Lebensart „WIR MÜSSEN EINE VORREITERROLLE ÜBERNEHMEN“
„WIR MÜSSEN EINE VORREITERROLLE ÜBERNEHMEN“
Interview mit Heinz-Werner Schmidt
Im August letzten Jahres übernahm Heinz-Werner Schmidt die Geschäftsführung der traditionsreichen August Brötje GmbH in Rastede, einem der führenden Hersteller von Heizsystemen. Die Firma feiert in diesen Tagen ihr einhundertjähriges Jubiläum, und für CHAPEAU war dies ein Grund, mit dem neuen Chef des Unternehmens ein Gespräch über die Zukunft des Heizens und über die Herausforderungen für die Branche angesichts der aktuellen Klimadiskussion zu führen.
Heinz-Werner Schmidt ist der 15. Geschäftsführer in der 100-jährigen Geschichte der August Brötje GmbH in Rastede. Gegründet wurde die Firma 1919 von August Brötje als Handwerksbetrieb für Maschinenbau und Reparatur. 1925 begann man auf dem alten Firmengelände in der Peterstraße mit dem Bau von Heizkörpern. Heute stellt Brötje modernste Heizungstechnik in einem breit gefächerten Sortiment her. Seit August Brötje junior, Sohn des Firmengründers, im Jahr 1979 ohne Nachkommen verstarb, ist Brötje kein Familienbetrieb mehr. Aber die langjährigen Mitarbeiter, die dem Betrieb teilweise schon seit Jahrzehnten angehören, verleihen ihm nach wie vor einen familiären Charakter. Die Firma gehört seit 2009 zur niederländischen BDR Thermea Gruppe und vertreibt seine Produkte in Partnerschaft über die GC-Gruppe, G.U.T. und die Großhandelsgruppe Pfeiffer & May an das Fachhandwerk.
Fotos: Pino Petrillo
CHAPEAU: Herr Schmidt, Ihr erstes Jahr als Geschäftsführer beim Heizungsbauer Brötje ist fast rum. Mit welchen Erwartungen sind Sie damals gekommen?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Ich bin ja ein Kind der Heizungsbranche und habe während der letzten 25 Jahre in vergleichbaren Unternehmen gearbeitet, wie bei der der Buderus Heiztechnik. In Bezug auf Produkte, Marktzugang und Vertriebsmechanismen war Brötje für mich also keine Überraschung. Die unbekannte Größe waren eher die Menschen, die hier arbeiten. Was macht das Leben bei Brötje aus, wie wird die Marke gelebt? Dafür sind maßgeblich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Ich habe die Mentalität der Ammerländer schon ein bisschen eher kennenlernen dürfen, denn ich habe meinen Wohnsitz schon vor zehn Jahre in den Residenzort verlegt. Die Leute sind verlässlich und geradeaus. Sie haben ein klares Bild davon, was sie mögen und was nicht. Das kommt mir sehr zupass. Wir haben kerngesunde Struktur in der Mannschaft. Das Unternehmen ist gerade hundert Jahre alt geworden, und wir haben viele langjährige, leistungswillige Überzeugungstäter an Bord, die hier schon Dienstjubiläen von bis zu 40 Jahren gefeiert haben.
„Es gibt keine Zufälle. Vielmehr fällt einem das Fällige zu.“
CHAPEAU: War es Zufall, dass Sie hier schon so lange wohnten, bevor Sie bei Brötje angefangen haben?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Ich gehöre zu denen, die sagen, „es gibt keine Zufälle. Vielmehr fällt einem das Fällige zu“ (lacht). Mein Frau Claudia kommt aus der Region, und als ich sie vor elf Jahren kennenlernte, habe ich meinen Lebensmittelpunkt kurzerhand hierher verlegt. Das war die absolut richtige Entscheidung, und ich fühlte mich von Anfang an wohl hier. Beruflich war ich die letzten Jahre auch in Unternehmen mit spannenden Produkten und Themen als Geschäftsführer tätig – aber eben nicht heimatnah. Da stand die inhaltliche Herausforderung im Vordergrund, und das bedeutete für mich auch, viel Reisezeit in Kauf zu nehmen. Dann hat sich im letzten Jahr die Möglichkeit ergeben, diese tolle Herausforderung bei Brötje anzunehmen. Wie heißt es eben so schön: “Gut Ding will Weile haben!“ Ein solches Unternehmen mit seiner hundert Jahre alten Tradition zu führen, bedeutet natürlich eine besondere Verantwortung. Ich habe die Herausforderung gerne angenommen, und es macht mir extrem viel Spaß. Ein wahrer Glückstreffer. Die Arbeitstage werden zwar nicht kürzer, aber ich empfinde den Vorteil, jetzt im Wohnort auch den Arbeitsplatz vor Ort zu haben, als echten Luxus und als deutliche Verbesserung meiner Work-Life-Balance.
CHAPEAU: Kannten Sie die Firma Brötje schon vorher?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Ja, natürlich hatte ich schon Berührungspunkte mit Brötje. 1993 bin ich zu Buderus gegangen, und das war ein Wettbewerber von August Brötje. Schon damals hat sich Brötje als ernstzunehmender Marktteilnehmer präsentiert. Hier in Rastede hat man schon ziemlich früh ein Produkt im Bereich der Gas-Brennwerttechnologie auf den Markt gebracht, das für viel Aufmerksamkeit und hohe Akzeptanz gesorgt hat.
CHAPEAU: Wie sind Sie denn als ehemaliger Konkurrent hier aufgenommen worden?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
(Lacht). Meine berufliche Vergangenheit war für die Mannschaft hier sicher von Interesse, und die Information hat eher dazu beigetragen, eine bessere Einschätzung zu meinem Profil und zur Person zu bekommen. Die Belegschaft spürt, dass ich aufgrund der Stationen in meinem Lebenslauf sehr viel Erfahrung mitbringe. Ob zum Produkt, dem Markt, zu Organisationsstrukturen, was auch immer – das bisher erlebte verleiht eben auch Sicherheit und eine gewisse Seniorität. Das bedeutet aber sicher nicht, dass ich hier mit einer Selbstverständlichkeit oder sogar Überheblichkeit daherkomme. Ich habe Respekt vor der Aufgabe, aber keine Angst. Diesen gravierenden Unterschied spürt die Belegschaft sofort. Der Kapitän ist immer nur so gut wie seine Mannschaft.
CHAPEAU: Sie möchten Ihre externen Erfahrungen mit den Kompetenzen bei Brötje kombinieren?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Ja, denn es gibt hier bei Brötje in allen Funktionsebenen viele Leistungs- und Erfahrungsträger im Team, die schon lange im Heizungsmarkt tätig sind und dem Unternehmen immer die Treue gehalten haben. Ich dagegen habe in meiner Laufbahn immer wieder Gelegenheiten genutzt, um neue Stallgerüche aufzunehmen und Differenzierungen in den Organisationsformen und Arbeitsweisen kennenzulernen. Der Erfahrungsmix in der Zusammenarbeit mit meinen Leuten bringt uns allen sehr viel. Man ergänzt sich im fachlichen Austausch und im Abgleich der verschiedenen Sichtweisen. So hat sich das Gefühl der gegenseitigen Akzeptanz sehr schnell entwickelt. Ich nehme für mich in Anspruch, das richtige Maß an Authentizität und Berechenbarkeit mitzubringen, damit meine Leute ein Gefühl dafür bekommen, wie ich ticke, und mich auch einschätzen können.
CHAPEAU: Stößt man nicht automatisch auf Widerstand, wenn man in einen etablierten Betrieb kommt?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Das Thema Veränderung begleitet uns alle das ganze Leben. Innovationen treiben Umsatz und Wachstum voran. Bei der Entwicklung von Heizungen, von der offenen Feuerstelle bis zur voll automatisierten Zentralheizung mit allen erreichbaren Regel- und Bedienmöglichkeiten, weckt der steigende Komfort natürlich Begehrlichkeiten beim Kunden. Außerdem wird unser Unternehmen von gesetzlicher Seite mit immer neuen Regularien und Normen getrieben. Gerade jetzt hatten wir wieder zweitägige Anhörungen zum Thema Energie und Umwelt. Diesen Veränderungen müssen wir Rechnung tragen, das ist Pflicht, nicht die Kür. Andere Veränderungen halten wir selbst für notwendig. Wir leben davon, dass ein Kunde bereit ist, für unsere Produkte Geld zu bezahlen. Also steht der Kundennutzen im Vordergrund, und dazu müssen wir uns mit unserem Unternehmen in einem permanenten Veränderungsprozess bewegen. Dabei ist Kommunikation ein wichtiger Punkt, um Veränderungen zu erklären – denn die Angst davor lähmt, setzt keine Energie frei, sondern blockt im Gegenteil den Energiefluss.
CHAPEAU: Wie hat denn die Firma vor hundert Jahren damit angefangen?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Man mag es kaum glauben, aber die Gründungsjahre beginnen 1919 in einer alten Konservenfabrik in der Peterstraße. August Brötje hat dort Dampfmaschinen und Motoren repariert und schmiedeeiserne Bandsägen hergestellt. Er war Maschinenbauer und Sohn eines Tischlermeisters. 1925 hat Brötje hier in Rastede ein Radiatorenwerk gegründet und Stahlradiatoren hergestellt. Der berühmte Zickzackradiator war der Ursprung, und über Generationenwechsel und die Kriegsjahre hinweg hat die Brötje-Familie ihr Produktprogramm hier am Standort erweitert. Man stieg auch in den Bereich der Wärmeerzeugung ein und vertrieb die Heizungen bis 1999 über ein eigenes Handelsnetz. Die Produktpalette hat man mit Brennern und mit innovativen Heizkessel-Ölbrennern erweitert und damit auch schon dem Systemgedanken ein Stück weit Rechnung getan. August Brötje Junior ist ja leider schon im Alter von 58 Jahren verstorben. Aber wenn Sie sich die Ursprünge der Firma vom Heizkörper bis zu unserer heutigen Produktpalette anschauen, ist die Fähigkeit zum Paradigmenwechsel im Unternehmen schon seit der Gründung in hohem Maße vorhanden gewesen.
CHAPEAU: Was ist das Brot-und-Butterprodukt von Brötje, also quasi Ihr VW-Golf?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Brötje hat schon frühzeitig, sehr stark und erfolgreich mit dem Ecotherm Plus WGB Furore gemacht, also mit einem Wandgerät für den Gas-Brennwert-Ansatz, das sogar von der Stiftung Warentest ein „sehr gut“ eingeheimst hat. Qualitativ hochwertig, technisch innovativ. Und wenn der Name WGB fällt, weiß jeder, das es sich um DAS Produkt aus Rastede handelt. Es ist nach wie vor unser Topseller und geht in größter Stückzahl vom Band.
CHAPEAU: Ich habe auf Ihrer Webseite etwas von Niedertemperaturgeräten gelesen. Was muss ich mir darunter vorstellen?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Niedertemperatur ist schon länger in aller Munde. Das ging mit der ersten Energieeinsparverordnung los, die nach den Energiekrisen in den 70ern erlassen wurde. Erstmals wurde da auch der Energieverbrauch von Gebäuden bewertet. Mit der Energieeinsparverordnung, der Wärmeschutzverordnung und auch der Heizungsanlagenverordnung sind eine ganze Reihe von Regelwerken entstanden, die dazu beigetragen haben, dass Haus und Haustechnik besser aufeinander abgestimmt werden können. Mit der richtigen Dämmung und doppelt oder dreifach verglasten Fenstern hat man die Verbräuche deutlich reduzieren können. Und es hat dazu geführt, dass wir die ursprünglich sehr hohen Auslegungstemperaturen von Heizungen sehr stark herunterfahren konnten. Im alten Haus meiner Oma waren die Heizkörper so heiß, dass man sie nicht anfassen konnte. Die sind vom Heizkessel mit teilweise 90 Grad Vorlauftemperatur beschickt worden. Bei der Niedertemperatur haben wir heute noch eine maximale Vorlauftemperatur von 55 Grad im Wärmeabgabesystem, im Mittel liegt sie vielleicht noch bei 40 bis 45 Grad, bei Fußbodenheizung noch niedriger.
Die Niedertemperatur-Technologie führt uns auch auf das Thema Gas-Brennwert. Üblicherweise geht das Abgas mit über 100 Grad aus dem Schornstein. Darin steckt also noch ein sehr hoher Energiegehalt. Bei der Gas-Brennwerttechnik wird dem Abgas über einen Wärmetauscher durch den niedrig temperierten Heizungsrücklauf Wärme entzogen und die Abgastemperatur so weit abgesenkt, dass der sogenannte Abgastaupunkt unterschritten wird. Der Wasserdampf aus dem Abgas kondensiert wieder zu Wasser und wird in die Entwässerung abgeleitet. Mit dieser Technologie hat man die Wirkungsgrade der Anlagen deutlich verbessert.
CHAPEAU: Und wie funktionieren Wärmepumpen?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Die Wärmepumpen, die wir anbieten, die funktionieren ein bisschen anders. Landläufig wird gesagt, sie funktionieren wie ein Kühlschrank. Aber fragen Sie mal die Leute draußen, wie ein Kühlschrank funktioniert…
CHAPEAU: Warme Luft wird in kalte umgewandelt…
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Das ist ein bisschen komplexer. Physikalisch spricht man vom Carnotprozess. Bereits 1824 veröffentlichte der Franzose Carnot erste Grundlagen zur Wärmepumpe. Bei einer Wärmepumpe werden die gleichen Bauteile im Kältekreis verbaut wie in einem Kühlschrank. Über einen Wärmetauscher wird die Energie einer Wärmequelle wie Luft, Erde oder Wasser auf den Kältekreislauf übertragen. Selbst die kalte Außenluft im Winter hat noch genug Energieinhalt, um das Kältemittel im Kältekreislauf vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu bringen. Kältetechnisch liegt der absolute Nullpunkt nämlich bei -273 Calvin und nicht bei -10 Grad Celsius Außentemperatur. Minus 10 ist da quasi noch Hochsommer. Ist das Kältemittel zu Gas umgewandelt, gelangt es zu einem Verdichter und wird komprimiert. Wer ein Fahrrad aufpumpt, merkt, dass beim Pumpen Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt wird. An der Spitze der Pumpe wird es warm. In der Wärmepumpe verdichtet der elektrisch angetriebene Verdichter das gasförmige Kältemittel, und durch die Kompression entstehen eine höhere Temperatur und ein höherer Druck. Dann spricht man von einem Heißgas. Und dieses heiße Gas hat wieder so viel Energieinhalt, dass wir die Temperatur über einen zweiten Wärmetauscher an die wassergeführte Heizungsseite im System abgeben. Dort wird das Gas energetisch entladen, gibt Wärme an das Wasser aus dem Heizsystem ab, verliert an Temperatur. Das abgekühlte Gas wird über ein Expansionsventil geführt, entspannt, baut den Druck ab und wird dadurch wieder verflüssigt. Dieser hermetisch geschlossene Kreislauf beginnt dann wieder von vorne. Der Kühlschrank entzieht den Lebensmitteln Energie und gibt die aufgenommene Wärme an der Rückseite über den Wärmetauscher an die Umwelt ab – daher der Kühlschrankvergleich.
CHAPEAU: Das klingt eigentlich nicht so exotisch oder übermäßig kompliziert.
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Ganz und gar nicht. Die Technik ist komplett ausgereift und kann bis ins Jahr 1852 zurückverfolgt werden, als Lord Kelvin den Nachweis erbrachte, das Kältemaschinen auch zum Heizen eingesetzt werden konnten. Im heutigen Markt der Heizungstechnik setzt die Wärmepumpentechnologie ihre steigende Akzeptanz Jahr für Jahr fort und löst somit zunehmend die fossilen Wärmeerzeuger ab – vorwiegend im Neubaueinsatz.
CHAPEAU: Zu welcher Heizungsform würden Sie jemanden raten, der jetzt ein Haus bauen will ?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Im Neubau geht der Anteil an Ölanlagen stetig weiter zurück. Diese Technik wird heute mehr als Ersatz im Anlagenbestand eingebaut. Die Gas-Brennwerttechnolgie ist absolut Stand der Technik und die am weitesten verbreitete Technik in Europa, so weit es um Gasanlagen geht. Zuverlässig, sparsam und effizient auch in Kombination mit thermischen Solaranlagen. Und die Wärmepumpentechnik erreicht beim gesamten Wärmeerzeugerabsatz in Deutschland heute schon auf einen Marktanteil von bis zu 10 Prozent, Tendenz steigend. Die Wärmepumpe ist dafür prädestiniert, in Systemen mit niedrigen Vorlauftemperaturen eingesetzt zu werden. Je niedriger die Vorlauftemperatur ist, desto wirtschaftlicher arbeitet sie. Die Wärmepumpe arbeitet dann sehr effizient, und im Neubau hat sie sich schon als Prio-A-Alternative durchgesetzt. Am Ende aber hängt es von den Wünschen des Bauherren und dem verfügbaren Budget ab, welches System realisiert werden soll.
CHAPEAU: Wir stecken mitten drin in einer heißen Klimadebatte, protestierende Schüler machen uns Älteren die Hölle heiß. Neigt sich die Ära der fossilen Brennstoffe dem Ende zu?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Das sehe ich nicht so. Aber die Reichweite der verbliebenen Vorräte, kann sicherlich Aufruf genug sein, sich weitergehend mit den Energieträgern Gas und Öl zu beschäftigen. Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unseren nachfolgenden Generationen. Das wäre gerade für uns Hersteller heiztechnischer Produkte Anlass, eine Vorreiterrolle bei Klimaschutz und Umweltverträglichkeit zu übernehmen. Mehr als ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland wird zum Heizen der Häuser und für Warmwasserbereitung eingesetzt – fast noch mehr als in der Industrie oder im Verkehr. Selbstverständlich muss man da überlegen, wie man damit umgeht. Ich schätze das Engagement der junge Leute sehr. Sie weisen zu Recht auf ein Thema hin, das von der Politik leider einfach verdaddelt wird. Wir sollten die Chance, etwas zu tun, auch ergreifen – und zwar sehr zeitnah. Es wird zu viel geredet und zu wenig gemacht.
CHAPEAU: Was muss die Politik dazu beitragen?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Ich wünsche mir, dass Politik nicht so sehr mit Reglementierungen in die Wirtschaft eingreift. Sie sollte ihre eigentliche Aufgabe wahrnehmen und die Rahmenbedingungen für die Energietransformation so verlässlich aufstellen, dass jeder weiß, woran er ist und sich darauf einstellen kann. Wir haben in Deutschland 18 Millionen Bestandsgebäude, in denen alte Wärmeerzeuger stehen. Die weisen sicherlich keine optimalen CO2- und Stickstoffoxidwerte auf. Da liegt das Potenzial, die Energiewende in Deutschland aktiv nach vorn zu treiben.
„Wir haben für die Gemeinde Rastede und deren Umfeld auch als Arbeitgeber eine überdurchschnittliche Bedeutung.“
CHAPEAU: Das Thema Dämmung ist nicht mehr unumstritten. Die Masse an Dämmmaterial übertrifft längst die Fläche der Bundesrepublik. Geht es nicht ohne Dämmung?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Innerhalb der BDR Thermea Gruppe beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von Heizgeräten zur Verbrennung von Wasserstoff. Wir machen uns darüber Gedanken, welche Energieträger zur Verfügung stehen, die im Vergleich zum Gas-Brennwert bei gleichem Einsatz effizienter sind, auch im Hinblick auf Technologie, Kosten und Vermarktungsfähigkeit. Beim Einsatz fossiler Energieträger wie Gas oder Öl wird ein Anteil an Emissionen freigesetzt. Beim Einsatz eines Wasserstoffheizgerätes dagegen fallen keine Emission an. Deswegen ist es auch egal, wenn ich vom Wasserstoff etwas mehr einsetzen muss, um ein Gebäude zu beheizen. In Holland haben wir dazu ein marktfähiges Produkt im Test und werden diese Technologie sicherlich zukünftig auch in Deutschland anbieten, wenn die Zeit reif ist. Zur Zeit fehlt uns eine flächendeckende Infrastruktur für den Energieträger Wasserstoff.
CHAPEAU: Ist Wasserstoff nicht auch zu explosiv?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Wir arbeiten heute ja auch schon in anderen Bereichen mit explosiven Gasen und haben
dafür alle sicherheitsrelevanten technischen Einrichtungen zur Verfügung und die Technik im Griff. Die Anwendung vom Energieträger Wasserstoff zu Heizzwecken sehe ich als technisch unproblematisch.
CHAPEAU: Welchen Anteil hat die Firma Brötje bei solchen technischen Entwicklungen?
HEINZ-WERNER SCHMDIT:
Wir betreiben wir hier am Standort eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit Fachleuten zu den einzelnen Themenfeldern. Die setzen sich auch mal mit den Kollegen in Apeldoorn zusammen und sind dann Bestandteil der Arbeitsgruppen oder der Taskforce, die sich mit diesen Projekten beschäftigen.
CHAPEAU: Das klingt nach einer sehr vorteilhaften Situation. Gibt es auch Nachteile der Konzernzugehörigkeit?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Nachteile sehe ich keine. Durch die Internationalität sind wir in der Gruppe breit aufgestellt. Es ist ein gegenseitiges Befruchten mit Ideen, und auch in der laufenden Arbeit eine gegenseitige Unterstützung. Das ist die Stärke, die in der Gemeinschaft ihre Früchte trägt.
CHAPEAU: Mit rund 500 Mitarbeitern gehört Brötje zu den großen Arbeitgebern der Region. Sind Sie mit dem Standort zufrieden?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
Ja, wir haben für die Gemeinde Rastede und deren Umfeld sicherlich auch als Arbeitgeber eine überdurchschnittliche Bedeutung. Das ist auch gut so. Mit einer solchen Historie ist man dem Standort verpflichtet. Deshalb habe ich auch entschieden, die 100-Jahre-Feier hier am Ort zu belassen. Wir haben dafür das komplette Wochenende vom 14. bis 16. Juni ausgelobt. Nach der Auftaktfeier für unsere Kunden, Vertreter der Wirtschaft, der Zentralverbände, der Heizungsindustrie, den Innungsmeistern haben wir den zweiten Tag für die Belegschaft und deren Partner reserviert. Am dritten Tag werden wir uns für die gesamte Region öffnen und laden alle ein, die einmal das heutige Brötje erleben wollen. Auch die ehemaligen Mitarbeiter, Rentner, Pensionäre. Also diejenigen, die geholfen haben, das Brötje überhaupt 100 werden durfte. Darauf freuen wir uns sehr, und auch für die Region wird das sicherlich ein spannender Termin. Da ist dann drei Tage richtig was los in Rastede.
CHAPEAU: Wie stellen Sie sich die nächsten 100 Jahre der Firma Brötje vor, und was muss dafür getan werden?
HEINZ-WERNER SCHMIDT:
In den nächsten zehn Jahren werden wir so viele Veränderungen erleben wie in den gesamten 100 Jahren davor. Digitalisierung, Energietransformation. Das Tempo nimmt zu. Wir werden alle noch agiler werden müssen. Natürlich wollen wir auch die nächsten hundert Jahre überstehen, aber wenn ich auf meinen Personalausweis gucke, will ich zumindest noch ein Zehntel davon mitbekommen. Wir müssen Wasserstoff salonfähig machen, um die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele zu unterstützen. Fachkräftemangel wird ein Thema sein, die Auslastung der Fachbetriebe ist jetzt schon teilweise am Limit. Aber wir fühlen uns bereit, die anstehenden Herausforderungen anzugehen.