Lebensart Ich nähere mich Wein wie einem Kunstwerk
Ich nähere mich Wein wie einem Kunstwerk
Interview mit Eva Fricke
Von 600 auf 68.000 Flaschen innerhalb weniger Jahre. Die gebürtige Bremerin Eva Fricke hat mit ihrem Weingut im Rheingau geschafft, wofür manch anderer Winzer Generationen braucht. Mit CHAPEAU spricht die prämierte Weinexpertin über die späte Liebe zum Wein, den Spagat zwischen Weinbau und Vollzeitjob – und über „Geschmacksbilder im Kopf“.
CHAPEAU ― Wie hast du zum Wein gefunden?
Eva Fricke ― Ich wollte früher einmal Bierbrauerin werden und habe ein Praktikum bei Beck’s gemacht. Dort hat es mir zwar nicht gefallen, aber das Thema Getränke hat mich weiter beschäftigt. Dann bin ich durch Zufall an ein Praktikum auf einem Weingut in Südafrika gekommen. Ich wurde sofort ins kalte Wasser geworfen, durfte in den Kellereien und auf den Weinbergen mitarbeiten, als ob ich bereits eine versierte Weinkennerin und -genießerin wäre. Dabei hatte ich Wein bis dahin gar nicht gemocht. Nicht einmal während meiner Zeit dort habe ich angefangen, Wein zu trinken oder gar zu mögen. Aber mich hat fasziniert, Landwirtschaft von einer mir vollkommen unbekannten Seite her kennen zu lernen. Vom Anbau des Weins über den Ausbau bis hin zur Vermarktung. So habe ich das Handwerk von der Pike auf gelernt.
Hast du dann Önologie studiert, um die Praxis mit theoretischem Wissen zu untermauern?
Wie haben sich die Erfahrungen im Ausland von denen in Deutschland unterschieden?
Damals mochtest du keinen Wein. Aber heute schon?
Was reizt dich an Wein?
Rudolf Steiner ist der Begründer der Anthroposophie wie auch des biolo- gisch-dynamischen Weinbaus. Spielt seine Lehre für dich eine Rolle?
Noch nicht! Wir haben im vergangenen Jahr damit begonnen, uns mit ihr auseinanderzusetzen, sind aber noch weit davon entfernt, den gesamten Betrieb darauf umzustellen. Die Lehre ist komplex und basiert auf einer Konstellations-Theorie. Die Bedeutung von „Konstellationen“ haben wir schon lange erkannt und respektiert. Seit vier Jahren arbeiten wir nach bestimmten Rhythmen und merken: Der Wein wird lebendiger! Bereits vor dem Ausbau kommt viel mehr eigener Ausdruck aus der Traube. Und ich bin mir sicher, dass die Menschen, die unsere Weine kennen, schätzen und trinken, das auch wahrnehmen.