Interview mit Alexander Friedmann-HahnInterview: Lars Görg | Fotos: Arash Farahani (aus dem Interview)

„Wenn es irgendwann nur noch die Namen sind, mit denen man sich schmückt, gar nicht mehr das Werk, dann bin ich raus aus dem Spiel!“
Zum dritten Mal in Folge ein Stand auf der CONTEXT Art Miami, eine DER Kunstmessen für zeitgenössische Kunst der Welt: Viel mehr geht eigentlich nicht. Wie und wann sind Sie Galerist geworden? Und warum? Sie haben Ihre Familie und sich 20 Jahre lang als bildender Künstler ernährt.
Genau. Aber um genau zu sein, habe ich nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung als Werbekaufmann gemacht. Obwohl alle sagten, das sei nichts für mich, habe ich diese nach kurzer Zeit abgeschlossen und war nach anderthalb Jahren Hamburgs jüngster Werbekaufmann!
Sie kommen aus Hamburg?
Ach, die Ausstellung, nach der Gunter Sachs sämtliche Exponate aus Scham darüber gekauft hatte, weil niemand sonst auch nur ein Stück wollte?
Ich bin ein leidenschaftlicher Galerist. So wie ich ein leidenschaftlicher Künstler war, der, das kann ich so sagen, jedes seiner Bilder verkauft hat. Eines musste ich kürzlich zurückkaufen, weil ich meinen Kindern mal zeigen will, was der Papa zu einer anderen Zeit seines Lebens so gemacht hat.
Womöglich provokativ, aber nicht verletzend gemeint: Hörten Sie als Maler auf, weil Talent, Qualität, Botschaft oder Ausdruck niemanden mehr interessierten?
Überhaupt nicht, schauen Sie: Diese 300 m2 in bester Charlottenburger Lage konnte ich als bildender Künstler, als Maler, mieten. Die heutige Galerie war mein damaliges Atelier. Darüber hinaus konnte ich schon damals das Haus mieten, in dem ich mit meiner Familie lebe. Ich war zu scheu, in andere Galerien zu gehen, um meine Bilder, oder, wenn Sie so wollen, mich anzupreisen. Ich habe ganz klein angefangen. In Südfrankreich mit 21 Jahren und meinen Gouachen unterm Arm, vor dem Hafen oder was weiß ich. Ich bin in die Restaurants gegangen und habe für 150 Franc, also knapp € 50,00, angeboten, was ich hatte. Aber damit habe ich damals weit mehr verdient als in meinem eigentlichen Ferienjob bei McDonald´s.
Das war das Einzige, was mir als Deutscher übrig blieb. Man war ja damals nicht gerade beliebt. Dann kam ein kurzer Ausflug in die Immobilienbranche, der mir allerdings keine Freude gemacht hat. Aber einer meiner damals größten Sammler, Christian Völkers von Engel& Völkers, eröffnete ein Büro in Berlin – und hat mich dorthin gelockt. Währenddessen hatte ich mir jedoch schon mein Atelier gemietet. Zum Glück war mein Chef mehr an meiner künstlerischen Arbeit als an der als Immobilienverkäufer interessiert. Also habe ich irgendwann den Absprung gewagt und mich ab 1994 nur noch der Malerei gewidmet: immer auch auf andere Künstler schauend, oft bewundernd, ja ehrfürchtig. Und gleichzeitig traurig, dass die zum Teil so erfolglos waren. War ich ja nicht. Ich war scheu, aber gut vernetzt. Was schon damals ganz wichtig war. Ich machte ein Essen zu Hause und danach waren alle Bilder verkauft. Ich konnte wirklich gut davon leben.
Aber der Galerist, des Vaters Sohn, lauerte stets um die Ecke?
Wenn Sie so wollen. Hier, im Atelier, hatte ich immer auch schon Bilder von Malern, die mir gefielen. Und die verkaufte ich auch. Da waren immer schon Sensibilität und Leidenschaft in mir. Sensibilität auch für soziale Aspekte, Nöte von Künstlern, die ich grenzenlos bewunderte, die aber einfach nicht von ihrer Kunst leben konnten. Und Leidenschaft, daran etwas zu ändern.
Ich entschied mich, auch für andere Maler das zu tun, was mir bei mir gut gelang: das Werk zu einem guten Preis zu verkaufen. Manchmal fühlte ich mich doch wieder wie ein Makler, aber es war diesmal ein gutes Gefühl ...
Ich habe wenig Ahnung von der Arbeit eines Immobilienmaklers, ärgere mich aber, Courtage zahlen zu müssen! Für was? Einen Galeristen habe ich jedoch – bei ähnlicher Ahnungslosigkeit – nie in diesem makelnden Lichte betrachtet. Sind Galeristen wie Dirigenten? Die durch das Zusammenspiel der vielen Musizierenden etwas schaffen, Werke nach ihrem Geschmack formen und ja dann auch vermarkten?
Nun, zunächst einmal musste ich viel lernen. Über den Markt, das Inszenierte, das Gemachte – und habe, glaube ich, einen ganz eigenen Weg entwickelt, Künstler zu betreuen. Im besten Falle sehe ich mich als Agent, der versucht, die Künstler durch schwierige und dann hoffentlich auch irgendwann einmal gute Zeiten zu begleiten. Es ist eine sehr intensive Zusammenarbeit, die wir dann haben. Es ist auch nicht so leicht, 25 Maler, einen Street Artist, zwei Bildhauer und einen Fotografen sowie eine performative Künstlerin im Galerieprogramm zu haben beziehungsweise zu betreuen. Alle möchte ausstellen, an einer Messe beteiligt sein und an andere Galerien vermittelt werden, einen Katalog haben, Künstlergespräche führen und so weiter. Es ist intensiv – und wird immer intensiver. Es ist einerseits schön, wenn man sieht, dass Künstler Erfolg haben. Andererseits ist es manchmal auch enttäuschend. Denn erfolgreich sind sie nur nach gemeinsam durchgestandenen schweren Zeiten, um dann zu, von mir aus, einer Galerie wie Gagosian in New York zu gehen. Exklusiv. Das ist schon ein Schlag ins Gesicht, nicht mehr von der künftigen Entwicklung profitieren zu können. Allerdings ist es schon ganz oft passiert, dass Künstler, die mich erst verlassen haben, nach zwei Jahren zurückkommen. Kleinlaut.
Und?
Als ich ein Junge war und Kunst erstmalig als einen Wert, als etwas sozusagen „Absolutes“ wahrnahm, kannte ich auch gleich erste Sammler: Heini von Thyssen, Ludwig, die Queen, Aaron Spelling, Gunter Sachs, Roy Halston. Heute scheint jeder Hans und Franz Sammler zu sein, so als wäre das ein schicker Beruf wie seinerzeit Kieferorthopäde oder Werber. Die waren ja nicht nur berufstätig, sondern hatten auch Pferdelederschuhe an, trugen bestimmte Uhren und fuhren Porsche. Eine postmoderne Villa machte das Bild rund. Heute bin ich Sammler, wohne im Bunker oder Loft, habe geerbt und mache auf scheu. Ist das so? Oder bin ich oberflächlich bis dümmlich mit dieser Feststellung?

Lucretia - Josef Fischnaller

Wood Steel - Anders Gjennestad
Welcher Kategorie würden Sie die von mir beispielhaft genannten Sammler zuordnen?
Und Ihre Sammler können das erkennen? Die Kunst? Oder schließen Sie sich einem Zitat aus dem zaristischen Russland an, als ein Mäzen Manet, Monet und frühe Picasso kaufte als „Bilder von Wahnsinnigen für einen Wahnsinnigen“?
Neo Rauch, Rainer Fetting fallen mir ein, wobei Fetting ja nichts mit Leipzig zu tun hat.
Und nun geht es wieder nach Miami – als Idealist oder als Kaufmann?
Wie bewirbt man sich bei Ihnen? Mit akademischen Graden, beeindruckender Vita, frischen Werken, Enthusiasmus, guten Beziehungen?
Ganz einfach: mit einem guten Werk. Mehr schaue ich mir gar nicht an, will ich gar nicht sehen. Am liebsten suche ich die Künstler aus, besuche sie, beschaffe Kataloge, höre mich gezielt um. Am besten funktioniert das, wenn ich meine Künstler frage. Wen bewundert ihr? Wen findet ihr spannend? Die sind dann eigentlich immer interessant. Ist aber jetzt kein neuer Trick, sondern in meinen Kreisen eine besonders bewährte Methode.
Im nächsten Schritt hole ich mir den Künstler über eine Gruppenausstellung in die Galerie. Wir machen zwei, drei Gruppenausstellungen im Jahr, mit den zurzeit interessantesten Werken der interessantesten Künstler. Maximal zehn Künstler, in von uns „Kunstessenzen“ genannten Ausstellungen. Diese werden vom Publikum sehr gut angenommen und sind eine sinnvolle Ergänzung der Einzelausstellungen.
Nähern Sie sich ähnlich intensiv auch anderen Lebensbereichen? Dem Essen, Trinken, Bekleiden, Einrichten? Ist Qualität für Sie immer das Maß der Dinge?
Und zu Hause? Ehemann, Vater und Sammler? Oder genau das Letztere nicht, weil Sie es hier ausleben können?
Keine ganz neue Erkenntnis …
Unlängst sprach ich mit einem Interview-Partner über das Glück der Besitzlosigkeit. Faszinierend, schon weil mir selbst so fremd. Eine Option für Sie? Besitzlosigkeit? Verzicht?
Ich auch nicht. Gott sei´s geklagt.

Maßgeschneidert - Guido Sieber

Giganten - Guido Sieber

Police Angel - Mia Florentine Weiss

Der Kuss - Markus Fräger

Primavera - Rolf Ohst

Cenote Azul - Anne Leone

Kein Titel - Nikolai Makarov

Flachmann - Thomas Kaemmerer

Indian Bed Spread - Donald Vaccino
