Innovation Leben in der Stadt der Zukunft – BioDiver City

Leben in der Stadt der Zukunft – BioDiver City

Leben in der Stadt der Zukunft

Text: Michael Eckert / Fotos: Bjarke Ingels Group

Info – Die Bjarke Ingels Group mit Hauptsitz in Kopenhagen wurde 2006 von dem dänischen Architekten Bjarke Ingels gegründet. Schon früh hatten Arbeiten des 1974 geborenen Designers international Aufsehen erregt. Für den Entwurf einer Konzerthalle im norwegischen Stavanger erhielt er auf der Architekturbiennale in Venedig 2004 den Goldenen Löwen, 2005 gewann er mit seinem früheren Architekturbüro PLOT einen ersten großen Wettbewerb. 2010 eröffnete Ingels ein Büro in New York, wo unter anderem eine Flutschutz-Strategie für die Küste Manhattans und eine Stadt mit smartem Mobilitätskonzept entworfen wurden. 

Klimaerwärmung und steigende Meeresspiegel werden das urbane Leben künftig drastisch verändern. In Malaysia soll jetzt die schwimmende Großstadt Biodiver City erbaut werden, die den Entwicklungen gerecht werden kann und nach den Kriterien von Nachhaltigkeit geplant wird. Entsteht da ein neues Venedig?

Noch ist Biodiver City eine planerische Vision. Aber nach Fertigstellung soll die „schwimmende Stadt“ 400.000 Menschen im malaysischen Bundesstaat Penang eine neue Heimat bieten. Sicher vor den Gefahren eines Tsunamis, geschützt vor den Fluten des ansteigenden Meeresspiegels und im Einklang mit dem natürlichen Ökosystem des tropischen Regenwaldes. Das Konzept der weltweit agierenden Bjarke Ingels Group, kurz BIG, entstand in Zusammenarbeit mit dem Architekturstudio Hijjas aus Kuala Lumpur und dem dänischen Ingenieursunternehmen Ramboll. Geplant ist auf einem Schwemmland vor der Insel Penang ein Archipel auf Betonpfählen, wobei die Morphologie des Geländes nahe- zu intakt gelassen werden soll. Dazu gehört der Einsatz von speziell entwickelten Materialien und Technologien. Für die Energieerzeugug werden natürliche Ressourcen genutzt und die Bauten aus „grünem“ Zement werden überwiegend aus Recyclingmaterial erstellt. Der Baustoff soll auch das sonst übliche Zersetzen des im Zement enthaltenen Kalksteins verhindern. 

Biodiver City wird südlich der Insel Penang auf einer schildkrötenförmigen Landfläche liegen und soll aus drei großen Siedlungen mit den Namen Channels, Mangrove und Laguna bestehen. Die wiederum werden sich aus jeweils sechs bis acht Inseln zusammensetzen. Jeder der drei Stadtteile übernimmt dann eine eigene Funktion. Channels als Technologiemittelpunkt, Mangrove als Geschäftszentrum, und Laguna wird für das private Leben mit einer Wohnbebauung rund um einen zentralen Hafen angelegt. Der malaysischen Lebensweise entsprechend, sind die drei Zentren mit einem Netz aus Wasserstraßen verbunden. Darüber hinaus gibt es ein Straßensystem, das allerdings nur langsam befahren werden kann. So soll der Fußgängerverkehr nachhaltig geschützt werden. Die Stadt wird auch Kulturstätten, Erholungs- gebiete und Möglichkeiten für Wassersport und Mobilität bieten sowie Lebensräume für zahlreiche einheimische Pflanzen und Tiere umfassen. Die architektonischen Richtlinien orientieren sich an den Traditionen Penangs. Viele der regionalen Gebäude, so die Planer, seien bestens an die klimatischen Bedingungen angepasst. So verfügen Geschäftshäuser im nahe liegenden George Town, die im 19. Jahrhundert von Kaufleuten genutzt wurde, über Spitzdächer, die Regenwasser ableiten und eine passive Belüftung ermöglichen. Die Bauwerke überragen auch die Straße, bilden Arkaden und schützen die Passanten vor Regenfluten. Ähnliche Gebäude sollen dann die Kanäle von Biodiver City säumen. „Wir wollen die Messlatte so hoch wie menschenmöglich legen“, sagt BIG-Gründer Bjarke Ingels, „und ein Archipel schaffen, das sowohl kulturell als auch biologisch vielfältiger sein soll als alle vergleichbaren Projekte.“ 

Biologisch besonders beeindruckt sind die Planer vor allem vom tropischen Regenwald Penangs, dessen üppiges Dickicht aus Palmen und Mangroven Lebensraum für Meeressschildkröten, Affen und Reiher bildet. „All der Reichtum vor Ort soll in unser Projekt einfließen“, schwärmt Jeremy Alain Siegel, Partner im New Yorker Büro von BIG. Dabei ist Penang schon jetzt alles andere als eine grüne Wiese. Die Region hat sich in den letzten Jahren eine Spitzenposition im Technologiesektor erarbeitet, insbesondere mit der Produktion von Halbleitern und anderen Elektronik-Komponenten. Die Population der ehemaligen britischen Kolonie setzt sich aus einer imposanten kulturellen Vielfalt zusammen. Penang wird von Menschen malaiischer, indischer und chinesischer Abstammung sowie von einer großen ehemals britischen Gemeinde bewohnt. Um Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zu schaffen, hatte die Regierung des Bundesstaates das Strategiepapier „Penang 2030“ entworfen und für die Umsetzung einen internationalen Designwettbewerb ausgeschrieben. Das Konzept für die Biodiver City konnte sich gegen 124 Mitbewerber durchsetzen. Zwar wird das Projekt vom Bundesstaat Penang betrieben, aber der malaysische Staat insgesamt muss sich immer wieder mit Folgen von Skandalen herumschlagen. So wurde der ehemalige Premierminister Najib Razak wegen einer Geldwäsche-Affäre im Juli 2020 zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt. Davon unbeeindruckt schwärmt BIG-Planer Jeremy Siegel: „Wir bauen eine Stadt, die vom Wasser durchdrungen ist. Solche besonderen Orte wie Venedig oder Amsterdam gibt es nur ganz wenige auf der Welt. Genau so etwas wollen wir hier schaffen.“ 

Kategorie: Innovation
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