Genuss L’HORIZON

L’HORIZON

CHAPEAU im Gespräch mit Winzer Joachim Christ

DER WEIN, DER IN OLDENBURG ZU ATMEN BEGANN

Vor nun mehr fast 34 Jahren eröffnete Joachim Christ seine eigene Weinhandlung und beliefert seitdem verschiedene Restaurants wie auch das ALTERA in Oldenburg, in dem wir ihn 2007, 2008 kennengelernt haben. Im Laufe der darauffolgenden Wochen und Monate erfuhren wir dann: Der Joachim Christ handelt nicht nur mit Wein, er macht den auch selbst! Grund genug für die Frage, seit wann denn dieser Wunsch überhaupt aufgekommen ist – und wann er diesen dann schließlich realisiert hat? „Den Wunsch hatte ich schon immer“, antwortet uns der Winzer. „Die Weinhandlung ist ja aus meinem ersten Beruf als Koch und Hotelier heraus entstanden. Und irgendwann habe ich gemerkt, dass ich zu jedem Wein etwas anzumerken hatte – wie er besser schmecken, besser gemacht werden könnte. Da ist die Idee natürlich verlockend, das dann auch einfach mal umzusetzen.“ Den Traum, im Medoc und Beaujolais Weinland zu erwerben, geben Joachim Christ und seine Frau Doris allerding schnell auf: Ein Hektar hätte damals 80.000 bis 100.000 D-Mark gekostet – unbezahlbar. Doch dank Thomas Teibert, einem Önologen aus Ulm, ist der Traum doch noch nicht ausgeträumt. Dieser lernt damals ganz zufällig einen gewissen Gérard Gauby kennen, den er wiede- rum irgendwann in Calce, Südfrankreich, besucht. Dabei stellt er fest, dass dort großartige Böden für wenig Geld zu haben sind. Und plötzlich ist die Idee eines eigenen Weins wieder sehr präsent.

Rückblick: Der Start in eine gastronomische Karriere

Begonnen hat die gastronomische Karriere Joachim Christs bereits, als er gerade einmal 13 Jahre alt gewesen ist – mit einer Koch-Ausbildung in einem Drei-Sterne-Haus in Frankreich. Wir sind fast ein bisschen geschockt: mit 13 Jahren? „Ja, genau, mit 13 Jahren. Nach dem Krieg gab es eine Regelung, dass die Kinder von der Schulpflicht befreit und für die Übernahme des Hofes oder des Hotels fit gemacht werden konnten, wenn der Mann und der Älteste fort war“, erzählt er. „Das gibt es heute natürlich nicht mehr, dass man ab der 8. Klasse ausgeschult wurde, um in einen Lehrbetrieb zu gehen. Nach der 9. Klasse, die man ja aber nie besucht hatte, gab es dann ein Abgangszeugnis. So kam ich dann nach Burgund, lebte in einem Weingut, zu dem meine Mutter gute Beziehungen hatte und lernte und arbeitete in dem Restaurant. Sechs Tage die Woche, von früh bis spät. Das hat mich insoweit geprägt, als dass ich bis heute nicht mit fünf Werktagen zurechtkomme.“

L’Horizon: Aus Wunsch wird Wirklichkeit

Gegründet haben Joachim Christ und Thomas Teibert dann im Jahre 2006, da arbeitet Joachim Christ schon längst nicht mehr als Koch. Bereits ein Jahr später kommt das eigene Label und der erste richtige, eigene Wein, L’Horizon. „Mit der Füllung 2017 haben wir also tatsächlich schon den zehnten Jahrgang am Markt!“, freut er sich. „Die allererste Flasche des neuen Weins wurde übrigens in Oldenburg geöffnet, in der Schmitz Brasserie. Der erste Jahrgang fiel damals nämlich mit „Oldenburg kocht“ zusammen – da lag das ja nah. Außerdem sind die Schmitz’ nicht nur enge Freunde der Familie, sondern auch echte Naturweinfreaks. Und wir haben von Anfang an biodynamisch angebaut, weil es sich einfach so ergeben hat. Zum einen haben wir damals eh nur noch biodynamisch getrunken, und zum anderen hat Thomas bei Manincort in einem biodynamischen Vorzeigebetrieb gearbeitet und wollte genau das auch selbst weiterführen. Außerdem haben in Calce zu der Zeit alle biodynamischen Weinbau gemacht. Und wir dann eben auch.“ Die Methode geht auf: Die beiden halten sich an die Grundlagen des biodynamischen Weinbaus, die auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurückgehen – und erhalten so die Gesundheit ihres Bodens: „Es ist wunderbar zu sehen, wie diese ausgebrachten, ganz und gar natürlichen Dinge den Boden gesunden lassen“, meint er. „Langsamer, aber deutlich erkennbar und komplett ohne Chemie.“ Und das merkt man dem Wein natürlich an.

"Wir wollen nämlich die Ausreißer ... Wir wollen sie für Nase und Geschmack".

Hervorragende Qualität vs. wirtschaftlicher Erfolg

Trotz des hervorragenden Weins müssen die beiden allerdings immer wieder Rückschläge verkraften, sechs Jahre lang. „Wir kleinen Winzer sind dort bettelarm“, sagt Joachim Christ und erklärt: „Wenn wir zum Beispiel 20.000 Flaschen für die schwarze Null machen müssen, es aber letztendlich nur 12.000, 11.000 werden. Dann fehlen 9.000 Flaschen, um den geplanten Jahresumsatz zu realisieren. Und die Verluste lassen sich ja nicht einfach auf den Preis aufschlagen. Wir machen ernsthaft Luftsprünge, wenn wir am Jahresende eine schwarze Null schreiben!“ Frustrierend sind diese Debakel natürlich besonders im Hinblick darauf, dass L’Horizon weiterhin in den besten Restaurants der Welt zu haben ist. Die Qualität des Weins ist so gut, dass Joachim Christ sich inzwischen sogar von oben nach unten arbeitet. Also eben nicht so wie üblicherweise in der Breite beginnt und dann langsam nach oben geht: So haben alle Drei-Sterne-Restaurants weltweit seinen Wein, die meisten Zwei-Sterne-Restaurants und viele Ein-Sterne-Restaurants ebenfalls.

Trend: Weine aus biodynamischem Weinbau

Was ist denn eigentlich das Besondere an L’Horizon, abgesehen vom biodynamischen Weinbau? „Also wir in Calce“, sagt Joachim Christ, „Wir machen ja nichts.“ Das muss er uns jetzt aber einmal genauer erklären, wie meint er das? „Wir machen nichts. Wir ernten und lesen, wie beim industriellen Wein auch. Natürlich kümmern wir uns elf Monate im Jahr nach der besagten biodynamischen Methode um unsere Reben. So entwickelt sich ja diese ganz eigene Geschmacksvielfalt, für die wir stehen. Wir machen buchstäblich nichts tot. Das, was wir machen ist, wir lesen brillant. Bei einer Genossenschaft wird beispielsweise erst am 1. September gelesen, ganz egal, ob dann schon 16 Prozent Alkohol im Most stehen – weil im August in Frankreich einfach Ferien sind. Wir dagegen schauen uns alles an und lesen dann vielleicht bereits am 16. August. Oder eben am 11., je nachdem. Und wir lassen die Spontanvergärung zu, es kommen keine Reinzuchthefen in den Wein. Wir wollen nämlich die Ausreißer, die so verhindert würden. Wir wollen sie für Nase und Geschmack.“ Und das wissen die Weinliebhaber heutzutage, wie der Winzer weiß. 2006 kommen für 70 Prozent der Weinkenner biodynamische Weine überhaupt nicht infrage. Heute liegen solche Weine absolut im Trend. L’Horizon bekommt man inzwischen in London, auf einem Südsee-Atoll, in New York, Moskau oder in Berlin. Joachim Christ hat also einfach zur richtigen Zeit alles richtig gemacht – zu unserer großen Freude.
Kategorie: Genuss
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