
Kolumne Großer Salat mit Hühnchen & Espresso. Oder: Frühstück um eins.
Großer Salat mit Hühnchen & Espresso. Oder: Frühstück um eins.
Von Christoph Heinemann
Jeder von uns hat den Satz schon gehört: „Iss morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettler.“ Dazu passt der Kommentar einer vermeintlichen Ernährungsexpertin einer TV-Sendung: „Wer den Kamin nicht morgens schon mit Holz bestückt, der kann auch nichts verbrennen“. Möchten wir uns pauschal mit einem Kamin vergleichen lassen? Was, wenn der Körper uns etwas ganz Anderes sagt?
Ganz ehrlich: …
… Ich bin es leid, dass es gerade beim Thema Ernährung so viele Pseudowissenschaften gibt, denen jegliche Grundlage fehlt.
Schauen wir zurück in die Steinzeit: Ist der Steinzeitmensch direkt nach dem Aufstehen an den Kühlschrank gegangen und hat sich sein am Abend zuvor mit Chia-Samen und fettarmer Bio-Weidemilch zubereitetes Porridge herausgenommen und es noch schnell vor der Jagd hineingelöffelt, damit er genug Power hat um Mammute zu jagen? Nein.
Nicht anders ist es bei Naturvölkern, wie zum Beispiel den Hadza in Tansania: Aufstehen, jagen gehen, dann das frisch erlegte Fleisch zubereiten und essen. Vielleicht wäre das eine Option für uns? Nicht die Jagd, aber das spät oder gar nicht Frühstücken.
Ich höre schon die Zweifler: …
… „Warum habe ich denn dann morgens Hunger? Sagt mir mein Körper nicht was er braucht?“ Nein, er sagt dir das, was du ihn gelehrt hast. Über Jahre.
Wir leben heute in einer Frühstückskultur und haben uns schlicht und einfach daran gewöhnt, morgens unser Butterbrot zu essen. Unsere Eltern haben uns „liebevoll gezwungen“ nie ohne Essen das Haus zu verlassen. Mediale Einflüsse unterstreichen diese Theorien. Es gibt kaum eine Werbepause ohne Spots für vitale und vermeintlich gesunde Cerealien, Aufstriche oder andere Frühstücksleckereien.
Die evidenzbasierten Forschungen zeigen, …
… dass wir morgens besser ohne Frühstück in den Tag starten (vorausgesetzt wir sind gesund). Denn – wie von den meisten Ernährungswissenschaftlern richtig behauptet – der Insulinwert ist am Morgen extrem niedrig. Und das ist kein Nachteil, sondern ein enormer Vorteil. Ist der Insulinspiegel niedrig, befindet sich der Körper in einem katabolen Stoffwechselvorgang, also einem Abbauzustand. Ohne eine erhöhte Ausschüttung von Insulin wirkt das Hormon Cortisol (im Volksmund gerne als Stresshormon bezeichnet) und entfaltet seine positiven Eigenschaften. Es versorgt uns nach dem Aufstehen so gut mit Energie, dass wir, je nach Stoffwechseltyp, morgens ohne Nahrungsaufnahme leistungsfähiger und konzentrierter arbeiten können.
Merke: Stress ist nicht immer negativ für unseren Körper.
Seitdem ich mich mit dem Thema auseinandersetze (also schon sehr lange) praktiziere ich aus gesundheitlichen Gründen intermittierendes Fasten, um meine Entzündungswerte im Blut niedrig zu halten. Ich esse tatsächlich häufig gegen 13.00/14.00 Uhr erstmals am Tag. Das war anfangs nicht immer leicht, aber ich merke deutlich: Gerade vormittags bin ich extrem leistungsfähig, habe Kraft und bin sehr fokussiert.
Aber! …
Auch wenn ich persönlich den Verzicht des Frühstücks empfehle und er sich positiv auf meine Gesundheit auswirkt – ich weiß, dass diese Ernährungsform nicht für alle Menschen erstrebenswert ist. Gerade Kinder meistern den hektischen Schulalltag besser, wenn sie die erste ausgewogene Mahlzeit in Ruhe zu sich nehmen. Und wem das Frühstück wirklich gut tut, der sollte dabei bleiben. Never change the winning system.
Das Weglassen des Frühstücks ist weder ein universelles Konzept noch ein Allheilmittel. Vielleicht aber lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken. Oder es eine Woche lang auszuprobieren. Du hast morgens keinen Hunger? Dann iss nicht. Warte bis zum Mittagessen. Denn: Das Frühstück ist NICHT die wichtigste Mahlzeit des Tages. So die aktuelle Forschungslage. In diesem Sinne: Wir sehen uns um 13.00 bei MAMMA MIA.