Reisen Klaus muss raus…

Klaus muss raus…

Klaus von Due auf (Schlemmer-) Tour in München

Der September ist zur Hälfte um, der Oktober naht – das sagt mir was? Genau: Klaus muss raus! Aufs Oktoberfest. Mich auf dem Sofa meiner Eltern enden sehend (CHAPEAU ist glamourös, aber sparsam), überrascht mich mein Herausgeber mit der Nachricht, es dürfe schon das Hotel „Cortiina“ sein. Wer bin ich, da noch nach dem „Bayerischen Hof“, dem „Vier Jahreszeiten“, dem „The Charles“ oder dem „Mandarin Oriental“ zu fragen?
Also wurde flugs der ICE bestiegen, der, aufgepasst, einmal am Tage ohne Umstieg von Oldenburg nach München fährt. Ja, morgens um 6:41 Uhr – was unchristlich scheint, aber dafür um 12:39 Uhr bereits ausgestanden ist. Ich sollte jetzt schreiben, dass ich die knapp sechs Stunden für „ungestörte und konzentrierte Arbeit“ genutzt habe, erlaube mir aber den Hinweis, dass das Angebot des Bordrestaurants sooo schlecht nicht ist ...
„München leuchtete“, schrieb Thomas Mann schon 1902 – ich schreibe es heute wieder: strahlend blauer Himmel, hingetupfte weiße Wölkchen, milde 20 Grad. Ein Traum! Mit leichtem Gepäck geht’s zu Fuß zum „Cortiina“. (Ich gehe über den Stachus, am „Oberpollinger“ nicht nur vorbei, sondern kurz hinein – Münchens Antwort auf Berlins „KaDeWe“ – und dann via Marienplatz und Maximilianstraße den gewiss nicht kürzesten, aber mir schönsten Weg.) Dort hat man mich noch nicht wirklich erwartet, aber den ersten Honig um das nimmersatte Maul geschmiert: Da mein Standardzimmer noch nicht fertig sei, weise man mir eine Suite zu. Wem Gott will rechte Gunst erweisen ...
Ein wundervoller Anfang: geschmackvoll möbliert in heimischem Zirbenholz (was nicht nur fabelhaft aussieht, sondern auch noch fabelhaft duftet), ausgelegt mit wunderbaren Kelims (ja, der Teppich ist wieder da! Gerade jetzt, da „Ullmann“ weg ist ...), mit Sofas und Sesseln, die Velour und nicht stereotypes Leder tragen, sowie mit einem Bad beschenkt, das ohne Bling-Bling Naturstein und wertvolle Armaturen zelebriert. Das schreit geradezu nach etwas Champagner und einem lauen Wannensitzbad. Und da ich alleine bin – vor wem sollte ich mich rechtfertigen? Eben.
Das Boutique- und Designhotel „Cortiina“ im Herzen Münchens vereint lässige Eleganz, anspruchsvolles Design und exzellenten Service.
Gebadet und gestärkt geht’s wieder in die Stadt. Direkt ins „Kaufhaus Beck“. Sie kennen meinen Vater nicht, aber dass er vor über 30 Jahren schon sagte, er liebe dieses Kaufhaus, heißt was. (Er liebt so manches, aber a) spricht er darüber nicht und b) gehören Kaufhäuser für ihn grundsätzlich in eine dieser diametral gegenüberstehende Kategorie) ... Nun, ich liebe es auch! So ähnlich, wie das „Cortiina“ erwartbaren Prunk meidet, erspart auch „Beck“ mir derlei Tamtam – und das damit einhergehende Publikum. Stattdessen gibt es noch Kurzwaren (Knöpfe, beispielsweise), Schallplatten, Bücher (in der Abteilung „Dichtung und Wahrheit“, gepaart mit aus- gesuchten Weinen), eine Parfümerie der besonderen Art – und natürlich das, was wir gelegentlich suchen (und noch immer zu finden wussten): Designer-Kollektionen, verschwenderisch luxuriöse Wäsche, Anzüge, Mäntel etc. Bemerkenswert, auf jede nur vorstellbare Weise.
Von dort zu den „Fünf Höfen“ ist es nicht weit. Der amerikanische oder asiatische Tourist mag das Ensemble Mall nennen, ich be- vorzuge den Ausdruck „steinerne Versuchung“. Natürlich kann ich geradewegs hindurchgehen, um nahe dem Hintereingang des „Bayerischen Hofes“ herauszukommen, ich kann mich aber auch verführen lassen. Von „Schumanns Tagesbar“ (es dürfte sich herumgesprochen haben, dass ich auch an Vormittagen keineswegs verhalten-enthusiastisch auf die eine oder andere Spirituose reagiere), von „Hugendubel“ bis „Riedel“ und „Rewe“. Wer nun fragt, was ich an „Rewe“ großartig finde, der soll mal hineinschauen! Der Marktleiter, ein Münchner Original der charmanten Sorte, der scheinbar jeden Kunden beim Namen kennt, der Gin- oder Craft Beer-Macher genauso wie Winzer und Käser einlädt, sich und ihre Produkte vorzustellen. Und ein Betrieb – unfassbar!
Schön auch das Armani-Café, reduziert und teuer eingerichtet, in dem man reduziert und teuer gereichte Kleinigkeiten genießen kann. Mir steht der Sinn mehr nach einem anständigen Gimlet bei „Schumanns Tagesbar“ und einer sich anschließenden Stippvisite der „Kunsthalle“. Peter Lindbergh zeigt eine Werkschau, vorhersehbar spektakulär kuratiert und, Oktoberfest hin oder her, allein schon die Reise wert. „Käfer“ bespielt das Café der Kunsthalle, ähnlich preiswert wie das Armani-Café, dafür weniger reduziert, was Schmankerl angeht. Aber das sehen Sie ja alles selbst, nicht?
„Eduard Meier“, der Republik ältestes Schuhhaus, war schon des Reiches ältestes Schuhhaus. Seit 1596 bleiben diese Schuster nun schon bei ihren Leisten. Und selbstverständlich steht Herr Meier selbst an der Kasse, jeden Werktag, den Gott kommen und gehen lässt, bringt jeden Kunden (ich fühlte mich mehr als Gast) persönlich zur Türe und übergibt auf der Schwelle die Tüte. „Peduform“ heißt der hauseigene Leisten, den der erfahrene Kenner sofort beim Namen nennen kann, sieht er ihn an Andermannes Füßen. Und der schmale Keder an der Zungenkante gibt mehr oder minder dezent Auskunft über die Vermögensverhältnisse des Trägers: Blau gibt’s für eher kleines Geld, Purpur zeigt den Fortschritt an, Grün geht immer – und bei Rot hört’s auf. Wo es bei mir aufgehört oder ob es überhaupt angefangen hat, sehen Sie dann auch gelegentlich selbst ...
Zeit für ein spätes Mittagessen: „Osteria Italiana“ heißt mein Ziel. Ich will nicht die Diskussion aufwärmen, ob die „Osteria“ nun das älteste italienische Restaurant Deutschlands ist, und auch nicht zwingend an dem Tisch Adolf Hitlers sitzen, dessen Lieblings- und Stammrestaurant die „Osteria“ in München war. Aber schauen, ob das Gebotene gut ist, vielleicht sogar sensationell – das will ich schon.
Ossobuco gibt es leider nicht (in das Mark, das ich aus der Beinscheibe zum Schluss herauslöffle, könnte ich mich hineinsetzen), dafür das Angebot, mich überraschen zu lassen. Dann mal los ... Bruschetta als Gruß aus der Küche überrascht mich nun nicht wirklich, erfreut mich aber uneingeschränkt. Die Pasta Pomodoro sodann hat es einfach in sich – eine aromatische Tiefe und Breite, gegen die sich mein umbrischer Weißer so gerade noch behaupten kann. Die geschmorten Ochsenbäckchen, die dann folgen, lassen mich zu einem Glas Super-Toskaner greifen. Teuer, ja, aber einfach zu gut, um ausgelassen zu werden. Und außerdem hatten die Super-Toskaner von München aus einst den Siegeszug durch die Republik und dann die Welt angetreten. Mein Gott – ein Gedicht. Und, ja, die verheißene Überraschung.
Apropos „Siegeszug“ und „Welt“: Mit dem reizenden älteren Herrn am Nebentisch komme ich ins Gespräch. Und der sagt zwischendurch ganz lapidar: „Früher saß der Hitler hier. Und heute wir.“ Womit er sich und seine jüdischen Freunde meint. Ob feine Ironie oder versöhnliche Geste: Hier darf und kann man nicht nur hingehen, hierher muss man gehen.
Zurück im Hotel, gilt es, den Abend zu planen. Meine „Cortiina“-Gastgeber bestärken mich, den „Theresa Grill“ zu besuchen. In Städten wie München sehen Restaurants wie diese heute so aus: offenliegende Rohre, Kabel, nackte Glühbirnen, offenporiges Mobiliar. Die dazugehörigen PR-Phrasen singen von urban, industrial, minimalism und anderen Anglizismen. Bevor Sie nun denken, man habe mich auf dem falschen Fuße erwischt – nichts davon! Sieben Wochen gereiftes Rindfleisch von glücklichen Tieren, offen gegrillt auf Buchenholzkohle, machen auch mich glücklich. Und gefühlt – reif für die Notschlachtung, weil meine Augen einfach mal wieder zu groß gewesen sind. Zu meinem Glück bietet die gutbestückte und charmant bespielte Bar Abhilfe ... Bevor ich mich jetzt jedoch „in eine Ecke“ gestellt fühle, hier meine Rechtfertigung: Wenn Sie ein halbes Dutzend knackfrischer Fine de claire-Austern bestellen können, danach einige hundert Gramm besagten Fleisches, von der Küche mit gekräuterter Gänseleber begrüßt werden – nun, dann möchte ich Sie danach einmal sehen! Und wir sehen uns: nach dem perfekt gegrillten, wunderbar krossen, tiefdunkelbraunen Stück Fleisch an eben jener Bar ...
Ob es danach noch eine Bar sein darf (bei mir: immer!), liegt bei Ihnen. Und liegt es Ihnen, dann sollte es am Odeonsplatz die „Les Fleurs du Mal“ sein. Weiß man, dass es sich hierbei um eine weitere Charles Schumann-Gründung handelt, überrascht die Kür zur „besten Bar Deutschlands“ keineswegs. Auch die aufgerufenen Preise weiß man dann souverän zu nehmen. Problematischer erweist es sich, den richtigen Weg zu nehmen. In der altbekannten „Schumanns Bar“ frage ich einigermaßen ratlos den Bartender – um zu erfahren, es gehe bloß die Treppe rauf, hinauf in den ehemaligen Rauchersalon. Oben angelangt, muss ich feststellen: Das ist ja mal was! Très japonais, très chic. Man sitzt sehr tief, japanisch eben, an einem einzigen, neun Meter (!) langen Tisch, dessen Holz, nein, dessen Spender, den Baum, Charles der Große, selbst ausgesucht hat. Ja, Henning, der Bar-Chef, mit dem ich rasch ins Gespräch komme, kann was. Meine immer gleiche Bitte um einen „Prince of Wales“ kontert er mit einem „Clover Club“. Gin, Wermut, Himbeeren und Champagner. Und in all dem Braun und tiefdunklem Lila bin ich auf einmal Don Draper und höre Acker Bilks „Stran- ger on the shore“ ... Tatsächlich höre ich nichts, denn für Schumann ist „kultiviertes Trinken“ nicht nur ein Trend, sondern ein Hochamt. Und da haben Musik oder ein DJ nichts verloren. Gar nichts.
Voller froher und dankbarer Gefühle nähere ich mich dem „Cortiina“. Um sofort angesichts der hoteleigenen „Grapes“ Weinbar das Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft zu Hause zu verspüren (der Bildungsbürger unter den Lesern bemerkt sofort, dass ich zu fortgeschrittener Stunde durchaus noch im Stande bin, Beethovens Satzbezeichnungen der 6. Sinfonie zu zitieren). Ein Paradies für Weinliebhaber, ein Paradies für mich! Raritäten, auch offen, Neuentdeckungen, Bewährtes, auf Wunsch flankiert von Kleinigkeiten aus der respektablen Küche, machen diese Weinbar so ziemlich sofort zum Lieblingsplatz. Um der Wahrheit Rechnung zu tragen: an zweiter Stelle, direkt nach meinem Bett.
Dass ich anderntags gleich wieder in der Weinbar den Tag beginne, sollte Ihnen keinerlei Sorgen bereiten, denn dort wird das Frühstück gereicht. Sie wissen: Kaffee und Saft für mich, Omelett, Lachs, Eggs Benedict können mir gestohlen bleiben – sehen aber verführerisch aus. Schon auffällig anders, was da vorbeigetragen wird. So ist der Lachs beispielsweise in Blöcke und nicht in Scheiben geschnitten. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, das Landei zu geben und das eine oder andere Pfund für die Reise einzupacken, bleibe aber ich selbst ...
Um 17:36 Uhr geht ab München der einzige durchgehende Zug zurück. Nach Oldenburg. Was heißt das? Richtig. Oktoberfest.
„Käfers Wies’n Schänke“ lässt mich – ohne Reservierung – ein (was ans Wunderbare grenzt), und gleich fühle ich mich wie zu Hause. Zum einen, weil das teure Bier einfach himmlisch schmeckt, zum anderen, weil mein Oldenburger Lieblings-Werbekunde in Sichtweite sitzt. Und Kalle Schwensen ist auch da. Alle zeigen sich von ihrer besten Seite (was niemandem auch unter anderen Umstän- den schwerer gefallen wäre), der legendären Rehrücken lässt mich meinen nicht gestohlenen Lachs vergessen, und, wie befürchtet, ende ich doch noch auf dem Sofa meiner Eltern.
Eines ist jedenfalls sicher: Das wird Ihnen nicht passieren!

1. Cortiina Hotel
Ledererstraße 8, 80331 München
089 2422490
www.cortiina.com

2. Ludwig Beck
Marienplatz 11, 80331 München
089 236910
www.ludwigbeck.de

3. Fünf Höfe
Theatinerstraßee 15, 80331 München
089 24449580
www.fuenfhoefe.de

4. Kunsthalle
Theatinerstraße 8, 80331 München
089 224412
www.kunsthalle-muc.de

5. Ed. Meier
Briennerstraße 10, 80331 München
089 225002
www.edmeier.de

6. Osteria Italiana
Schellingstraße 62, 80799 München
089 2720717
www.osteria.de

7. Eataly
Blumenstraße 4, 80331 München
089 248817711
www.eataly.net

8. Theresa Grill
Theresienstraße 29, 80331 München
089 28803301
www.theresa-restaurant.com

9. Les Fleurs du Mal
Odeonspl. 6-7, 80539 München
089 229060
www.schumanns.de

10. Grapes Weinbar
Ledererstraße 8a, 80331 München
089 242249504
www.grapes-weinbar.de

Kategorie: Reisen
Chapeau - Das Magazin für kultivierte Lebensart - Logo