Kolumne MÄNNER!

MÄNNER!

Reiner Wutfired

Man stelle sich vor, es gäbe in unserem gut geordneten, mitunter überbürokratisierten und auf Gleichheit bedachten Land eine Gruppe von Menschen, die dreimal so häufig Selbstmord begeht und fünf Jahre früher stirbt als eine Vergleichsgruppe.

Reiner Wutfried - Alles fließt

Was löste das für einen Skandal aus? Politiker*innen (Wutfried goes Gendersternchen!) aller Parteien, Minister*innen aus Bund und Ländern würden rotieren! Präventions- und Vorsorgeprogramme, mehr niedergelassene Psycholog*innen, Reha- und Wiedereingliederungsmaßnahmen noch und nöcher würden gefordert.Der Finanzminister hätte Mühe, seine Euros und Cents zusammenzuhalten, so stark würden die Rufe nach Programmen und konzertierten Aktionen auf ihn einprasseln

Die schlichte Wahrheit ist: Wir können den Konjunktiv verlassen. Es gibt diese Gruppe. So sehr auf Gleichheit bedacht ist dieses Land offenbar gar nicht. Das sehen wir zunächst an der Vergleichsgruppe. Frauen werden öfter Opfer von häuslicher Gewalt, erhalten für die gleiche Arbeit weniger Geld und weil sie sich mehr um die Kinder kümmern, stehen sie bei der Rente schlechter da. Damit ist klar: es geht um Euch, Männer. Um uns! Warum tun wir uns das eigentlich an? Arbeiten bis zum Herzinfarkt. Eseln uns im Büro ab, um statt der Beförderung einen satten Burnout zu kriegen. Als Kompensation Alkohol und/oder Marathon. Immer mehr, höher, schneller, weiter. Bis zum Zusammenbruch. Bis zur chronischen, lebensverkürzenden Krankheit. Und erschreckend oft bis zum Selbstmord.

Ganz ehrlich, Männer: So geht das nicht weiter, auch wenn es schwierig ist. Irgendwie hängen ja die Rollen fest. Wenn die Frauen zunächst weniger arbeiten, solange die Kinder klein sind, muss ja einer das Geld nach Hause bringen. Der Versorger sein! Was aber auch heißt: im Büro präsent sein, Projekte annehmen, Überstunden bolzen. Aber natürlich auch Zeit für die Familie haben. Mit den Kindern spielen. Nahtlos zwischen beiden Welten funktionieren. Und auch noch ein echter Mann sein. Vor ein paar Jahren noch metrosexuell wie David Beckham, heute Gefühle zeigen und in voller Eloquenz über vegane Bartwichse dozieren können. Aber, hey! Wer sagt denn eigentlich, dass es so schwierig sein muss?

Die Wissenschaft hat inzwischen Merkmale toxischer Männlichkeit identifiziert: ausgeprägtes Leistungsdenken, Vermeidung von Schwäche, hohe Risikobereitschaft, tendenziell höhere Gewaltbereitschaft, Abwertung von Weiblichkeit. Stell dich nicht so an! Kriegst gleich ’nen Rock an! Der Indianer kennt keinen Schmerz! Nun zeig mal, was für ein Mann du bist! Und zur Begrüßung „Na du Sau, alles fit im Schritt?“ und dabei eine Mischung aus Metalpranke-Brofist-Hug –in Vermeidung einer echten Umarmung.

Liebe Männerfreunde, so geht es nicht!

Was genau ist stark daran, Schwächen nicht zuzulassen? Wo ist die angeblich männliche Klarheit, wenn es in der Prostata oder sonst wo im Unterleib zwickt und Mann (!) einfach nicht zum Arzt geht? Wieso ist der Burnout eine Trophäe und erzeugt kein Mitleid für die unglaubliche Selbstvergessenheit des Betroffenen? Und warum lieben wir unsere Frauen und Töchter, trompeten aber überall rum, Frauen könnten nicht Auto fahren und seien überhaupt zu emotional? Was bringen Aus- und Weiterbildungen und Abschlüsse, wenn wir nicht erkennen, dass das alles simple, altbackene Konstrukte sind? Freut euch eurer Vielfalt! Grätscht beim Fußball
(oder seht zu und trinkt dabei Bier), hört euren Frauen wirklich zu, nehmt eure Kinder ernst – ihr Blick auf die Welt ist oft klarer als unser! Erkennt an, was ihr
für Privilegien habt und achtet mehr auf die, denen es weniger gut geht. Lasst Emotionen zu. Bewältigt eure Probleme anders als mit Aggression oder Kompensation.
Besucht wirklich mal diese Workshops oder Wochenseminare zum aufgeklärten Mann. Echt! Ihr seid doch keine Schisser, oder?

Und, verdammte Axt: geht regelmäßig zum Arzt. Auch, wenn
es eine Frau ist. Und ja, auch wenn an der Tür „Psychologin“
steht. Für Eure Köpfe – und Herzen.

Kategorie: Kolumne
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