Reisen Im Lande Astrid Lindgrens

Im Lande Astrid Lindgrens

HEUREKA – Reisen heißt entdecken!

Text: Michael Eckert

Die Welt ist schön und bietet zahllose Möglichkeiten zur Erholung und Entspannung – aber ebenso viele atemberaubende Attraktionen und spannende Expeditionen, die unsere Horizonte erweitern und das Leben bereichern. CHAPEAU ist unternehmungslustig. Mit der Rubrik HEUREKA! stellen wir in jeder Ausgabe ein einzigartiges Reise-Highlight vor, das eine Entdeckung lohnt. Abenteuer gesucht? Gefunden! 

Info – Die historische Provinz Småland im Südosten Schwedens gehörte bis ins 17. Jahrhundert zu Dänemark und zählt heute zu den begehrtesten Reisezielen Skandinaviens. Die an die Ostsee grenzende Region ist 32.067 km2 groß, aber mit rund 720.000 Einwohnern für unser Verständnis recht dünn besiedelt. Die Landschaft ist von großen Wäldern, Feldern und Wiesen, vielen Seen und ausgedehnten Mooren geprägt und bietet zahlreiche Möglichkeiten für allerlei Aktivitäten zu Lande und zu Wasser.

Besonders bei Sonnenauf- und bei Sonnenuntergang bieten die landestypischen roten Holzhäuser herrliche Fotomotive. 
Foto: Christoffer „Wisslaren“ Collin

Die südschwedische Region Småland diente der berühmten Autorin Astrid Lindgren als Vorbild für die grünen Landschaften, die sie in zahlreichen Kinderbüchern beschrieb und damit die Phantasien vieler Generationen Heranwachsender beflügelte. Aber Småland ist nicht nur ein Kinderparadies, sondern ein Traumziel für Reisende, Aktivitätshungrige und Naturfreunde jeden Alters. 

Vermutlich haben nahezu alle Deutschen schon mal eines der blau-gelben Möbelhäuser besucht, die mit I anfangen und mit kea aufhören. Und wahrscheinlich haben sie dabei auch schon einmal eine Lautsprecherdurchsage wie diese gehört: „Der kleine Anton möchte gern aus dem Småland abgeholt werden.“ So werden wir schon früh vertraut gemacht mit der wohl bekanntesten Region Schwedens, die auch den Kinderhorts bei Ikea ihren Namen gab. Und wir kennen bereits ihre korrekte Aussprache: „Smohland“. Jetzt fehlt nur noch der Schritt, dieses sagenumwobene Land auch einmal persönlich zu bereisen. So viel vorweg: Es lohnt sich.

Fahrradreisende finden unterwegs die Gelegenheit zu Erfrischungen. 
Foto: Alexander C. Svensson

Trotz des Namens Småland, der sich aus dem schwedischen Wort für schmal ableitet, und trotz der Assoziation, die er hervorruft, ist die historische Provinz im südöstlichen Teil Schwedens alles andere als klein. Mit gut 32.000 Quadratkilometern ist es die drittgrößte Region Schwedens und mehr als doppelt so groß wie Schleswig-Holstein (hat aber nur ein Viertel von dessen Einwohnerzahl). Das Smål im Namen verdankt es der Tatsache, dass es einst aus mindestens 11 kleinen Ländern gebildet wurde. Entsprechend vielfältig präsentiert sich Småland den Besuchern, die das „kleine Land“ mit seiner wunderschönen, weitläufigen Landschaft entdecken – etwa mit Auto, Wohnmobil oder per Fahrrad. Ausgedehnte Wälder, glitzernde Seen, die 200 Kilometer lange Ostsee-Küste mit ihren Inseln, die landestypischen roten Holzhäuser und die pittoresken Dörfer – überall dominiert der Eindruck einer perfekten Harmonie zwischen Natur und Kultur.

Auf Holzbohlen wandert man sicher über das „Große Moor“. 
Foto: Alexander Hall

„Für eine anfängertaugliche Radtour eignet sich der asphaltierte und autofreie Radweg Lagadasleden.“

Mehr als 5.000 Seen und Flüsse, vier Nationalparks und 400 Naturschutzgebiete bieten unendlich viele Möglichkeiten zum Wandern, Radfahren und Angeln. Niemand muss dabei Angst haben, sich in Einsamkeit zu verlieren. Mittendrin finden sich immer wieder Restaurants, Geschäfte oder Museen für schwedisches Design. Småland versteht sich nicht nur als Naturparadies, sondern auch als internationales Zentrum für Innovation und Kreativität. Im sogenannten „Glasreich“ zwischen den Städten Kalmar und Växjö wird seit Mitte des 18. Jahrhunderts in mehreren Hütten Glas geblasen, viele namhafte Möbeldesigner haben in Småland ihren Sitz und, ja, auch der Möbelriese Ikea – mittlerweile mit Hauptsitz in den Niederlanden – residiert noch prominent an seinem Gründungsort im 1.000-Seelen-Städtchen Älmhult. Mit Möbelhaus, einem Hotel und einem Museum. 

Nun fährt wohl kaum jemand mehr als 600 Kilometer, um ein Möbelhaus zu besuchen. Also halten wir uns lieber an die einzigartigen Attraktionen des Landes. Beispielsweise den vier Nationalparks. Alle unterschiedlich, aber jeder auf seine Weise erlebenswert. Der Nationalpark Åsnen ist etwa 160 km2 groß und ist nach dem gleichnamigen See benannt, dem zweitgrößten Gewässer Smålands. Wanderer und Kanuten finden hier eine abenteuerliche Landschaft aus Wasser und Inseln, Hobby-Vogelkundler kommen hierher, um Fischadler und Prachttaucher zu beobachten. Wanderwege durch die ursprüngliche Natur starten direkt am Eingang des Parks. In Erinnerung werden vor allem die langen Sandstrände, die vielen Inseln und die hellen Buchenwälder bleiben.
Der Nationalpark Norra Kvill eignet sich wegen seiner Größe von nur einem Quadratkilometer für einen Tagesausflug. Er punktet mit einem verwunschen anmutenden Wald, der seit fast einem Jahrhundert unter Naturschutz steht und sogar seit 150 Jahren nicht gerodet wurde. Zwei Wanderwege, 2,5 und 4 Kilometer lang, führen durch die Urlandschaft.
Der Nationalpark Blå Jungfrun (Blaue Jungfau) präsentiert sich als geheimnisvolle Insel in der Ostsee. Um sie zu erkunden, mietet man sich nach Ankunft der Fähre am besten ein Fahrrad. Der 86 Meter hohe Berg der Insel stand in früheren Zeiten in Verdacht, dass dort Hexen ihr Unwesen treiben. Für den schwedischen „Blumenkönig“ Carl von Linné (1707-1778), ein Pionier der modernen Botanik, gehörte Blå Jungfrun zu den fürchterlichsten Orten auf der ganzen Welt. Der Aberglaube vernebelte ihm offenbar den Sinn für die atemberaubende Natur, die von dichtem Laubwald mit über 200 Pflanzenarten, Steinen und Felsformationen geprägt ist. Moorlandschaften hingegen kennzeichnen Smålands größten Nationalpark Store Mosse. Seit 1982 steht das 80 km2 große Areal rund um den See Kävsjön unter Naturschutz. Präparierte Wanderwege mit 14 Kilometer Länge führen auf Holzbohlen sicher und komfortabel über das „Große Moor“. Wer den Schritt wagt, wird mit einer Vielfalt an Pflanzen und Vögeln belohnt, die es sonst nur im Norden Schwedens gibt. Zwergschnepfe, Regenbrachvogel, Kraniche und Adler sind hier zu Hause, aber auch Elche. Im imposanten Besucherzentrum Naturum kann man sich über die mysteriöse Moorlandschaft informieren, die viele Volksmärchen inspiriert hat. 

Nordeuropas längste Zipline führt durch ausgedehnte Waldgebiete. 
Foto: Peter Szabo

„Wer den Schritt wagt, wird mit einer Vielfalt an Pflanzen und Vögeln belohnt, die es sonst nur im Norden Schwedens gibt.“

Auch abseits von den Naturparks bietet Småland viele Möglichkeiten zum Wandern und anderen Aktivitäten. Rund 5.000 Inseln und Schären vor der Ostseeküste bilden zusammen den Schärengarten von Västervik. Ein Paradies für alle, die Paddeln, Angeln, Radfahren oder Klettern wollen. Mehrere Kajak-Paddelrouten aller Schwierigkeitsstufen führen durch die teils unberührte Inselwelt. Für eine anfängertaugliche Radtour eignet sich der asphaltierte und autofreie Radweg Lagadasleden. Über zehn Kilometer zwischen den Ortschaften Lagan und Ljungby folgt er dem Lagan-Fluss und führt durch das grüne Lagatal, vorbei an Wäldern, Feldern und Dörfern mit diversen Hofläden. In Lagan selbst bietet sich ein Besuch des Elchparks an. 

Wer Spaß an luftigen Höhen hat, sollte sich auf Nordeuropas längste Zipline begeben. Die Sweden Zipline oder „Little Rock Lake“ 50 Kilometer östlich von Växjö führt durch ein riesiges Waldgebiet mit Bächen, Schluchten und kleinen Seen. Auch zwei Wanderwege am Boden laden zu Tagesausflügen ein. Wer will, übernachtet viel- leicht in einer Hütte, im Zelt oder auf dem Campingplatz.

„In Erinnerung werden vor allem die langen Sandstrände, die vielen Inseln und die hellen Buchenwälder bleiben.“

Natürlich kann man nicht von Småland reden, ohne den Namen seiner berühmtesten Persönlichkeit zu nennen. Astrid Lindgren. Die weltbekannte Kinderbuchautorin (1907-2002) hat in ihren Werken von Pippi Langstrumpf bis Bullerbü stets an Småland gedacht, wenn sie die paradiesischen Sommer in blühenden Landschaften Schwedens beschrieb – mit idyllischen Dörfern, wilder Natur und urigen Bauernhöfen. So hat sie ihre Heimat ebenfalls weltberühmt gemacht. Småland dankt es der großen Autorin mit vielen Attraktionen rund um die Stadt Vimmerby, in denen Fans jeden Alters die Welt von Pippi & Co. hautnah erleben können. Angefangen bei Lindgrens Elternhaus, dem jetzt als Museum her- gerichteten Pfarrhaus Näs, über den Astrid-Lindgren-Themenpark in Vimmersby bis hin zum 20 Kilometer entfernten Filmdorf Småland in Mariannelund mit seinen Originalkulissen, Requisiten und den benachbarten Original-Drehorten bieten sich viele Gelegenheiten, noch einmal in die Welt der Kindheit einzutauchen. 

Per Kajak oder Kanu lässt es sich durch die malerische Inselwelt paddeln. 
Foto: Ingrid Em Olsson

Zum Schluss noch ein Tipp: Die App „Naturkartan“ weist schöne Paddelstrecken, Natur- und Wanderwege aus und zeigt die Eingänge zu den Nationalparks, Wege zu Schutzhütten, Feuerstellen und weitgehend unerforscht bleibenden Grotten. Durchsickernde Wassertropfen formen mit den enthaltenen Kalkpartikeln Skalaktiten und lassen die Stein gewordenen Tränen um rund einen Zentimeter pro Jahr wachsen. 

Kategorie: Reisen
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