
Menschen „Ich fülle auch Räume gerne mit Menschen“
„Ich fülle auch Räume gerne mit Menschen“
Interview mit dem Architekten Alexis Angelis
Während des Rundgangs durch das Büro erzählt Alexis Angelis von seiner Philosophie, der Philosophie des „Miteinander Arbeitens“, und wir kommen an Rückzugsnischen vorbei, wo Mitarbeiter allein etwas lesen, zu zweit etwas zu besprechen oder zu viert etwas ausarbeiten können. In der imposanten zweigeschossigen Kaffeebar angekommen, beginnt unser Gespräch mit dem Oldenburger Architekten über das Miteinander, das, was verbindet und das, was unterscheidet.
CHAPEAU: Ich bin beeindruckt! Nicht im Sinne von „Boah, bist du reich“, sondern von der Weite, den Materialien, der Ruhe und der Schönheit der Räume. Einzeln wie im Zusammenhang. Mir sind die vielen Nischen, Sitzecken, abtrennbaren „Räumchen“ aufgefallen, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten, diskutieren, lesen, denken können. Lässt du das in der Realität auch zu, oder kommt der Chef durch, der sich misstrauisch fragt, was die beiden da die ganze Zeit zu bereden haben beziehungsweise was der da liest?
Wenn du von Berlin erzählst, deinen ersten großen Projekten dort und deren zum Teil sehr prominenten Bewohnern, und bist jetzt hier in Oldenburg mit diesem Projekt zurück, ist es dann gut? Bist du angekommen, oder ist das nur ein weiterer Schritt, wohin auch immer?

Was das Ensemble hier am Waffenplatz gut zum Ausdruck bringt!
Es zeigt zumindest: Wir werden gehört. Wir können umsetzen, woran wir glauben – bitte: richtig verstanden! – und werden auch gebraucht. Ein Luxus, aber ein erarbeiteter.
Ich wiederhole mich, wenn es um Oldenburg und Provinz geht, gerne: Findet Provinz im Kopf statt? Was ich hier sehe, hat nämlich mit Provinz nichts zu tun …
Bist du mit deinen Leuten eigentlich am Hafen dabei beziehungsweise dabei gewesen?
Wir haben damals einen großen Wettbewerb mitgemacht. Der war wirklich vorbildlich, denn die Stadt hat international eingeladen. Und unter fünfzehn Büros haben wir den zweiten Platz gemacht. Mit einer Lösung, die das ganze Projekt noch einen Tick großstädtischer oder besser: konkreter am Wasser gesehen hätte. Mit Fleeten, die hineingezogen werden, wie in Rotterdam von mir aus. Wir sahen auch die Wasserkante dichter, mit Gastronomie rauf und runter. Überall wird Wasser entdeckt, zum Teil neu erfunden ... Aber ich will jetzt nicht wie ein schlechter Verlierer klingen. Außerdem haben wir später auch Dinge umsetzen können, für verschiedene Eigentümer im Rahmen der Vorgaben Sachen gemacht, wir waren also beteiligt. Aber städtebaulich war es dann einfach vorgegeben. Und das ist auch gut so! Die Jahre werden zeigen, dass durch Vorgaben wie die bestehenden ein solches Viertel weder optisch noch erlebbar auseinanderfällt. Aber natürlich ist immer Luft nach oben ...


Merkst du, dass in den 80er und 90er Jahren die Leute raus aufs Land wollten und jetzt, seit einigen Jahren, wieder zurück in die Städte wollen? Also nicht nur die älteren Menschen, die den kurzen Weg und das kulturelle Angebot schätzen, sondern Familien mit kleinen Kindern, mit älteren Kindern, Paare ohne Kinder, also: jeder?
„Ich muss Dinge anstoßen können, Raum schaffen, damit sich angestoßenes bewegen kann."
Der Waffenplatz wurde lange als Schandfleck wahrgenommen – das ist Geschichte. Wohin es mit der Heiligengeiststraße geht, weiß ich gerade nicht …
Die Strategie wird entscheidend sein. Es ist weniger die oberflächliche Gestaltung, als vielmehr die substanzielle Qualität, um die es geht. Nicht vereinzelt auf Fragen zu antworten, sondern das große Ganze zu sehen und daraus die Frage ableiten, und diese dann zu beantworten. An Orten ist geheimhin dann kein Leben, wenn die Nutzung fehlt. Ist die richtige Nutzung da, kommen die Leute von alleine. Dafür muss es nicht perfekt sein – perfekt ist Stadt nie. Bei der Heiligengeiststraße ist für mich wichtig: Was machen wir eigentlich mit dem Pferdemarkt? Der Wochenmarkt ist toll, funktioniert ja auch. Das muss man stärken, dann haben die Leute einen Grund, von A nach B zu gehen – durch die Heiligengeiststraße. Dafür muss man in Oldenburg die Kräfte bündeln. In Berlin muss man das nicht; da presst alles rein, schafft Dynamik, ganz von allein, jeder für sich, durch die schiere Masse. Oldenburg muss die Kreativen, die Kaufleute einbinden. Die Mobilität. Warum geht die Stadt Oldenburg gemeinsam mit den Innenstadtkaufleuten nicht voran und stellt eine Flotte kleiner Elektro-Flitzer in der Peripherie auf, die jeder kostenlos nutzen kann? Die dann querfinanziert werden, von Einzelhändlern oder Herstellern? Das wäre marketingmäßig ein Effekt, und die Kaufleute würden feststellen, Parken ist kein Problem mehr. Parkhäuser könnten weg, weil es draußen Parkplätze gibt, und die Innenstädte würden weiter aufleben. Ist ja an sich nicht neu, denn Hamburg, München, Berlin machen es ja schon.
Ja, gut, Hamburg, München, Berlin … aber Oldenburg?! Da ist sie wieder, diese „Kopfsache“…
Wenn man dir so zuhört, gewinnt man den Eindruck, du siehst dich als Architekt mehr auf der stadtplanerischen Seite. Täuscht das, weil dieses Gespräch nun diesen Verlauf nahm?
Ein bisschen. Wir sehen uns als „Kreativunternehmer“ oder „Ideenmanager“. Im Grunde legen wir uns nicht auf Aufgaben fest, sondern betrachten Bürowelten, Wohnen, Städtebau gleichrangig. Schon weil sie sich überlagern. Ich sehe uns nicht mehr als Gestalter dessen, was uns ein anderer, der Kunde, sagt, sondern als Entwickler bzw. Aufspürer von Problemstellungen und Zusammenhänge. Der Unterschied zu einem anderen Unternehmer schwindet auch. Der muss ja auch ständig Zusammenhänge sehen. Wie gehe ich welches Problem an? Natürlich musste und sollte auch dieses Haus am Ende „schön“ sein. Das war schon mein Anspruch, weil ich uns natürlich auch als Gestalter sehe, aber überzeugen musste die Idee, das Konzept sowie die Antwort auf die Frage: Was machen wir mit dem Waffenplatz? Wie bringen wir Lebenswelten hierher, und lassen sie sich überlagern? Wie schaffen wir Urbanität? Dass das gelungen ist, erfüllt mich mit viel mehr Stolz als die Schönheit, die unterschiedlich wahrgenommen wird.

Du nanntest gerade Steve Jobs. Der wird ja als Egozentriker geschildert, galt als genial. Unbestritten erfolgreich. Aber menschlich? Da klingen die Beschreibungen verhalten-enthusiastisch. Wie siehst du dich? Laufen die Dinge so, wie du sie willst oder gar nicht?
