
Genuss Heimat Küche
Heimat Küche
Teil 01
Heimat Küche
Nicht nur gutes Essen, auch das Kochen selbst zählt zur modernen Genusskultur. Damit rückt auch die Küche zunehmend in den Mittelpunkt. Unsere zweiteilige Artikelserie über die Geschichte der Küchengestaltung beginnt mit einem Rückblick: Von der Feuerstelle zur Systemküche.

„Die „Frankfurter Küche“ war Urtyp der modernen Einbauküche und darauf ausgerichtet, die Arbeit in der Küche so rationell wie möglich zu gestalten.“
1926 war ein wegweisendes Jahr für das Verständnis von Küche im 20. Jahrhundert. Die Wiener Architektin Margarte Schütte-Lihotzky und ihre „Frankfurter Küche“ definierten den Raum neu. Es war der Urtyp der modernen Einbauküche mit fest eingebautem Mobiliar. Nach dem Muster eines Industriearbeitsplatzes sollte die Arbeit in der Küche so rationell wie vonstatten gehen. Grete Schütte optimierte den knappen Raum für das „magische Dreieck“ aus Herd, Spüle und Arbeitsplatte. Im Vordergrund stand eine funktional-standardisierte Einrichtung mit kurzen Wegen, die wesentlichen Koch-Utensilien und Zutaten möglichst mit einem Handgriff erreichbar.
Die avantgardistische Ästhetik und die Vorteile der Arbeitsersparnis stießen allerdings nicht überall auf Begeisterung. Viele Mieter behielten alte Lebensgewohnheiten bei, stellten zusätzliche Möbelstücke auf oder kochten gar auf dem Ofen im benachbarten Wohnzimmer.
Ausgestaltete Küchenräume waren zu der Zeit ohnehin noch gar nicht so lange selbstverständlich. Über Jahrtausende waren Wohnen, Kochen, Essen in vielen Behausungen überhaupt nicht getrennt. Die offene Feuerstelle diente zum Kochen und zum Heizen des Wohnraums, aber Rauch und Ruß machten das eigene Zuhause dann zu einer Art Vorhölle. Erst mit der Einführung des Kamins rückte der Herd von der Mitte des Raums an die Wand. Die Erfindung des Kachelofens führte dann im Spätmittelalter zur Trennung von Heizen und Kochen. Mit den verfeinerten Speise-Sitten in der Zeit von Renaissance und Barock wurde die Küche in adeligen Haushalten zu einem prestigeträchtigen Ort, den man auch vorzeigen wollte. Einige richteten regelrechte Schauküchen ein. Die waren nur zum Vorzeigen gedacht, während die wirkliche Küchenarbeit von der Dienerschaft in Kellerküchen erledigt wurde. Immerhin inspirierten Schauküchen auch die Erfindung der Puppenküche.
„Die avantgardistische Ästhetik und die Vorteile der Arbeitsersparnis stießen damals nicht überall auf Begeisterung.“
Gekocht wurde vor allem mit Holz, und das war knapp und teuer. Vor allem in den Städten, die sich mit der beginnenden Industrialisierung einer größeren Zuwanderung vom Lande gegenübersahen. 1852 wurden in den USA erstmals Gasherde patentiert, aber sie setzten sich nur allmählich durch. Zu groß war die Explosionsgefahr des damals verwendeten Gasgemischs. Auch der 1893 erstmals auf der Weltausstellung in Chicago vorgestellte Elektroherd brauchte noch einmal rund 30 Jahre, bevor er Einzug in die Küchen hielt.
Aber der technische Wandel von Holz- und Kohlefeuerung zu den kleineren Gas- oder Elektroherden schaffte Raum in der Küche. Man brauchte keinen Platz mehr zum Lagern der Brennstoffe, Ruß und Rauch gehörten der Vergangenheit an. Erst jetzt konnte man sich über eine helle, freundliche Farbgestaltung Gedanken machen. Die verrußte Schwarzküche des Mittelalters verschwand, jetzt war Weiß im Trend. Das stabile Weißsegment „Titanweiß“ wurde seit 1908 industriell hergestellt. Die „Frankfurter Küche“ war noch aus Holz gefertigt, aber schon in den Dreißigern begann der Siegeszug der Spanplatte – damals ein absolutes Hightech-Produkt.
„In den Dreißigern begann der Siegeszug der Spanplatte – damals ein absolutes Hightech-Produkt.“
Anfang der 1960er Jahre war dann alles bereit für die moderne Küche. An den Wänden prangte die Systemküche, die Industrie lieferte dazu passgenaue Geräte wie Herd, Kühlschrank und Geschirrspüler. Seit 1950 hatte sich das Grundmodulmaß von 60 x 60 Zentimeter durchgesetzt. Elektrische Dunstabzugshauben ermöglichten ein Öffnen der Küche hin zum Wohnraum. Das Design war stark von US-amerikanischen Formgebungen nach dem Zweiten Weltkrieg beeinflusst. Zeitschriften, Filme oder das Fernsehen spülten die Vorstellung nach Deutschland, wie eine moderne Küche auszusehen hatte.
Die allgemeine Fortschrittsbegeisterung erreichte in den frühen 70er Jahren ihren Höhepunkt. In dieser Zeit entwickelte Luigi Colani für die Marke Poggenpohl sein „experiment 70“, dessen Design offensichtlich durch die Raumfahrt inspiriert war. Colani setzte die Hausfrau in eine Art plastikgelber Raumkapsel mit Flügeltür, wo sie den Gerätepark von einem Schaltpult aus steuern konnte. Heute ist das natürlich Kult. Auf Auktionen erzielen Designobjekte aus dem „Space Age“ mittlerweile Höchstpreise.
Colanis „experiment 70“ verfolgte schon das Konzept einer mitten im Raum aufgestellten Küche. 1982 entwarf dann der deutsche Designer Otl Aicher für den Hersteller bulthaup die „Küche zum Kochen“. Aichl war ein Wegbereiter des Corporate Design und Mitbegründer der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Und während sowohl die „Frankfurter Küche“ als auch das „experiment 70“ jeweils eine Person konzipiert waren – nämlich die Hausfrau – verfolgt Aichl in seiner Studie die Idee einer „Rückkehr in die Küche“. Dahinter verbirgt sich die moderne Vorstellung einer Living Kitchen, in der Kochen und Essen gemeinsam zelebriert wird. Schluss also mit den fabrikähnlichen Funktionsräumen der zwanziger Jahre, hin zur „Werkstatt einer neuen Lebenskultur“. In der „Frankfurter Küche“ sah Aichl ein „Indiz für die schikanöse Männerwelt“ und er war überzeugt, dass ein Küchengestalter auch selbst kochen können muss. „Designer, die nicht kochen, sollte man gar nicht erst an Küchen heranlassen“, schimpfte der für seine manchmal derbe Ausdrucksweise bekannte bayerische Schwabe.
Die offene Form der Küche bildet bis heute das Nonplustra. Wie in früheren Zeiten fördert sie das gemeinsame Erleben, aber ein cooles Design macht sie endlich auch optisch zum einladenden Mittelpunkt. Für den Interior-Designer Jörg van de Heering ist ein überlegtes und individuelles Gestaltungskonzept des jeweiligen Küchenraums unabdingbar. Die von ihm geplanten Markenküchen von Häcker oder next125 stehen für die Idee, Spitzen-Design mit den organischen Vorstellungen der Bauhaus-Jahre zu verbinden. Ästhetik und Funktionalität sind dann keine Gegensätze mehr, sondern bilden die Vervollkommnung von Küchenkultur.
Im nächsten Heft widmen wir uns Küchenkonzepten der Gegenwart und wagen eine Ausblick auf die Zukunft.
Möbelprinzen Oldenburg
Jörg van de Heering
Burgstraße 29
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Tel. 0441 18 111 792
next125.com
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