Reisen Klaus muss raus: Klaus von Due auf (Schlemmer-)Tour in Hamburg

Klaus muss raus: Klaus von Due auf (Schlemmer-)Tour in Hamburg

Klaus von Due auf (Schlemmer-)Tour in Hamburg

Ich liebe Hamburg! So sehr, dass ich eigentlich schreiben müsste: Klaus darf mit ... Mein Herausgeber trifft Kalle Schwensen, in Hamburg (aha: wir sparen Reisekosten), wohnt formidabel – „zur Herztransplantation fährst du auch nicht mit dem Linienbus!“ –, und der Rest wird sich fügen. Angekommen, erkenne ich sofort: das allermeiste hat sich bereits gefügt. Wir wohnen im „Sir Nikolai“! Für fußläufige Exkursionen optimal gelegen, nämlich zwischen HafenCity und Innenstadt, habe ich den Haupteingang beinahe übersehen. Danach aber übersehe ich nichts mehr. Nicht das ausgesucht schöne Mobiliar, nicht die schönen Perserteppiche – und schon gar nicht das überwältigend herzliche Personal. Während mein schmales Handgepäck in mein Zimmer verbracht wird (Fleetblick!), führt mich mein erster Gang in die Bar des „Izakaya“.
Da ich mein erstes Glas Champagner bereits an der Rezeption angeboten bekam, durfte es jetzt etwas Neues sein: ein „Sparkling Sake“ von Ninki, in der Flasche fermentiert. Macht so viel Spaß wie Champagner – und kostet ungefähr das Gleiche. Das Zimmer: makellos. Großzügig. Still. Hell. Wer’s kennenlernt, weiß, warum ich, wie in Privathaushalten, von Gäste- und nicht Hotelzimmern spreche. Alles atmet hanseatische, also keinesfalls aufdringliche Wertigkeit und Zeitlosigkeit. Schön: eine Minibar, die den Namen nicht verdient, weil sie normalgroße Flaschen enthält. Und noch schöner: ein kleiner Barwagen, der Whisky, Gin und Wein bereithält. Eine Reihe mir selten begegnender „Dead Clean“-Pflegeprodukte im Bad erinnert mich: Du bist nicht zu Hause. Aber du machst dich jetzt ausgehfein ...

Alles atmet hanseatische, also keinesfalls aufdringliche Wertigkeit und Zeitlosigkeit.

Die HafenCity vor der Tür, mache ich mich auf, genau DIE zu erkunden. Nach DER Adresse für ein spätes Mittagessen. Natürlich locken an der Großen Elbstraße auch das „Fischereihafen Restaurant“ der Kowalkes (seit Jahrzehnten; Rudi Carrells Witwe ist dort als Gastgeberin tätig; Co-Host, neudeutsch) oder die Läden von Henssler. Aber „Hummer Pedersen“ ist ein Klasse für sich. Im Ruhrgebiet wäre es die beste Pommesbude, auf Formentera die beste Strandbar hier in Hamburg gibt’s halt Fisch und Krustentiere zum denkbar besten Preis. Gut: die sensationelle Hummersuppe kennt noch ein Rezept. Die ebenso gute (und sommers mir liebere) Fischsuppe auch; überwiegend aber spricht das Produkt für sich. Die Austern (1,85 Euro das Stück), der Hummer (21 Euro für den halben), der Pulpo. Champagner für 9 Euro – da kann Klaus auch ohne Herausgeber mal einen bunten Mittag haben. Das Publikum? Vom Hafenarbeiter bis zum Reeder oder Kaffeeröster ist alles dabei. Vor den netten Damen und Herren im Service sind sie eh alle gleich ...
Soll ich mir nun die Elbphilharmonie ansehen oder nicht? Ich beschließe, aus ihr „herauszusehen“. Was das bedeutet? Nun: das „Westin Hotel“ zu entern, um in „The Bridge“, der Hotelbar, einen weiteren Drink zu nehmen. Was abenteuerlicher ist, als es klingt. Am Platz der Deutschen Einheit herrscht quasi Ausnahmezustand. Menschen, wohin man schaut, die alle der „Plaza“ im achten Stock entgegenstreben. Schlangen vor den öffentlichen Aufzügen. Dafür aber am Zugang zum Hotel ein netter Doorman, der mich zum Fahrstuhl begleitet – und Ruhe, Ordnung, Licht und Frieden, als der mich in der Lobby (ebenfalls im achten Stock) ausspuckt.
Bei einem „Hamburg Sour“ (Helbing Kümmel als Hauptspirituose) am Tresen sitzend, lerne ich vom sehr zugewandten und angenehmen Barkeeper, warum „The Bridge“ „The Bridge“ heißt: weil die Brücken der vorbeiziehenden Container-Riesen dieselbe Höhe haben. Unglaublich, unfassbar, aber wahr: ich auf Augenhöhe mit den Kapitänen dieser Hunderte Meter langen Riesen ... Durch die Fenster der Bar sehe ich ungehindert hinaus, von draußen, der „Plaza“, sieht man allerdings nicht ungehindert hinein. Aber dafür scheint auch niemand gekommen zu sein. Es gibt auch nicht ganz viel zu sehen, in der Bar. Keine Dekorationen, kein überde- signtes Mobiliar. Viel Platz – und Aussicht, Aussicht, Aussicht. Ich finde mich immer noch sehr schlau: zu erwartbaren Preisen was Tolles zu trinken (ich hätte auch essen können) – und einen Logenplatz zu genießen.
Zwei Sachen gibt’s in der Nähe, zu denen man mich seinerzeit fast hinprügeln musste: das Miniatur Wunderland Hamburg und das Internationale Maritime Museum. Modelleisenbahn im Wunderland, Modellschiffe im Museum. Super. Macht mal alleine ... Und WAS hätte ich versäumt! Sie versäumen das bitte nicht. Weder das eine noch das andere. Und ich schwöre Ihnen: NIEMAND, den Sie dabei haben, wird sich beklagen. Im Gegenteil.
Abendessen? Noch etwas früh, aber der richtige Zeitpunkt, um im „Brian’s“ zu reservieren. Ein Restaurant, das man am schnellsten per Taxi erreicht, grundsätzlich völlig überlaufen ist und dennoch durch Essen und Service beeindruckt. Mich. Voller Vorfreude auf Ceviche, Pimientos de Padrón und Steaks mache ich mich auf den Weg.
Wie erwartet: Rammelvoll. Seit Bestehen ... Und mein Tisch? Am sperrangelweit geöffneten Fenster. Herrlich. Die Pimientos kommen zügig, flankiert von Ceviche (aus makellosem Thunfisch), Tatar vom Holsteiner Weiderind, Tagliata vom Kalb und Thunfisch-Sashimi. Das perfekte Sommeressen. Dazu ein großzügig eingeschenktes Glas Grauburgunder (heißt tatsächlich „der geile Wein von Brian“, was man so stehen lassen kann) – Klaus, was willst du mehr? Ein Steak. Ein 300-Gramm-Stück US- Beef. Ein Rib-Eye. Brian selbst präsentiert es mir am Tisch, in seiner ganzen Pracht (ja: das gilt für beide, den beflip-flopten Dänen wie für das makellos marmorierte Stück Fleisch). Danach schmeißt er es wiederum selbst in seinen ziemlich einzigartigen Josper-Holzkohle-Ofen, um danach ein ziemlich einzigartiges Stück Fleisch an den Tisch zu bringen. Das Innere wunderbar schmelzend, das Äußere dunkel, knusprig, karamellig.
Brian nennt seinen Laden „Strandhaus“. Ich finde es dafür recht vornehm, muss aber vielleicht einfach eher an Malibu und nicht an Greetsiel denken ... Die Gäste sind jedenfalls bester Dinge, so entspannt wie die Mitarbeiter, ich komme mit diesen wie jenen leicht ins Gespräch – und es geht auf Mitternacht zu, als ich mich endlich zum Digestiv aufmache.
Ob es das Wetter war, das bisschen Alkohol, die Berlin-Reise mit ihren rasch erlernten Gebräuchen (Anschellen!): ich fahre rüber Richtung Reeperbahn. In einer Seitenstraße dann „The Chug Club“. Ein bisschen spießig, wie ich nun einmal bin, frage ich erst einmal, ob „das“ wirklich eine Cocktail-Bar ist (zumal ich auch gar nicht anschellen musste). Ist es. Und was für eine! Wer Glück hat, trifft wie ich auf Johann, den Bartender. Unprätentiös, kenntnisreich, gelassen. Tequila-affin. Sorgfältig, aber schnell. Kein Cocktail kostet mehr als 10,50 Euro, was die Auswahl erleichtert, und jeden Cocktail gibt es auch als Chug. „Chugs“ gelten als eine Art Erfindung des Hauses und meinen ein etwas größeres Schnapsglas mit Stiel. Für 4 Euro pro Chug habe ich nun die Möglichkeit, mich quer durch die Karte zu trinken. Was ich tun sollte – aber lasse. Stattdessen einen „Royal Bermuda Yacht Club“ (ja, Sie lesen richtig: kein „Prince of Wales“) – fabelhaft.

Dank Chug habe ich die Möglichkeit, mich quer durch die Karte zu trinken.

Es sind Erlebnisse wie diese, hier im „The Chug Club“, die mir zeigen: so sehr ich eine gewisse Vorhersehbarkeit liebe (die mich im „Le Lion“ erwartet. Oder der „Jahreszeiten-Bar“), so dankbar bin ich für das Unerwartete. Probieren Sie’s aus. Ich wäre sehr überrascht, wenn Sie etwas anderes erlebten ...
Und nun? Ab ins Bett.
Frühstücksmuffelig, wie ich bin, genügen reichlich Kaffee in den Räumen des „Izakaya“, um mich fit für einen Streifzug über Neuen Wall und Große Bleichen zu machen.
„Oschätzchen“ hat viel Kleines und Feines: Gewürze, Chutneys, Senf. Schokolade, Fudges, Pralinen. Nettes Personal, alles sehr persönlich – und zum guten Schluss keine Schlange an der Kasse, wo ich dann Rentnern bei der Auslese kupferner Münzen zusehen muss. „Campbell“ hat die Brillen, die jeder hat, vor allem aber hand- und hausgefertigte Brillen aus Büffelhorn (und Titan und Kunststoff und Gold). Dazu eine Schar von Optikerinnen und Opti-kern, die Sie spüren lassen, willkommen zu sein. „Ladage & Oelke“ wiederum ist ein Bekleidungsgeschäft, wie ich es mir unaufgeregter gar nicht vorstellen kann. Vermutlich hat sich in 100 Jahren nichts geändert, auch nicht am Sortiment. Aber warum auch? Ein erstklassiger Schuh, ein vernünftiger Mantel sehen 2017 eben auch nicht anders aus 1928. Oder 1968. Und empfand ich den Laden jahrelang als zwar großartig, aber irgendwie aus der Zeit gefallen, so denke ich gerade, als die gute alte Vinyl-LP in England die Zahl der Downloads überrundet hat: top-aktuell.
Aber jetzt packen Sie mal in Ruhe Ihre Sachen und überzeugen sich selbst!
Kategorie: Reisen
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