jeder Fassadenbau: Industriehallen werden mit Wellblech verkleidet, das gemauerte Eigenheim wird verklinkert. Wir gehören zu einer besonderen Art, weil wir uns auf Hochhäuser und repräsentative Gebäude spezialisiert haben. Nicht unbedingt Industrie-, sondern Bürogebäude, meist mit gewerblicher, oft auch mit gemischter Nutzung. Fassaden bestehen in der Regel aus Aluminium und Glas sowie Wärmedämmung. Sie sind der sichtbare Teil eines Hauses. Wenn wir kommen, finden wir ein Skelett vor. Betonstützen, Deckenscheiben. Die Fassade hängen wir davor. Das ist gar nicht so einfach. Der Vorgang ist komplex, durchdacht und aufwändig geplant und realisiert. Man muss wissen, dass sich Hochhäuser bewegen und beweglich sein müssen – sowohl bei Windeinwirkung und Vibrationen als auch bei Erdstößen. Das muss eine Fassade aufnehmen können, ohne zu reißen oder partiell abzufallen.
Der Hochhausbrand in London im Juni letzten Jahres wurde durch Brandlasten in der Fassade begünstigt. Haben Sie auch mit derartigen Themen zu tun?
Natürlich. Wir achten in Deutschland zum Glück wahnsinnig viel auf Brandschutz. Eine Brandlast wie die von London ist in Deutschland gar nicht zulässig. Natürlich gibt es Probleme mit altem Bestand, aber sie sind erkannt und werden aus der Welt geschafft. Wir arbeiten hier ausschließlich mit schwer entflammbarem, also quasi nicht brennbarem Material. Ein sogenannter Brandüberschlag von einer Etage auf die andere über die Fassade ist im Grunde ausgeschlossen.
Sie haben eine Erfolgsgeschichte geschrieben, Ihre jüngste Referenz ist das NATO-Hauptquartier in Brüssel. Gibt es Momente, in denen Sie sich heute gelegentlich selbst auf die Schulter klopfen?
[lacht] Mir auf die Schulter zu klopfen liegt mir wirklich nicht so. Das Meiste hat sich einfach ergeben. Ich habe meine Arbeit immer gern gemacht und mich gut mit ihr identifizieren können. Das allein sorgt schon für einen gewissen Erfolg. In den ersten Jahren hatten wir ständig Zuwachsraten von knapp 100 Prozent und kamen wegen der großen Nachfrage schnell auf über 100 Mitarbeiter. Auf der anderen Seite gab es gewaltige technische und handwerkliche Entwicklungen. Unser bisher größtes Projekt – das NATO-Hauptquartier in Brüssel mit einem wirklich unvorstellbar gewaltigen Bauvolumen – haben wir natürlich nicht allein gestemmt. Wir waren in einem Firmen-Pool für die technische Planung zuständig. Dazu gehörten sogar Sprengversuche. Wir mussten herausfinden, wie lange die Fassade welcher Art Sprengung und welcher Art Beschuss standhält. Eine echte Herausforderung.

Stellen Sie die Bestandteile der Fassaden nach den jeweiligen Anforderungen wie internationale Bauvorschriften und Brandschutzregelwerken auch selbst her? Oder konfektionieren Sie diese, lassen sich zuliefern?
Nein, wir stellen hier alles selbst her. Das wird zwar unter anderem in Deutschland zunehmend seltener, wir behalten es aber bei. Natürlich haben wir Zulieferer für bestimmte Teile, speziell für Kleinteile. Aber in Edewecht entsteht das, was als fertige Fassade hinaus in die Welt geht.
Übernehmen Ihre Leute auch die Endmontage?
Dabei arbeiten wir seit Jahren mit erfahrenen Fremdfirmen zusammen. Die wissen genau, was wir wollen und wie sich das umsetzen lässt. Inzwischen kennen wir uns alle recht gut. Die Bauleitung vor Ort bleibt selbstverständlich in unserer Hand. Zudem sind Monteure von uns ebenso dabei wie unsere Logistiker, die den gesamten Warenfluss von der Fabrik in Edewecht bis zur Baustelle planen und sicherstellen.
An welcher Stelle setzen Sie eigentlich an? Bedienen Sie eine fertige Ausschreibung? Werden Sie bereits in der Planungsphase gehört und können Sie Einwände geltend machen etwa wegen technischer Grenzen oder Sicherheitsbedenken?
Das ist vollkommen unterschiedlich. Es gibt einfache Geschichten, bei denen die komplette Ausarbeitung der Idee anhand von Leit-Details und Skizzen vom Architekten umgesetzt wurde. Dann tragen wir nur noch die Preise ein. Vielfach ist es aber so, dass man uns bereits fragt, wenn ein Bauherr die Idee hat, mit einem Architekten zu bauen. Dann heißt es: Das will ich bauen, so soll es aussehen und diesen Betrag darf es maximal kosten – was sagt ihr? Das führt dazu, dass wir immer wieder Objekte planen, von denen wir wissen, dass sie erst in vier, fünf Jahren ausgeführt werden. Das können Sie dann Beratung oder Vorplanung nennen.
Herr Haskamp, Sie ziehen sich aus dem Geschäft zurück und übergeben es Ihrem Schwiegersohn, Mathias Haskamp-Krause.
Das war ein langwieriger Prozess, der inzwischen abgeschlossen ist. Vor 15 Jahren haben wir damit begonnen – freiwillig, gern und sehr sorgfältig. Mein Schwiegersohn ist schon viele Jahre dabei. In dieser Zeit hat er nicht nur in allen Abteilungen gearbeitet, sondern nebenbei studiert und sein Studium erfolgreich absolviert. Vor rund zehn Jahren fingen wir an, die zur Übergabe führenden Beschlüsse konsequent umzusetzen. Im letzten Jahr haben wir die Übergabe abgeschlossen, sodass ich meine Freizeit im Augenblick vorwiegend im Unternehmen verbringe. [lacht]
Dann sind Sie heute nur wegen des Interviews hier?
[lacht] Nein, ich mache ja auch noch gewisse Dinge, die mir besonders liegen und Spaß machen. Eigentlich bin ich täglich und viel hier, aber bei weitem nicht mit der Konsequenz wie noch vor Jahren. Solange man mich nicht wegjagt, bleibe ich auch.
Herr Krause-Haskamp: Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge im Unternehmen?
Ich hatte bei meinem Einstieg eine abgeschlossene Ausbildung zum Indust- riekaufmann hinter mir. Da ich damals schon lange mit meiner jetzigen Frau befreundet war, stand früh die Frage im Raum: Wie geht es mit mir und wie später mit dem Unternehmen weiter? Die Frage der Nachfolgeregelung war naheliegend und wichtig. Wir haben überlegt und entschieden, dass wir es fortführen wollen, und haben den Übergang gewissenhaft vorbereitet. So sind wir Stück für Stück erst ins Unternehmen und dann in dessen Führung hineingewachsen.
Und ist alles so gekommen, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Ich will es so sagen: Als meine Frau und ich die Entscheidung trafen, haben wir es uns nicht so ausgemalt, wie es sich dann in der Realität darstellte. Aber ich mache das alles ja nicht alleine, sondern habe ein tolles Team an meiner Seite. Dazu kommt ein sehr gutes, gewachsenes Verhältnis zu meinem Schwiegervater. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, allein vor dieser gewaltigen Aufgabe zu stehen. Es gab ein gemeinsames Ziel. Und das haben wir zusammen verfolgt.
Sie kommen aus Edewecht, sind unternehmerisch aber in der ganzen Welt vertreten. Was macht das mit Ihnen, wie haben Sie sich verändert?
Edewecht war und ist mein Zuhause. Natürlich habe ich mich verändert. Es heißt ja nicht umsonst, man wachse mit seinen Aufgaben. Aber ich denke, dass ich bodenständig geblieben bin, realistisch und verlässlich. Schauen Sie: In der Haskamp-Gruppe haben wir nicht nur diese Unternehmung, über die wir bisher besprochen haben, sondern auch zwei Unternehmen, die deutlich kleiner sind und deutlich kleinere Projekte bewegen. Auch sie müssen mit der gleichen Sorgfalt und Umsicht geplant und realisiert werden. Da ist nicht Brüssel die Nummer eins und irgendwo ganz hinten kommt dann das Objekt in Edewecht. Unser Anspruch an unsere Arbeit ist immer der gleiche.
Was lief beim Bau des NATO-Hauptquartiers in Brüssel besser als bei Bauprojekten in Deutschland, deren Kostenpläne regelmäßig explodieren? Hat alles geklappt, weil Sie beteiligt waren?
[lacht] Es kann auch daran gelegen haben. Wir planen immer sehr pragmatisch, leicht ausführbar – und damit günstig. Wir sind in jeder Beziehung auf dem Teppich geblieben. Je mehr Leute beteiligt und je bedeutender sie sind, desto großartiger werden Planung und Kostenrahmen. Das Ergebnis, so unsere Erfahrung, wird nicht unbedingt besser, in der Regel aber teurer. Im Ernst: Beim Flughafen Berlin hätten auch wir uns in die geplanten Abläufe einfügen müssen – und wären weder schneller noch der Beitragende zum pünktlichen Übergabetermin gewesen.
Erkennen Sie bereits bei der Auswahl von Projekten, welche gut und welche weniger gut für Ihr Unternehmen und seine Mitarbeiter sind?
Es gibt Indikatoren, die ich ziemlich sicher erkennen und bewerten kann. Dar- aus ziehe ich meine Schlüsse. Aber das ist keine Garantie, dass im Laufe der Realisation alles in die richtige Richtung geht. Ich habe das eine wie das andere schon erlebt. Das führt dazu, dass wir heute selektiv am Markt arbeiten. Wir schauen uns das gesamte Umfeld an und analysieren, wie solide die beteiligten Partner sind und ob echtes Interesse am Bauen besteht. Letzteres ist nicht immer gegeben und die Arbeit mit rein finanziell orientierten Auftraggebern macht oft wenig Freude. Ich sehe genau hin, mit wem ich was mache.
Ihr Geschäft ist komplexer geworden. Können Sie es noch so führen, wie es Ihr Schwiegervater vor 40 Jahren begonnen hat? Mit Leidenschaft, Respekt, Können, Erfahrung? Oder sind Sie auf Analysten und andere Berater angewiesen?
Nein, definitiv nicht. Ich brauche keine Berater und kann das Geschäft so führen, wie es immer geführt wurde. Mein Schwiegervater ist damit groß geworden, dass er auf sein Bauchgefühl gehört hat. Das ist auch bei mir stark ausgeprägt. Aber damals wie heute haben wir uns aller Informationen bedient, derer wir habhaft werden konnten und die uns dienlich erschienen. Das war vielleicht früher mehr Hörensagen, heute geht es um onlinebasiertes Wissen. Ich bin überzeugt, dass wir uns ausschließlich darauf konzentrieren sollten, was wir besonders gut können. Das haben wir immer gemacht, machen es weiterhin und haben Erfolg. Ganz einfach.


Wie läuft bei Ihnen die Auftragsakquise? Ist das Chefsache?
Wir haben tatsächlich keine große Vertriebsabteilung. Wir müssen aber auch nicht Klinken putzen, weil wir eine Ingenieurs-Dienstleistung anbieten und verkaufen. Das erfordert lange Beratungszeiträume und viele Gespräche, die eine starke Kundenbindung erzeugen. Unsere kleine Vertriebsmannschaft wird sicherlich auch von mir gesteuert, arbeitet aber sehr selbstständig und erfolgreich. Bei bestimmten Schlüsselkunden ist unverändert mein Schwiegervater mit dabei. Entscheidungen werden gemeinsam im Team getroffen und selbstverständlich auch von allen getragen. Im Guten wie im Schlechten.
Das klingt geradezu paradiesisch …
Ja, vielleicht. Aber glauben Sie mir: Auch bei uns gibt es Spannungen, Diskussionen, abweichende Meinungen, Streit. Wie im richtigen Leben. Ich bin jedoch der Meinung, dass aus reiner Harmonie keine Spannung und damit keine Energie, kein Fortschritt, kein Erfolg erzeugt werden kann. Es muss etwas in der Luft liegen, jeder muss einen gewissen Druck verspüren – den nicht ich erzeuge. Wir alle hier wollen das Beste erreichen und daran arbeiten wir hart, Tag für Tag.