Mode Leder oder Kunstleder

Leder oder Kunstleder

Leder oder Kunstleder

Text: Pamela Wandscher

Ananas, Äpfel, Mangos, Pilze … Was nach einer guten Obst- und Gemüseauswahl klingt, sind tatsächlich mögliche Grundzutaten zur Herstellung von veganem Leder – auch als Kunstleder bekannt. Das echte Leder findet auf vielfältigste Weise Verwendung und begleitet uns seit jeher in verschiedensten Varianten und Formen. Ob als Taschen, Schuhe, Jacken, Geldbörsen oder gar als Autositz. Deutschland ist mit über 100 Lederherstellern, davon rund 35 industriell arbeitende Betriebe, drittgrößter Lederproduzent in Europa. 

Gewissensfrage Lederkauf

Einige moderne Kunstleder sind kaum noch von echtem Leder zu unterscheiden. Aber was spricht für den Kauf von Echtleder? Und ist eine vegane künstliche Variante wirklich nachhaltiger, besser und schonender für Mensch, Tier und Umwelt? 

Schon seit der Steinzeit essen Menschen Fleisch und ziehen ihren Nutzen aus dem Tier. Und solange Fleisch konsumiert wird, sollte auch der restliche Körper eines Tieres verwertet werden. Dazu gehört die Produktion von Leder aus Häuten und Fellen. Auf der ganzen Welt wird Leder produziert, aber nicht überall nach den gleichen Standards. Herkunftsland, Ort der Gerbung, selbst die verwendete Tierart lassen sich oft nicht nachvollziehen. Allein die Bezeichnung eines Produktes mit „Echt Leder“ gibt noch lange keine Auskunft darüber, woher das Material stammt. Selbst Experten können nicht immer auf Anhieb erkennen, von welchem Tier die Haut verwendet wurde. 

Tierisches Leder ist ein Naturprodukt und muss gegerbt werden, um nicht zu faulen. Oftmals erfolgt die Gerbung durch eine chemische Behandlung in einem Bad aus Wasser, Chromsalzen und Gerblauge. Chrom ist aber eine hochgiftige Chemikalie, die für Mensch und Umwelt erhebliche Auswirkungen haben kann. Pflanzlich gegerbtes Leder dagegen ist in der Herstellung, beim Tragen und in der Entsorgung wesentlich umweltfreundlicher und auch weniger gesundheitsschädlich für die Lederarbeiter. Für die Reinigung der Lederhaut werden Gerbstoffe aus Pflanzen und Bäumen verwendet. Zudem ist pflanzlich gegerbtes Leder vollständig biologisch abbaubar. 

Doch auch die Herstellung von veganem Leder ist nicht immer unproblematisch. Kunstleder wird oft aus synthetischen Materialien auf Kunststoffbasis produziert. Für synthetisches Leder wird in der industriellen Produktion in der Regel Polyurethan (PU) und Polyvinchlorid (PVC) verwendet. PVC setzt Dioxine frei und kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Auch Krebserkrankungen werden mit PVC in Verbindung gebracht. Zudem sind die zur Produktion verwendeten Kunststoffe nie vollständig biologisch abbaubar. Bei der Entsorgung können giftige Partikel und Phtalate freigesetzt werden, was Tier- und Umwelt stark beeinträchtigen kann. Zuletzt werden beim Tragen und in der Entsorgung winzige Kunststoffpartikel abgegeben, die für eine Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik bekannt sind. 

Alternativ kann die Produktion von veganem Leder aus Apfelresten, Ananasblättern, Kork, Baumrinde oder sogar aus Pilzen erfolgen. Bereits 2008 hat Hannes Prath mit seinem italienischen Start-Up Unternehmen „Frumat“ begonnen, aus Apfelresten neue Materialien zu entwickeln. Sein Ziel war es, den industriell erzeugten Apfeltrester zu verwerten und in einen Rohstoff umzuwandeln. Im Vergleich zu anderen getesteten Fruchtresten wie Zuckerrüben, Trauben oder Karotten ließen sich Apfelreste am besten verwenden. Mithilfe eines Bindemittels erfolgt die Herstellung von „Appleskin“ (Lederersatz aus Apfelresten). 

In Zeiten einer zunehmend vegetarischen oder veganen Ernährung steigt auch die Nachfrage nach plastikfreiem, veganem Leder immer mehr. Start-Ups entwickeln neue Konzepte, um dem Käufer- Bedürfnis nachzukommen. Leider werden oft pflanzenbasierte Lederalternativen mit PU gemischt oder einer Beschichtung versehen, um eine längere Haltbarkeit zu erreichen. 

Das neue Start-Up-Unternehmen MycoWorks aus San Francisco hat die Herstellung von veganem Leder aus Pilzen ins Leben gerufen. Klassische Waldpilze werden mit landwirtschaftlichen Abfällen genährt. Dies wirkt sich auf das Wurzelgeflecht aus, macht es besonders kräftig und verleiht ihm eine feste Struktur. Es ist zudem atmungsaktiv, wasserabweisend und lässt sich besonders gut einfärben. Die Züchtung kann zudem in gewünschter Größe erfolgen, so dass auch gar nicht erst zu viele Abfälle entstehen. 

Letztendlich liegt die Entscheidung für ein Produkt aus echtem oder veganem/künstlichem Leder bei jedem selbst. Beide Arten können zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt haben. Bei der Haltbarkeit liegt Echtleder weit vorn. In dieser Beziehung schont echtes Leder die natürlichen Ressourcen weit besser, als wenn im selben Zeitraum mehrere vegane Produkte verbraucht werden. Im Gegenzug werden für vegane Leder natürlich keine Tiere getötet. Die Lederhersteller werden deshalb auch nicht müde zu betonen, dass Leder ein „Abfallprodukt der Fleischindustrie“ sei. Nur für die Lederproduktion würden keine Tiere geschlachtet. Mit dem Kauf von echten Lederteilen aus Second Hand jedenfalls ist man auf der sicheren Seite. Um Echtleder von Kunst- bzw. veganem Leder zu unterscheiden, geben die nachstehenden Tipps eine Hilfestellung: 

1. Gerne anfassen:

Echtes Leder fühlt sich auf der Oberfläche oft unregelmäßiger, kühler und häufig auch weicher an. Teilweise sind kleine Haarporen zu erkennen. Unbearbeitete Kanten können sich durch eine eher grobe, raue und faserige Struktur auszeichnen. Kunstleder ist eher glatt und gleichmäßig strukturiert. Muster verlaufen ebenmäßig, Schnittkanten sind glatt. Insgesamt fühlt sich Kunstleder etwas starrer an. 

2. Von hinten anders als von vorn:

Echtleder zeichnet sich in der Regel durch eine raue und faserige Rückseite aus. Kunstleder ist an seiner textilen Rückseite mit feinen, weichen Fasern erkennbar. 

3. Mal daran riechen:

Der Eigengeruch von echtem Leder ist oft sehr stark, während Kunstleder eher geruchsneutral wahrgenommen wird. 

4. Fett und Öl:

Aufgrund seiner natürlichen Eigenschaft nimmt Echtleder Öl und Fett auf. Trägt man auf Kunstleder Öl oder Fett auf, perlt beides auf der Oberfläche ab. Bitte nur an versteckter Stelle testen, um keine bleibenden Flecken zu provozieren. 

5. Schusters Leisten:

Besonders Schuhwerk ist oft aus mehreren Materialien zusammengesetzt. Daher müssen die Bestandteile von einem Paar Schuhen exakt benannt und gekennzeichnet werden. Wird bei einer Schuhproduktion Echtleder verwendet, ist dies durch ein entsprechendes Label zu kennzeichnen.
Besteht das verwendete Material ausschließlich aus Kunstleder, wird dies ebenfalls durch ein separates Kennzeichen gelabelt. Doch aufgepasst: Auch verwendete Kleber oder Öle können unter Umständen aus tierischen Bestandteilen stammen. Die verwendeten Rohstoffe können letzten Endes nur über den Hersteller in Erfahrung gebracht werden. 

6. Kuh(l) gekleidet:

Bekleidung, die Lederbestandteile enthält, muss laut den gesetzlichen Vorgaben der EU entsprechend gekennzeichnet werden („enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs“). Für Handtaschen gilt dies nicht. Dennoch kennzeichnen viele Modelabels ihre Ware freiwillig, um mehr Transparenz zu geben.

7. Gas geben:

Auch bei der Innenausstattung eines Autos findet oft Echtleder Verwendung, etwa als Sitzbezug, am Lenkrad oder auch am Schaltknüppel. Wer gänzlich darauf verzichten möchte, sollte dies explizit beim Kauf eines Autos mitteilen. 

8. Bitte Platz nehmen:

Auch Stühle, Sofas, Betten und andere Möbel können mit Echtleder ausgestattet sein. Hier hilft ein Blick in die Warenbeschreibung. Die Kennzeichnung „echtes Leder“ dürfen nur Produkte tragen, die tatsächlich Lederbestandteile enthalten.

Info – Einen guten Überblick über die wichtigsten, vom Verband der Deutschen Lederindustrie anerkannten Öko-Labels für Leder und seine Erzeugung
ist hier zu finden:
vdl-web.de 

Kategorie: Mode
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