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Interview mit Frank Thelen

Zeit ist knapp für Frank Thelen. Der viel beschäftigte Unternehmer und prominente Investor aus der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ beschäftigt sich intensiv mit zukunftsorientierten Projekten, und auf seine Expertise hört auch die Politik. Beim CHAPEAU-Interview im Hamburger Hotel Tortue schildert der Förderer vieler Start-ups, warum technologische Innovationen für uns alle eine existentielle Bedeutung haben.

Fotos: Pino Petrillo

Info – Der Unternehmer und Buchautor Frank Thelen ist 1975 in Bonn geboren und aus der TV-Reihe „Die Höhle der Löwen“ des Senders VOX als Investor von Startup-Unternehmen bekannt. Er ist Geschäftsführer der Risikokapitalgesellschaft „Freigeist Kapital GmbH“ und finanziert vorrangig junge Unternehmen aus der Technologiebranche. Bis April 2017 war er Mitglied der CDU, und für die FDP vertrat er den nordrhein-westfälischen Landtag bei der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten. Zusammen mit Staatsministerin Dorothee Bär, Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, gründete er das Innovation Center der Bundesregierung für Digitalisierung.

CHAPEAU: Wie fühlt es sich für den Unternehmer Frank Thelen an, ein Fernsehstar zu sein?

FRANK THELEN:
Das sind zwei ganz unterschiedliche Welten. Früher habe ich im kleinen Kämmerlein meine Geschäfte betrieben, und jetzt werde ich in der TV-Welt mit Pressekonferenzen und Roten Teppichen konfrontiert. Das ist für mich eine neue, faszinierende und auch lustige Welt, aber keine, in der ich mich wohl fühle. Es macht mir Spaß, mit meiner Frau mal auf schöne Partys mit interessanten Menschen zu gehen, aber ich habe überhaupt keine Ambitionen, Fernsehstar zu sein.

„Wenn wir es nicht schaffen, ein oder zwei Technologie-Champions in Europa zu etablieren, werden die Chinesen und Amerikaner mit uns Rock’n’Roll spielen.“

CHAPEAU: Das Fernsehen hat dir aber auch einen enormen Popularitätsschub beschert. Wie wirkt der sich auf das Business aus?

FRANK THELEN:
Bekanntheit lässt sich sehr gut nutzen und macht die Dinge einfacher. Wenn ein Gründer Geld für sein Unternehmen benötigt, kommt er eher zu mir, weil er mich kennt und weiß, was ich mache und dass ich kein Betrüger bin. Ich kann auch bei Otto direkt zum Vorstand gehen und sagen, ich habe hier diese Produkte – wollen wir die gemeinsam vermarkten?

CHAPEAU: Du investierst vorrangig in Start-ups aus der Technik- und Technologiebranche. Wie bleibst du da ständig auf dem neuesten Stand?

FRANK THELEN:
Ich und unser Team gehören zu den wenigen Investoren in Europa, die diese Technologien wirklich verstehen. Wir schauen uns an, wie das Flugzeug konstruiert ist, wie die Batterie aufgebaut ist. Wir gehen tief in die Themen rein und treffen dann die Entscheidungen über Investments. Technologie ist unsere Kompetenz, sie ist mein Leben. Davon haben wir wirklich Ahnung.

CHAPEAU: Wie groß ist deine Firma „Freigeist Kapital“?

FRANK THELEN:
Sehr klein. Wir sind zehn Mitarbeiter. Eine Firma mit vielen Mitarbeitern erfordert ein ganz eigenes Management. Da tauchen ständig Probleme auf bis hin zu der Frage, wie machen wir die Weihnachtsfeier? Für mich war es immer schwierig, große Unternehmen aufzubauen, denn eigentlich will ich mich nur auf das Produkt und die Technologie konzentrieren. Heute hab ich zehn Mitarbeiter, auf die ich mich blind verlassen kann. Die meisten sind am Unternehmen beteiligt, also Partner. Die haben alle etwas davon, wenn der Laden funktioniert.

CHAPEAU: Sprichst du mit deinen Partnern auch die Projekte ab, die du aus der Sendung mitbringst?

FRANK THELEN:
Nein, das kann ich im Fernsehen ja nicht. Aber ich genieße das Vertrauen meiner Partner, dass ich nur Ideen annehme, die nach meinem bestmöglichen Dafürhalten funktionieren können. Bei allen anderen Deals stimmen wir uns in der Firma sehr gründlich ab.

CHAPEAU: Sind das dann kurzfristige Anschubhilfen für die Start-ups, oder bleibt ihr auch länger dabei?

FRANK THELEN:
In einige Unternehmen haben wir über zehn Jahre lang investiert. Andere haben wir nach drei Jahren verkauft, wenn es der Gründer wollte. Generell sind wir zwischen sieben und zwölf Jahren engagiert.

CHAPEAU: Betrifft das mehrjährige Investment auch Projekte aus der „Höhle der Löwen“? Fernsehen lebt ja vom Augenblick. Setzt man da nicht eher auf den aktuellen Hype um ein Produkt?

FRANK THELEN:
Natürlich nutzen wir den Hype aus und versuchen, schnell eine gewisse Flughöhe zu bekommen. Aber die Unternehmen bauen wir langfristig auf. Mit dem Gewürz-Start-up „Ankerkraut“, zum Beispiel, haben wir hier in Hamburg mittlerweile drei Geschäfte. Das Unternehmen wird dieses Jahr wahrscheinlich 14 Millionen Euro Umsatz machen. Mit Luicella’s betreiben wir hier schon sechs Eisdielen. Und bei der „Spielzeugkiste“ aus der ersten Sendung sind wir immer noch dabei also absolut langfristig.

CHAPEAU:Mischst du dich bei den Unternehmen ins Tagesgeschäft ein, oder überlässt du das den Gründern?

FRANK THELEN:
Nee, da mische ich mich heftig ein. Ich kann richtig nervig werden, weil ich eine Meinung habe. Wenn die Produktpalette erweitert wird, sprechen wir mit dem Management, kümmern uns um die Finanzierung, die neue Website wird diskutiert.

CHAPEAU: Gibt es auch mal Streit?

FRANK THELEN:
Total. Bei Luicella’s Eis, zum Beispiel, fand ich das Design schlecht. Die hatten eine Kuh drauf, und das hat für mich keinen Sinn gemacht. Die Frau Luisa hing aber sehr am Design, und dann musste halt diskutiert werden. Ich musste Luisa erklären, die Kuh würde im Supermarkt nicht funktionieren. Das tut mir auch Leid, aber ich mache das jetzt seit vielen Jahren und kann auch Feedback von Edeka und Rewe vorlegen. Aber in anderen Fällen kommt es auch vor, dass ich noch mal darüber schlafe.

CHAPEAU: Auf welches Projekt aus der Sendung bist du besonders stolz?

FRANK THELEN:
„Ankerkraut“ ist sicherlich ein absolutes Highlight. Es funktioniert super professionell und ist hochprofitabel in einem Markt, von dem alle gesagt haben, da kommst du nicht rein, der ist dicht. Und „Whyfood“ ist mit Abstand das bisher erfolgreichste Produkt aus der „Höhle der Löwen“. Das ist eine Trinkflasche, die eine komplette Mahlzeit enthält. Unfassbar stark, super professionelle Gründer. Als drittes sehr erfolgreiches Unternehmen würde ich „Liddle Lunch“ nennen. Das ist jetzt in jedem Supermarkt erhältlich.

CHAPEAU: Gab es auch Flops?

FRANK THELEN:
Ja klar! „Krispy Wallet“ ist pleite gegangen, obwohl wir nachfinanziert haben. Beim Modeunternehmen „Von Floerke“ haben wir alles Geld verloren. Da sind eben mal ein paar hunderttausend Euro weg. Aber das gehört dazu.

„Technologie ist unsere Kompetenz, sie ist mein Leben.“

CHAPEAU: Wie bewältigst du so viele Pläne, Projekte, Unternehmungen und unterschiedliche Themenfelder gleichzeitig?

FRANK THELEN:
Zu Beginn steht eine Prioritätenliste. Ich setze mir selber Ziele, wie ich mein Jahr verbringen möchte. Dann organisiere ich gemeinsam mit dem Team die einzelnen Tage so, dass es dann hoffentlich aufgeht. Das klappt leider nicht immer, aber man muss es versuchen.

CHAPEAU: Zusätzlich gehörst du ja noch zum Innovation Council von Staatsministerin Bär. Wie bringst das zeitlich noch unter?

FRANK THELEN:
Ja, das alles ist eine Herausforderung, aber um die Politik müssen wir uns kümmern. Die hat ein Riesenproblem, weil sie im Digitalbereich nicht gut aufgestellt ist. Sie versteht die Themen nicht unbedingt. Deswegen sind mir Gespräche mit Politikern eine Herzensangelegenheit. Ich bin oft beim Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier, und gestern stand ich zusammen mit einem Staatsminister auf der Bühne. Ich versuche, in der Politik Wirkung zu erzielen.

CHAPEAU: Du warst ja mal Mitglied in der CDU. Hast du das aus Zeitmangel oder aus strategischen Gründen aufgegeben?

FRANK THELEN:
Aus strategischen Gründen. Ich will Technologie in Europa voranbringen. Ich bin unabhängig und habe meine eigene Agenda für Europa. Vielleicht finde ich ja irgendwann mal gut, was die Grünen machen – im Moment ist das aber noch unvorstellbar. Aktuell halte ich CDU und FDP für die fähigsten Parteien. In NRW funktionieren sie hervorragend. Aktiv stelle ich mich gegen AfD und die Linke. Das sind Radikale, die mit unserer Demokratie nichts zu tun haben. Beide Parteien sollen von mir aus gern unter die Fünf-Prozent-Grenze fallen.

CHAPEAU: Wie stehen wir in Deutschland und Europa beim Thema Innovation da?

FRANK THELEN:
Schlecht. Die USA haben die klare Welle von Technologien – das Internet, die Cloud und das Smartphone – dazu genutzt, Google, Apple, Facebook und Amazon aufzubauen. Die Chinesen antworten mit Alibaba, Baidu, JD. Wir dagegen haben aus dieser technologischen Revolution heraus nicht ein einziges bedeutendes Unternehmen aufgebaut. Die letzte relevante europäische Unternehmensgründung im Technologiebereich war SAP. Jetzt kommen die nächsten Revolutionen – Blockchain, Quantencomputer, künstliche Intelligenz und so weiter. Diese Technologie-Züge wird niemand aufhalten können. Daraus werden Unternehmen entstehen, die jeweils über 100 Milliarden wert sind. Wenn wir es in Europa diesmal nicht schaffen, zu diesen Technologien ein oder zwei Champions zu etablieren, werden wir hier irgendwann abgeschlagen sitzen. Es ist schwer zu erklären, weil es uns heute gut geht. BMW läuft noch gut, Volkswagen läuft noch gut. Aber irgendwann wird das wie bei Nokia. Alles ändert ganz schnell, und auf einmal sind wir komplett von den Chinesen und Amerikanern abhängig. Dann werden die mit uns Rock’n’Roll spielen. Teilweise machen die das heute schon. Die Chinesen sind radikal. Die kaufen, Häfen, Schienen. Die Jungs geben richtig Gas. Wenn wir da nicht sagen, wir stehen für führende Quantencomputer, für eine Blockchain oder was immer, wird das ein Problem.

CHAPEAU: China ist politisch autoritär strukturiert. Ist unserem demokratischen System muss jede Veränderung erst einmal politisch abgewogen und womöglich in langwierigen juristischen Prozessen legitimiert werden. Ist das ein Nachteil?

FRANK THELEN:
Nüchtern betrachtet, hat China heute die besseren Ergebnisse. Wenn die auf Solarenergie umschwenken wollen, machen die das einfach. Bei uns wird alles lang und breit diskutiert. Auf Dauer jedoch ist Demokratie das richtige System. Mein Traum ist, dass die Demokratie den Mut zum Erneuern aufbringt und viel schlankere Entscheidungswege findet. Dass jemand, den wir für vier oder fünf Jahre gewählt haben, wirklich mal agieren darf und eben nicht durch fünfzig Föderalismus-Gremien gehen muss. Den Digitalpakt, zum Beispiel, brauchen wir dringend in der Bildung. Jetzt hängen zwei Bundesländer herum, wollen noch taktieren, und deswegen geht der digitale Pakt nicht durch. Das ist ärgerlich. Mein Traum wären demokratische, kontrolliert korrekte Wahlen, mit denen wir der Regierung wirkliche Entscheidungsgewalt geben. Selbst eine Kanzlerin kann heute nicht wirklich viel entscheiden. Wenn wir den 5G-Netzstandard einführen wollen, diskutieren wir uns tot. Das macht uns kaputt.

CHAPEAU: Immer wieder hört man, wir sollen eigenverantwortlich handeln. Aber bewirkt nicht gerade die Technologie das Gegenteil? Wir werden zunehmend abhängig vom Smartphone, das Autofahren überlassen wir Computern, auch das Bargeld wird irgendwann mal abgeschafft. Was haben wir als Einzelperson überhaupt noch für Entscheidungsmöglichkeiten?

FRANK THELEN:
Ich sehe es genau andersherum. Autonomes Fahren, künstliche Intelligenz nehmen uns blöde Aufgaben ab. Und nicht mehr Bargeld holen zu müssen und sich mit irgendwelchen Keimen zu verseuchen, verschafft uns mehr Freiheit. Du kannst morgens aufstehen und sagen, heute habe ich Zeit. Ich gehe Fußball spielen, höre die Wagner-Oper oder was auch immer. Die Technologie nimmt alle auf einem gewissen Niveau mit. Wir dürfen kein Zweiklassensystem bekommen wie in Brasilien oder andernorts. Wir dürfen die Leute nicht verlieren.

CHAPEAU: Unsere Wirtschaft definiert sich ja über Wettbewerb, und bei einem Wettbewerb gibt es immer Gewinner und Verlierer. Was macht man mit den Verlierern?

FRANK THELEN:
Es ist die Aufgabe von Politik und Demokratie, den bestmöglichen Weg in der Marktwirtschaft zu finden. Die Steuereinnahmen so fließen zu lassen, dass zum Beispiel jeder Wohnraum hat. Aber die Idee, ausgerechnet die Leute zu enteignen, die diesen Wohnraum bauen, und so die Marktwirtschaft auszuhebeln, macht die Situation nur noch schlimmer. Die Aufgabe ist, ein zukunftsfähiges Steuersystem zu finden. Wenn die Automatisierung durch künstliche Intelligenz und Roboter tatsächlich so weit geht, dass es nicht mehr Arbeit für alle gibt, müssen wir ein Grundeinkommen bereitstellen. So dass jeder eine Wohnung, ein gesundes Essen und einen Zugang zu Bildung hat.

CHAPEAU: Wer soll die Steuern bezahlen, wenn nur noch wenige Leute Arbeit haben?

FRANK THELEN:
Dafür haben wir eine sehr hohe Produktivität. Ein Auto, das selber fährt, braucht weniger Wartung und versorgt sich selbst mit Solarenergie. Deswegen muss es eine Art Robotersteuer geben, oder wie immer man es nennen will. Ich habe das System, aber die Politik muss es besteuern.

CHAPEAU: Die Entwicklung wird ja nicht aufhören, und die künstliche Intelligenz wird möglicherweise auch die schlauesten von uns irgendwann überholen. Was bleibt für uns Menschen?

FRANK THELEN:
Das ist eine sehr spannende Frage. Der Amerikaner Ray Kurzweil definiert den Punkt für „Technologische Singularität“, wenn künstliche Intelligenz so weit fortgeschritten ist, dass sie sich selbst besser weiterentwickelt, als wir es können. Dazu muss die künstliche Intelligenz erst einmal in die Tiefe gehen: ein MRT-Bild lesen und Krebs erkennen, ein Dokument verstehen, ein Auto fahren. Obendrauf muss der Computer dann aber auch noch denken, oh, das ist ja die Menschheit. Was hat sie gerade für Herausforderungen? Softwaretechnisch sind beides komplett andere Dimensionen. Das erste ist ein mechanischer Vorgang. Die andere Dimension ist ein Sokrates-Platon-Aristoteles, der sich mit den Grundzügen des Menschseins beschäftigt. Was ist gerecht, was ist fair und so weiter. Ich weiß nicht, ob und wann der Computer durch Entwicklung von Soft- und Hardware diesen Status haben wird und irgendwann denkt, oh shit, globale Erderwärmung, was mache ich jetzt? Dann haben wir die Singularität, und das ist der entscheidendste Moment in der Menschheitsgeschichte, den ich mir vorstellen kann. Das Einzige, was wir als Deutsche und Europäer heute dazu beitragen können, ist unsere Ethik.

CHAPEAU: Gehört nicht gerade diese Ethik zum „Alten Europa“, wie es einige amerikanische Politiker verächtlich nennen?

FRANK THELEN:
Das passiert, wenn wir nicht im Konzert der Großen mitspielen. Wenn wir den Zug mit künstlicher Intelligenz, Quantencomputern und allem, was alles auf uns zukommt, einfach vorbeifahren lassen. Deswegen ist eines meiner großen Anliegen, dass wir uns wenigstens soweit entwickeln, dass wir wieder mit am Tisch sitzen, wenn die grundsätzlichen Fragen gestellt werden.

CHAPEAU: Wie unabhängig agieren wir jetzt von den Amerikanern oder Chinesen?

FRANK THELEN:
Entscheidend ist die Frage, wer sitzt fünf oder acht Stunden am Tag vor welchem Display, wer entscheidet, in welche Welt du guckst und was du konsumierst? In den USA kommt heute schon die Hälfte aller versendeten Pakete von Amazon. Voice ist das nächste große Ding. Wir sprechen mit den Geräten, und wem gehören die? Wenn wir die Amerikaner und Chinesen so stark machen, dass sie bestimmen, wie wir leben, können die einfach die App sperren. Wir haben Glück, dass diese Unternehmen noch von guten Persönlichkeiten geführt werden. Ein Mark Zuckerberg oder andere könnten heute schon Wahlen beeinflussen, ohne dass wir es merken. Ich halte einen Tim Cook, einen Jeff Bezos, einen Elon Musk und auch einen Mark Zuckerberg für viel integerer als den aktuellen Präsidenten. Wären da jetzt schon lauter Donald Trumps am Ruder, wären wir heute schon kaputt.

CHAPEAU: Wer kann so etwas in Deutschland oder in Europa auf die Beine stellen?

FRANK THELEN:
Das ist ja meine Mission. Ich will Gründern helfen, relevante Technologieunternehmen aufzubauen. Flugtaxis, elektrische Jets werden Bestandteil unserer Logistik werden, wie wir von A nach B kommen. Das wird ähnlich groß werden wie jetzt Autos. Das ist Fakt, Punkt. Jetzt lautet die Frage, wer ist der Anbieter. Wieder ein Amerikaner oder Chinese, oder wird es in dieser wichtigen neuen Industrie mal ein Europäer oder ein Deutscher. Mit dem Unternehmen „Lilium Aviation“ versuchen wir da mitzumischen. Ich bin investiert und Boardmember, und nach allem, was ich weiß, ist Lilium in dem Bereich weltweit führend. Diese Situation müssen wir auch im Bereich von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz herbeiführen. Wir hatten sogar schon ein britisches Unternehmen mit einem exzellenten Team in Europa, das dann aber wieder von Google gekauft wurde. Ich versuche halt durch Politik und mit meinem bescheidenen Kapital, viel mehr Kapital zu aktivieren und viel klügere Köpfe als mich zu fördern. Und nochmal einen technologischen Leuchtturm in Europa zu schaffen.

CHAPEAU: Aber wie du schon gesagt hast, steht dem eine enorme Kapitalmasse aus den USA gegenüber.

FRANK THELEN:
Aber auch wir haben Kapital. Eine Susanne Klatten, eine Familie Oetker, Aldi, das Kapital in Liechtenstein. Wir haben ja noch viele Leute in Europa, die 50 und 100 Millionen in ein Unternehmen reinschreiben können, ohne dass sie irgendetwas in ihrem Leben oder in ihren Unternehmen ändern müssen. Aber dieses Kapital fließt heute nur in Hotelketten und solche Dinge. Wir müssen das Mindset von diesem starken Mittelstand, diesen „hidden champions“, ändern. Ich will sie dazu motivieren, 20 Prozent ihres Vermögens in Technologie zu investieren. Nur gemeinsam können wir es schaffen. Mit der Förderung von Unis Helden hervorbringen, gemeinsam mehr Kapital aktivieren und dann eine dieser großen Branchen aus Europa heraus aufbauen.

CHAPEAU: Aber man verdient noch viel Geld mit der alten Technik.

FRANK THELEN:
Ja, genau. Manche werfen mir auch vor, auf Elektroantrieb zu setzen. Batterien seien doch total schlimm. Aber diese ganzen Ökobilanzen über angeblich böse Elektroautos sind totaler Blödsinn. Der einzige Weg zur Besserung sind Elektroautos mit der richtigen Stromversorgung. Selbst wenn sie heute noch schlecht wären, können sie aber gut werden. Viele Leute arbeiten ständig daran, weniger Seltene Erden in einer Batterie zu verarbeiten. In einer Tesla-Batterie stecken heute schon um den Faktor 20 weniger Seltene Erden als in einer VW-Batterie.

CHAPEAU: Hast du selber einen Tesla in der Garage – und fährst du selbst, oder lässt du dich lieber chauffieren?

FRANK THELEN:
Natürlich, mehrere. Und ich fahre selbst. Ich habe glücklicherweise einen kurzen Weg ins Büro, und dorthin fahre ich immer mit dem aktuellen Tesla. Aktuell fahre ich ein Model 3. Wenn irgendwann der Roadster verfügbar ist, werde ich wieder umsteigen.

CHAPEAU: Früher bist du viel Skateboard gefahren. Machst das immer noch?

FRANK THELEN:
Viel zu selten, aber ich fahre wenigstens noch Snowboard über Weihnachten und E-Surfboard im Sommer.

„Die Politik hat ein Riesenproblem, weil sie im Digitalbereich nicht gut aufgestellt ist.“

CHAPEAU: Ist Weihnachten die Phase, in der du Freizeit hast?

FRANK THELEN:
Ab 23. Dezember wird es tatsächlich ein bisschen ruhiger, da kann ich mal abschalten. Bis zum 3. oder 4. Januar gibt es dann keine Finanzierungsrunden und keine großen Produkt-Lounges mehr. Ich nutze die Zeit, um mit meiner Frau in den Schnee zu fahren. Wenn es denn Schnee gibt.

CHAPEAU: Ja, da sind wir beim Klimawandel und dem Reizthema Wachstum. Wachstum ist in der Wirtschaft der Gradmesser für Erfolg oder Misserfolg. Aber kann es auf einem begrenzten Planeten ständiges Wachstum geben?

FRANK THELEN:
Ja, weil wir die Ressourcen besser nutzen. Aber für mich ist auch klar: So bislang können wir nicht weitermachen. Wir brauchen den Planeten so auf, dass er für die kommenden Generationen nicht mehr bewohnbar ist. Wir müssen dahin kommen, dass jeder Mensch die Welt so verlässt wie er sie betreten hat, ohne Fußspuren zu hinterlassen. Ich kann CO2 generieren, aber ich muss auch dafür sorgen, dass es wieder abgebaut wird. Zum Beispiel, indem ich Bäume pflanze. Wir müssen lernen, dass es nicht mehr so funktioniert wie in den letzten 60 Jahren, als die Industrie immer dickere Autos produziert hat. Das Öl war dafür der großen Treiber. Das muss gestoppt werden. Man darf kein Öl mehr verbrennen. Das ist ein radikaler Schnitt, und um das hinzubekommen, müssen wir Techniken wie den Quantencomputer nutzen. Quantencomputer, die künstliche Intelligenz und alles was da kommt, werden uns Flügel verleihen. So wie uns heute schon das Smartphone eng vernetzt und viele Dinge ermöglicht, die man vorher nur aus der Science-Fiction kannte. Jetzt müssen wir diese hochintelligenten Technologien auch nutzen, um hocheffizient mit den Ressourcen umzugehen. Auch in Gesetzen muss das verankert sein. Parallel muss in Forschung investiert werden. Ich glaube nicht daran, was die Grünen propagieren: Verbote, Verbote, Verbote. Den Leuten zu sagen, du darfst nicht mehr fliegen und deine entfernt wohnende Familie nicht mehr besuchen, funktioniert nicht. Wir müssen radikal in Technologie investieren, um dann CO2-neutral reisen zu können. Und auch Burger essen können, die dann nicht mehr von Kühen stammen.

CHAPEAU: Gibt es die Bereitschaft zu solchen radikalen Investitionen?

FRANK THELEN:
Nein. Aber ich versuche in der Politik und in Interviews wie diesem hier, den Leuten die Notwendigkeit zu vermitteln. Ich habe sehr klare Ansichten, aber es ist nicht bequem, wenn du in einem System irgendwas verändern möchtest. Mein Traum ist eine positiv technologiegetriebene Gesellschaft, die Verantwortung für den Planeten übernimmt. Das ist meine Agenda.

CHAPEAU: Bist du Einzelkämpfer, oder hast du Verbündete?

FRANK THELEN:
Ich habe natürlich Verbündete in der Politik, die das auch so sehen. Und ich habe Verbündete im Geist, mit denen ich nicht direkt zusammenarbeite. Wie Elon Musk. Der setzt ja wie ich auf Solarenergie. Jeff Bezos investiert verrückterweise jedes Jahr zwei Milliarden in das Raumfahrtunternehmen Blue Origin, um einen anderen Planeten zu erreichen und dort Energie für die Erde zu gewinnen. Es gibt schon Leute, die diese Mission teilen. Wir brauchen einfach mehr Menschen, die da mitmachen.

CHAPEAU: Schönes Schlusswort. Vielen Dank.

Tatort:
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Kategorie: Lebensart
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