Lebensart GUTE ARCHITEKTUR…
GUTE ARCHITEKTUR…
Interview mit Lisa Onnen
…MUSS SICH INS STADTBILD EINFÜGEN
Die Architektin Lisa Onnen ist Tochter des Bauunternehmers Dirk Onnen und bildet gemeinsam mit ihm und Schwester Hanna die Geschäftsführung der Baufirma Kubus. Mit Großprojekten wie dem Alten Stadthafen und aktuell mit dem Quartier Havekant hat das Unternehmen maßgeblichen Einfluss auf die Wohnsituation in der Stadt Oldenburg – und auf ihr Erscheinungsbild. Mit CHAPEAU spricht Lisa Onnen über die Entwicklung von städtischem Wohnungsbau und wie sie die Rolle Ihrer Familie dabei sieht.
CHAPEAU: Mit Deinem Vater Dirk Onnen und deiner Schwester Hanna betreibt ihr drei Bauunternehmen in Oldenburg: Kubus Immobilien, Norddeutsche Boden und Norddeutsche Bau NB. Ist das noch ein Familienunternehmen oder schon ein Konzern?
LISA ONNEN:
Nein das ist ein Familienunternehmen.
CHAPEAU: Großprojekte in Oldenburg wie die Wohnhäuser am Alten Stadthafen sind abgeschlossen. Andere, wie das Boardinghouse, stehen vor dem Abschluss. Ist danach der Wohnungsbau in Oldenburg noch das zentrale Anliegen eurer Unternehmen, oder liegt der Fokus auf Expansion in andere Regionen?
LISA ONNEN:
Wir sind eigentlich immer an mehreren Standorten tätig. Am Schwerpunkt Oldenburg betreiben wir seit vielen Jahren Wohnungsbau, weil wir hier Potenzial gesehen und entwickelt haben. Mit unserem zweiten Standbein Norddeutsche Boden und Norddeutsche Bau NB bearbeiten wir das Thema Ferienimmobilien. An der Nordsee und teilweise auch an der Ostsee.
„Es ist falsch zu sagen, die Dinge sollen bleiben, wie sie in den letzten dreißig Jahren an der Stelle gewesen sind.“
CHAPEAU: Ihr habt auch größere Bauprojekte in Potsdam realisiert. Gibt es dort andere Voraussetzungen und Anforderungen als in Oldenburg?
LISA ONNEN:
Nein. An welchen Standorten wir tätig werden oder wurden, ist eine gewachsene Geschichte. Mein Vater ist direkt nach der Wende nach Potsdam gegangen. Er wollte etwas entwickeln und hat dort über viele Jahre auch Konversionen betrieben – also alte Kasernen und Bestandsbauten mit Neubauten ergänzt. Wir haben die alte Schlossereifabrik, ein altes Jugendstilschwimmbad und derartige Anlagen umgebaut, hauptsächlich zu Wohnungen und manchmal auch zu Büroräumen. Das war für uns ein Schwerpunkt. Irgendwann haben wir dann gesehen, dass sich auch Oldenburg weiterentwickelt und dass hier ebenfalls Bedarf besteht. Der Lindenbogen war hier das erste große Projekt, und dann kam das Quartier Brüderstraße. Da bin ich dann vor gut zehn Jahren mit eingestiegen. Wir haben die Schule umgebaut, den Schulhof gestaltet und das Ganze mit Neubauten ergänzt. So kam der Standort Oldenburg wieder verstärkt in den Fokus. Und wir haben einen Bedarf gesehen, der überhaupt noch nicht abgedeckt war. Dafür haben wir kleine Wohnungstypen entwickelt, die Kuboxwohnungen. Mittlerweile haben wir in dem Bereich sicherlich 500 Wohnungen gebaut.
CHAPEAU: Gibt es beim Bau von Ferienwohnungen und Gewerbeimmobilien andere Herausforderungen zu bewältigen als im Wohnungsbau – und ist das alles von Oldenburg aus zu managen?
LISA ONNEN:
Ja, derzeit ist das gut von Oldenburg aus zu steuern. Wir wissen, wo unsere Kompetenzen liegen und welche Qualitäten wir hier haben. Wir schauen uns genau an, an welchen Orten und in welchen Regionen wir Potenzial sehen. Die politische Situation in der Welt hat zum Beispiel das Thema Freizeit sehr verändert. Die Nord- und Ostseeküsten stehen bei der Urlaubsplanung der Menschen jetzt viel stärker im Blickpunkt. Gerade an der Nordseeküste besteht enormer Bedarf. Als wir vor etwa sieben Jahren unser erstes Projekt in Wangerooge verwirklicht haben, hatte man noch das Gefühl, dort sei die Zeit stehen geblieben. Es gab vergleichsweise wenige Investitionen. Unsere Stärke als Familienunternehmen ist, solche Situationen zu erkennen und das Potenzial zu nutzen. Wir sind mit rund 15 Leuten eine relativ kleine Mannschaft. Das stemmen wir nur, wenn wir alle als Team eng zusammen arbeiten. Viele Kunden kaufen immer wieder bei uns, weil sie sich hier gut aufgehoben fühlen. Die wissen, welche Qualitäten wir haben. Das Persönliche steht immer im Vordergrund.
CHAPEAU: Du hast Architektur unter anderem an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studiert. Wie viel Kunst steckt noch in moderner Wohnungsbauarchitektur, die ja vor allem der Zweckmäßigkeit verpflichtet ist?
LISA ONNEN:
Ginge es nur nach Zweckmäßigkeit, würden wir anders bauen. Mein Anspruch an Architektur – und auch der unseres Unternehmens – ist, nichts Kurzlebiges zu entwickeln. Wir arbeiten immer mit durablen Materialien, die für eine lange Haltbarkeit stehen und geeignet sind, einen Zyklus überdauern. Gute Architektur ist nichts, wo man spontan Hurra schreit, sondern wenn sie sich gut ins Stadtbild einfügt. Natürlich muss es besonders sein und sich abheben, sich zugleich aber auch mit einer gewissen Selbstverständlichkeit in die Umgebung einfügen.
CHAPEAU: Für viele Städte in Deutschland ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ein zentrales Problem. Wie kannst du als Architektin und Bauunternehmerin zu einer Lösung beitragen?
LISA ONNEN:
Einen kleinen Teil versuchen wir schon durch unsere Kleinstwohnungen hinzubekommen. Wir optimieren den Grundriss, damit für Einzelmieter weniger Mietkosten anfallen. Wir hebeln das über Effizienz, aber wir stehen nicht dafür, total billig und einfach zu bauen. Wir wollen vernünftige Architektur mit bestimmten Materialien erstellen, die den Preis nicht nach oben treiben und trotzdem eine gute Qualität in einem bezahlbaren Sektor gewährleisten. Dazu müssen wir gute Energiekonzepte einbinden, und in dem Bereich entwickeln wir uns immer weiter. Zum Beispiel nutzen wir einen Abwasserkanal der Stadt Oldenburg, indem wir Energie daraus ziehen und von der Straße in die Gebäude führen. In Donnerschwee haben wir ein Blockheizkraftwerk gebaut, mit dem das ganze Quartier versorgt wird. Mit solchen Maßnahmen können wir etwas tun. Aber die Baukosten insgesamt können wir nicht beeinflussen. Ein großer Faktor sind die Grundschutzkosten, und die sind heute auch in Oldenburg sehr hoch. Da müssen die Stadt oder auch das Land ansetzen, indem man günstige Flächen zur Verfügung stellt. Subventionierte Flächen, die dann an den Sozialen Wohnungsbau gebunden sind.
„ Der Standort Oldenburg ist wieder stärker in den Fokus getreten.“
CHAPEAU: Werden heutige Neubauten noch in 100 oder 200 Jahren stehen?
LISA ONNEN:
Ich glaube, ja. Unser Anspruch ist immer, Durabilität herzustellen. Auch eine gestalterische Langfristigkeit. Natürlich verändern sich Ansichten im Laufe von Jahrzehnten, in der Mode wie in der Architektur. Trotzdem versuchen wir Gebäude zu errichten, die mit Selbstverständlichkeit an dem Ort stehen. Dass manche Menschen hellen Klinker besser finden, andere roten Klinker, ist Geschmackssache. Im Stadthafen Nord gibt es auch Leute, die sagen, das sei ihnen zu städtisch. Aber wenn sich Oldenburg weiterentwickeln soll: Wo will man verdichten, wenn nicht hier? Aus meiner Sicht ist es viel besser, auf solchen Flächen einen urbanen Charakter zu schaffen, als wenn man in einem Wohngebiet mit Einfamilienhäusern noch ein Gebäude in die dritte Reihe stellt. Ich habe überhaupt keine Bachschmerzen damit, sowohl im Stadthafen Nord als auch im Stadthafen Süd eine höhere Dichte herzustellen. Hätte man dort nur Einfamilienhäuser gebaut, könnte da nur ein Bruchteil der Leute wohnen. Eine gut regierte Stadt muss auf Qualität im Städtebau setzen und zellenfreie Stellen bebauen, um Wohnraum zu schaffen. Und dafür auch streiten.
CHAPEAU: Was bedeutet dir persönlich das Thema Nachhaltigkeit?
LISA ONNEN:
Im Gestalterischen bedeutet es, dass die Leute nicht irgendwann vor einem Gebäude stehen und sagen, was haben die denn da für ein UFO landen lassen? Es muss eine Wertbeständigkeit haben. Guckt man sich heute Gebäude aus den zwanziger Jahren oder aus der Jahrhundertwende an, haben die immer noch ihre Daseinsberechtigung. Den Anspruch haben wir auch. Ich habe den Wunsch, dass das Haus noch hundert Jahre steht ohne auseinanderzufallen, wenn man dagegen tritt. Zur Nachhaltigkeit gehört aber auch, dass man sensibel mit Materialien und Ressourcen umgeht. Mit Baumaterialien, mit Energie und mit Platz. Auch der ist endlich. Quartiere müssen entwickelt werden. Welche Flächen entstehen neben den Wohnungen, welche Besonderheiten bietet diese Stelle? Das Hafenquartier liegt direkt am Wasser, da haben wir einen Fokus auf den Außenbereich und die Promenade gelegt.
CHAPEAU: Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Planung im Häuserbau?
LISA ONNEN:
Ein großer Faktor ist die Energieeinsparverordnung, an die sich heute alle halten müssen. Leider führt die aber auch dazu, dass Baukosten immer mehr steigen. Wir haben heute ungefähr 50 Zentimeter Wandaufbauten, das ist anders als vor 15 Jahren. Dazu kommt der Wärmeschutz – also Beschattungsanlagen, gefärbte Fensterscheiben, um den Lichteintrag zu reduzieren. Das hat natürlich alles seine Berechtigung, und ich will das nicht in Frage stellen, aber es macht das Bauen nicht günstiger, sondern teurer. Wenn man auf der einen Seite immer höhere Standards hat und auf der anderen Seite kostengünstig bauen soll, ist das ganz schön schwer. Man kann nicht auf der einen Seite ganz viel wollen und auf der anderen Seite den Preis reduzieren.
CHAPEAU: Ein Hamburger Architekten-Kollege von dir sagte mir neulich, Deutschland sei im Prinzip gebaut. Es gäbe nur noch wenig Raum für Neubauten. Deshalb hat er sich auf den energetischen Umbau von Bestandsbauten spezialisiert: weg von fossilen Brennstoffen, hin zu Warmwasser und Heizen mit regenerativen Energien. Sind diese Techniken tatsächlich schon alltagstauglich?
LISA ONNEN:
Vieles haben wir bereits gebaut, und es funktioniert wirklich sehr gut. Den Nordbereich des Stadthafens haben wir komplett mit Betonkernaktivierung gebaut, so dass man mit weniger Energie auskommt. Aber es ist ein trägeres System, und da muss sich das Nutzerverhalten ändern. Wer früher morgens weggegangen ist, Fenster auf Kipp gestellt und dann den Heizkörper auf Fünf gedreht hat, wenn er zurückgekommen ist, der wird dort unzufrieden sein. Man muss sich mit dem System auseinander setzten. Aber ich glaube, unsere ganze Gesellschaft muss umlernen, und jeder muss sich an die eigene Nase fassen. Es gibt jetzt nicht die eine perfekte Technik. Wir haben gerade eine große Besprechungsrunde für das Havekant-Projekt gehabt und uns dort nochmal die Frage nach dem richtigen Heizungssystem und dem passenden Lüftungssystem gestellt. Diese Fragen diskutieren wir bei jedem Projekt neu, auch wenn wir schon viel gebaut haben. Wir gucken, was sich in der Technik entwickelt. Fünf Jahre können da schon ein Quantensprung sein.
CHAPEAU: Euer Unternehmen macht ja hauptsächlich mit Großprojekten Schlagzeilen. Welche Rolle kann da der Umbau von Alt-Immobilien spielen?
LISA ONNEN:
Ja, das ist lustig. Du sprichst von dem Bild, das man gerade im Oldenburger Raum von uns hat. Würdest du dich in Potsdam umhören, hättest du einen ganz anderen Eindruck. Dort haben wir uns hauptsächlich mit Alt- und Umbauten beschäftigt. Wenn wir die Chance haben, Altbauten zu retten, machen wir das sehr gerne. Wir reißen nur ungern etwas ab und haben hier in Oldenburg die alten Hafenhäuser saniert. Leider gibt es in Oldenburg nicht sehr viel Bestand, der noch entwickelt werden kann. Es gibt die Einfamilien- oder Mehrfamilienhäuser im Dobbenviertel, und wir sanieren dort schon mal, aber das ist nicht unser Schwerpunkt. Der liegt in der Quartiersentwicklung. Im Quartier Brüderstraße haben wir eine Schule mit Schulhof gekauft, die Schule zu Wohnungen umgebaut und den Schulhof mit Neubauten besetzt. So versuchen wir mit der vorhandenen Substanz umzugehen und sie zu erhalten. Ich hätte auch liebend gern mehr vom alten Schlachthof stehen gehabt, aber der ist leider zu einer Zeit abgerissen worden, als uns das Gelände noch nicht gehörte. Solche alten Bauten sind natürlich charmant. Ich selbst gehe auch gern durch irgendwelche Hinterhöfe und erfreue mich daran. Aber es entwickeln sich neue Hinterhöfe. Solche Transformationsprozesse hat es in der Stadtgeschichte immer gegeben, und die sollte man auch nicht aufhalten. Etwas wird verdrängt, etwas entwickelt sich weiter, und es entsteht etwas Neues. Man braucht weiterhin Räume, in denen Dinge möglich sind. Es ist falsch zu sagen, die Dinge sollen bleiben, wie sie in den letzten dreißig Jahren an der Stelle gewesen sind. Gerade wenn die Stadt einen sehr großen Wohnungsbedarf hat, muss man sich fragen, wo kann man Wohnraum oder Arbeitsflächen schaffen? Es sind ja auch viele Büroflächen entstanden, und dennoch sind die Altbauten erhalten und die Mieter wohnen geblieben.
CHAPEAU: Alle reden von der Globalisierung. Könnt ihr euch in der Familie eine Expansion des Unternehmens ins europäische Ausland vorstellen – oder gar in andere Kontinente?
LISA ONNEN:
Ich bin ein neugieriger Mensch und würde niemals nie sagen. Aber ich glaube an das, was ich eingangs sagte. Unsere Stärke liegt darin, dass wir uns um die Projekte begleitend kümmern. Das ist keine Maschine, die einfach abarbeitet, sondern wir sind persönlich sehr aktiv. Das muss man nicht an der Frage nach In- oder Ausland festmachen, sondern an der Überlegung, in welchem Abstand man Dinge noch bedienen kann und ihnen noch gerecht wird. Wenn wir ein Projekt auf der Insel haben, dann muss da jemand hin- und wieder zurückreisen, meistens auch übernachten. Das ist alles noch zu handhaben. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass unsere Mitarbeiter für Wochen oder gar über Monate weg sein sollen. Die sind ja alle hier fest integriert und haben Familien. Ich sehe darin keinen Mehrwert, jetzt zu expandieren und an einer anderen Stelle ein zweites Büro aufzumachen. Unsere Qualität liegt darin, dass wir Dinge selbst erkennen, entwickeln, sie begleiten, vernünftig zu Ende bringen und für die Qualität einstehen. Aber wenn sich irgendwo ein interessantes Projekt ergibt, müssen wir es uns im Team angucken und dann schauen, ob wir das bewältigen können.
CHAPEAU: Arbeitest du mobil, oder sitzt du jeden Tag ein paar Stunden vor dem Rechner?
LISA ONNEN:
Vor allem Gesundheit. Wir bewegen uns auf einer Insel der Glückseligen. Alle die hier leben und gesund sind, können dankbar und glücklich sein. Natürlich habe ich in Bezug auf unser unser Büro und unsere Projekte viele Wünsche und freue mich auf die Entwicklung der Havekant. Aber Gesundheit ist das höchste Gut.
CHAPEAU: Und für Oldenburg?
LISA ONNEN:
Da Frau Nießen jetzt das Baudezernat verlässt, wünsche ich mir, dass die Stelle zügig und auch gut neu besetzt wird. Gabriele Nießen hat sehr gute Arbeit geleistet, und ich hoffe, dass da kein Vakuum entsteht. Oldenburg ist eine prosperierende Stadt, die sich toll entwickelt hat und gerade einen sehr guten Zulauf erlebt. Darin liegen stadtgestalterische Chancen, aber das Ganze muss auch gesteuert werden.
CHAPEAU: Danke für das Gespräch, Lisa.
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