Kunst (Design) Fokus: Kunst mit Tim Lorenz
Fokus: Kunst mit Tim Lorenz
Interview mit Tim Lorenz
CHAPEAU: Du hast einen tollen Internet-Auftritt! Ich sah nur wenige deiner Arbeiten, aber die sind sehr beeindruckend. Dieses Speisezimmer in New York … Hast du es sozusagen geschafft? Kannst du von deinen Arbeiten leben?
Tim Lorenz: Mittlerweile schon. Die zusätzliche Kollektion in New York war für mich unheimlich gut. Ich konnte viel verkaufen, zumal ich mich von Anfang an selbst vermarktet habe. Nun kann ich viel arbeiten, viel verkaufen und mich total auf Kunst fokussieren. Und, ja: davon leben.
Zwar scheint alle Welt Kunst zu sammeln, ständig fallen auf den internationalen Auktionen Rekorde, aber die Konkurrenz ist auch groß, sowohl im Bereich der zeitgenössischen als auch bei der Kunst der vergangenen Jahrhunderte. Was hat dir dennoch Mut gemacht, es zu versuchen – mit dem unterstellten Ziel, erfolgreich zu sein?
Einmal mag ich das, was ich tue. Nun ist aber die Frage: Warum mache ich Kunst? Es ist in der Tat noch nie so viel Kunst verkauft und gekauft worden. Die ganze Kunstszene war noch nie so groß, aber auch noch nie so aufgeblasen. Das ist aber ein anderes Thema …
Musst du deine Arbeiten oft erklären?
Bei den abstrakten Bildern kommt es schon häufiger vor. Da gehen die Kommentare auch von bis, aber das kann ich bis zur Diskussion der einzelnen Strukturen oder der Farbverläufe. Doch zu erklären ist immer schwierig. Es kommt natürlich darauf an, wem man was erklärt. Umso schöner ist es, wenn daraus dann etwas entsteht, aber grundsätzlich möchte ich es eigentlich nicht.
Schleuse 2, 2017, acrylic on canvas, 70x90cm
Weil es dich nervt?
Es kommt auf die Fragen an. Manche sind mir einfach egal, andere helfen mir selbst, für das eigene Werk, und wieder andere nerven auch.
Wo lebst du?
Ich lebe die meiste Zeit hier in Oldenburg, in einem Wohnatelier in der Kaiserstraße. Und dann bin ich aber auch hier und da: eine Woche bei Freunden in Bremen oder in Hannover. Immer dort, wo ich Plätze habe, an denen ich malen kann, wo ich gemeinsam mit anderen Ateliers teile.
Also so, wie ich mir Künstlerleben vorstelle … eher unkonventionell …
Wie genau stellst du es dir denn vor, dieses Unkonventionelle? Wie ein romantisches Klischee? Früher war es tatsächlich ein bisschen so; da habe ich in der Nacht angefangen zu malen … bis morgens. Mittlerweile versuche ich (lacht), ziemlich diszipliniert zu sein, also spätestens um zehn Uhr anzufangen, so dass ich gegen Mittag guter Stimmung bin. Ich brauche ein bisschen Vorlauf, um dann etwas zu schaffen.
Viele Künstler – Maler, Bildhauer, Komponisten, Sänger, Schriftsteller – waren am besten unter dem Einfluss von Alkohol oder Schlimmerem. Verstehst du das, oder geht es dir vielleicht genauso?
Da hat ja der eine oder andere in der Jugend so seine Erfahrungen gemacht … Ich will mich da nicht unbedingt ausschließen, aber mit über 30 bin ich darüber weg. Zu einem Bier oder einem Wein sage ich nicht nein, aber alles andere brauche ich nicht, um gut arbeiten zu können.
SanRom (triptych), 2017, acrylic on canvas, 160x210cm (each) SOLD
Streifen, 2017, acrylic on canvas, 70x90cm
In vielen Arbeiten stecken Lebenserfahrungen, Freude, Trauer, Verletzungen, Abwehr. Woher nimmst du als junger Mensch diese Lebenserfahrung? Oder anders gefragt: Wenn nicht deine Lebenserfahrungen - was füllt dann deine Arbeiten?
Ich hatte in jungen Jahren ziemlich prägende Erlebnisse. Das sind zwar keine Sachen, die ich heute noch verarbeiten muss, die sich aber sicherlich auf meine Arbeit auswirken. Meine Mutter ist verstorben, als ich 13 war. Danach bin ich bei meinen Großeltern aufgewachsen, und ihre Erziehung stammte aus einer ganz anderen Zeit, von einer ganz anderen Generation, so dass richtig was aufeinandergetroffen ist. Da ich ein Einzelkind bin, habe ich mir meine eigene Welt gebaut. Ich habe einen etwas verqueren Lebensweg, aber einen schönen.
Kaufst du selbst auch Kunst? Von Kolleginnen und Kollegen?
Ich habe schon Sachen gekauft. Und auch geschenkt bekommen, was natürlich immer toll ist! Die Werke stammen nicht unbedingt von Künstlern, die „man“ kennt, aber die man vielleicht irgendwann einmal kennt.
Interessiert dich auch Kunst der vergangenen Jahrhunderte? Ich fange jetzt mal ganz blöd bei Picasso oder Dalí an …
Auf jeden Fall! Wer sich mit Kunst beschäftigt oder Kunst macht, der MUSS sich mit Kunstgeschichte und auch Zeitgeschichte auseinandersetzen. Das habe ich selbst erst relativ spät begriffen, aber es ist unheimlich wichtig. Ich habe selbst gerade von meiner eigenen Vergangenheit gesprochen, aber ich zehre auch von der „großen Vergangenheit“. So kommt alles zusammen …
Beneidest du Damien Hirst, Jeff Koons und Gerhard Richter? Um die riesigen Summen, die sie für ihre Bilder bekommen?
(lacht) Das sind für mich gar keine greifbaren Summen mehr. Wenn wir über Damien Hirst sprechen, sprechen wir ja schon über Industrie. Ich habe von sechs Ateliers mit 400 Assistenten weltweit gehört. Das ist ja Wahnsinn! Jemand wie Richter oder auch Baselitz ist mir da schon näher. Und sympathischer. Die machen ihr Ding und gehen nicht so „nach dem Markt“, was ich Hirst vielleicht eher nachsagen würde …
Bogotá, 2016, acrylic on canvas, 70x90cm
Study (overpainted), 2017, acrylic on canvas, 70x70cm
Was haben Künstler für Ziele? Genauer: Was ist dein Ziel?
Das kann ich gar nicht genau sagen… Ich glaube, Künstler stellen gerne Fragen beziehungsweise werfen gerne Fragen in den Raum, ohne die Absicht, die auch zu beantworten. Kunst kann die Visualisierung einer Fragestellung sein.
Wirst du gesammelt?
Gekauft werden meine Arbeiten, insofern werden sie auch gesammelt. Einige Käufer kommen immer wieder. Ich bin natürlich total gespannt, was noch aus den USA kommt. Wenn größere Unternehmen erst einmal anfangen, Kunst zu kaufen, dann wird es interessant … Von meiner Agentin weiß ich, dass Künstler, die sie vertritt, inzwischen dort auch gesammelt werden. Aber wer weiß schon, wo die Reise hingeht?
Welche Galerien vertreten dich?
Derzeit keine. Ich habe meine Agentin, die macht Art-Consulting, ist Art-Advisor, aber eine Galerie gibt es nicht.
Wie sieht dein Alltag aus?
Ziemlich abwechslungsreich. Ich kann arbeiten, wann ich will – was Fluch und Segen zugleich ist. Daher gibt es Phasen von ein, zwei Monaten, in denen ich jeden Tag im Atelier bin und mache, mache, mache. Und dann gibt es wieder Phasen, in denen ich nur gut esse, mit Freunden in der Sonne sitze – Zeiten, die ich aber auch für die Arbeit brauche. Bei gutem Wetter bin ich übrigens ungern im Atelier …
Was kosten deine Arbeiten? Wie ermittelst du deine Verkaufspreise?
(etwas zögerlich) Mhmm… Das geht los im mittleren vierstelligen Bereich und bis zum … Das waren 20.000 Dollar für eine größere Arbeit.
Respekt! Weiterhin alles Gute auf diesem spannenden Weg! Vor allem in die Sammlungen der Amerikaner …