Mode Modern, feminin und stark

Modern, feminin und stark

Interview mit Leyla Piedayesh

Interview mit Leyla Piedayesh

Text: Michael Eckert / Fotos: lala Berlin

Von der TV-Journalistin zur Chefin eines erfolgreichen Modeunternehmens. Mit Ehrgeiz, Talent und Gespür hat die im Iran geborene Leyla Piedayesh ihre Kreationen für selbstbewusste Frauen konzipiert und ihr Label „lala Berlin“ auf dem Weltmarkt etabliert. Eine bemerkenswerte Karriere zwischen orientalischen Wurzeln und einer gelungenen Integration in europäische Lebensweisen. 

CHAPEAU — Verfolgst du eine bestimmte Philosophie mit deinen Kreationen?

LEYLA PIEDAYESH – „lala Berlin“ soll für starke, unabhängige und selbstbewusste Frauen stehen. Dies versuchen wir jede Saison in unserer Kollektion zu verkörpern. Selbstverständlichkeit, Komfort, aber kein Verzicht auf Weiblichkeit. 

Den Erfolg führst du auch auf eine Wiedererkennbarkeit deiner Kreationen zurück. Wie würdest du den Stil beschreiben?

Modern, feminin und stark. Man sieht immer angezogen aus und trotzdem lässig. Es ist mir wichtig, dass man nicht einfach blind Trends folgt, sondern für sich selbst einen Look entwickelt, in dem man sich wohl fühlt und der die Persönlichkeit unterstreicht. 

Welche Materialien bevorzugst du?

Leichte Materialien, die sich gut auf der Haut anfühlen. Zum Beispiel Seide in allen vorstellbaren Varianten – leicht, schwer, glänzend, matt, hell oder dunkel. Chiffon, Organza, Georgette, Duchesse – ich liebe sie alle. Ganz besonders, wie sich die Seide mit dem Körper bewegt. Seide kann man ganz einfach im Sommer tragen, genauso gut aber auch im Winter. Es ist einfach eines der schönsten Materialien, um damit zu arbeiten.

Welche Farben magst du am liebsten?

Bunt! Wir entwickeln jede Saison unsere eigenen Prints und Farbwelten. Ähnlich wie bei den Trends fällt es mir immer schwerer, einen klaren Favoriten herauszulesen. Es geht um die Kombination. 

Du bist Chefin über ein großes Team. Wie können wir uns die Zusammenarbeit mit deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorstellen? Gibst du allein den Stil vor?

Es ist alles Teamwork. Ich bestimme zwar viel, aber brauche genauso viel Input und lege viel Wert auf die Meinung des Teams. Wir bringen alle Ideen auf den Tisch und machen daraus Moodboards zu Themen, die uns alle inspirieren. Ich lasse mich gerne überzeugen, und wenn ich auf etwas bestehe, überzeuge ich alle anderen.

Arbeiten auch Männer in deinem Team?

Natürlich haben wir Männer im Team. Unser Chefdesigner ist männlich. Ich arbeite sehr gerne mit Männern zusammen und empfinde die Unterschiede der Geschlechter als eine große Bereicherung. Was die beiden Seiten an den Tisch bringen, ergänzt sich perfekt und lässt sich zu einem besseren größeren Ganzen führen.

Die Firma heiß „lala Berlin“. Sitzen dort auch die meisten deiner Kundinnen?

Nein. Wir haben inzwischen weltweit mehr als 230 Einzelhändler, die „lala Berlin“ verkaufen. Aber natürlich spielt Berlin eine große Rolle für uns, und wir sind auch sehr stolz auf unseren eigenen Flagship-Store inmitten der Stadt. Ganz sicher haben wir auch am Flughafen in Berlin die höchste Dichte an „lala Berlin Muriel bags“!

Kannst du deine ideale Kundin beschreiben?

Sie ist kühn, mutig und ein wenig rebellisch und jungenhaft – also eine moderne Frau. Sie reist durch die Welt, weiß aber genau, wo ihre Wurzeln sind. Sie hat gerne die Hosen an, fühlt sich aber auch sehr wohl in schönen Kleidern. Ob sexy oder weit – sie kombiniert diese gerne im Bruch, so dass der Look immer etwas Weibliches und Männliches hat; zum Beispiel ein hautenges Kleid mit Collegeschuh oder groben Reiterboots – die weite Hose gern mit sexy High Heels opentoe, wo die frisch lackierten Zehen rausschauen.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?

Ich versuche meinen Alltag so gut es geht nach meiner Tochter zu richten und die Zeit mit ihr zu maximieren. Leider darf ich sie nicht mehr zur Schule begleiten – aus dem Alter ist sie raus. Pilates, Meditation – eine Art morgendliche Routine, die öfter als gewollt durcheinanderkommt. Dann bin ich auch schon auf dem Weg zu meinem Team, bereit für meine kreativen Meetings im Design und Marketing.

Du bist vor vielen Jahren mit deiner Familie aus dem Iran eingewandert. Seid Ihr direkt nach Berlin gegangen?

Wir sind nach Wiesbaden gezogen, weil meine große iranische Familie dort schon seit den sechziger Jahren ansässig war.

Wie schwer war der Anfang in Deutschland?

Für mich als damals neunjähriges Mädchen war die Integration unkompliziert. Ich bin in die vierte Klasse gekommen, habe im Handumdrehen Deutsch gelernt und mich eingelebt, Freunde gefunden und mein Abi gemacht. Meine Eltern hatten es allerdings wesentlich schwerer. Schon die Sprache zu erlernen, war eine große Herausforderung für sie, die sie bis zum Ende nicht zu hundert Prozent bewerkstelligt haben. Auch sich kulturell auf eine andere Mentalität einzulassen, schien für sie schwer zu sein.

Wann ist dir klar geworden, dass du Mode machen willst?

Nach mehreren stressigen Jahren im Fernsehbusiness hatte ich ein großes Bedürfnis nach Selbstfindung. In einer Zeit der Ruhe fing ich an zu stricken. Als dann mein Umfeld das Ergebnis meiner Handarbeit hochlobte und ich ohne Mühe die ersten Kunden und Veröffentlichungen in Magazinen hatte, wusste ich, das ist nun mein Weg. So hat die Mode sich von selbst in mein Leben geschlichen.

Wie hast du angefangen?

Nach dem Abi wusste ich erstmal nicht so richtig, was ich machen soll und habe klassisch International Business studiert. Für den Einstieg ins Unternehmertum war das sicherlich eine gute Grundlage und es hilft mir bis heute, die Zusammenhänge besser zu verstehen. Als ich mich nach dem Erfolg meiner ersten handgestrickten Pulswärmer dazu entschieden hatte, ein Modelabel zu gründen, hatte ich den Mut, Dinge einfach zu machen. Ich bin regelrecht ins kalte Wasser gesprungen, ohne lang drüber nachzudenken. Manchmal ist eine gewisse Naivität von Vorteil, weil man weniger Angst hat. Nicht so viel denken, einfach machen!

„Die Mode hat sich von selbst in mein Leben geschlichen.“

Hattest du Vorbilder aus dem Modedesign, deren Arbeiten dir gefallen oder dich sogar beeinflusst haben?

Ich kann keine bestimmten Idole nennen. Ich hatte nie wirklich Musen oder Vorbilder. Nicht einmal, als ich jünger war. Aber ich lasse mich gern von Musik oder von der Kunst anderer inspirieren. In unsere letzten Kollektionen ist einiges von Künstlern wie John Lennon oder Kurt Cobain eingeflossen. 

War deine Firma von Beginn an eine Erfolgsgeschichte, oder hattest du eine Durststrecke zu überwinden?

Wir erleben täglich Erfolge und Misserfolge. Es ist wichtig zu wissen, dass wir aus beidem Kraft und Erkenntnisse schöpfen können. Alles was im Leben passiert, ist gut. Man muss es nur laufen lassen. Es geht nicht um den Erfolg. Es geht darum, sich weiterzuentwickeln, Dinge einfach zu tun, sie zu akzeptieren – aber auch loszulassen, selbst wenn sie uns noch so wichtig erscheinen. Nur so kann man Erfolg spüren. 

Corona hat ja auch dem Modebereich große Einbußen beschert. Wie seid ihr durch die Pandemie gekommen?

Wie alle anderen waren auch wir zu Beginn der Pandemie mit massiven Einschränkungen konfrontiert. Unsere Boutique musste schließen, und Home-Office war plötzlich die neue Norm. Inzwischen haben wir uns gut auf die neue Normalität eingestellt und blicken stolz auf ein gesundes Geschäftsjahr 2021 zurück.

Konntet ihr eure Kreationen auch während des Lockdowns verkaufen?

Ja, definitiv. Neben unserem Onlinehandel haben wir versucht, unseren Flagshipstore so gut es geht an die Situation anzupassen, und wann immer es möglich war, zu öffnen. 

Wie wichtig ist mittlerweile der Onlinehandel?

Der Onlinehandel ist ein wichtiger Pfeiler für uns geworden, doch viele unserer Kunden schätzen immer noch das klassische Ladenerlebnis. Auch ich will das nicht missen, in einem Laden zu stehen, den Stoff zu fühlen, die Kleidungsstücke zu probieren. Die Möglichkeit zu haben, unterschiedliche Größen zu testen. Das ist manchmal bequemer, als sich alles schicken zu lassen und dann enttäuscht alles wieder zurückzusenden, weil es nicht passt. Es gibt viele Sachen, die man live besser beurteilen kann als im Netz.

An welcher Kollektion arbeitet ihr gerade?

Im Moment arbeiten wir an unserer Spring/Summer 2023 Kollektion.

„Ich merke immer wieder, wie stark sich meine Herkunft in der Arbeit reflektiert.“

Kannst du schon einen Trend preisgeben?

Helle Farben und leichte Stoffe – viel Haut. Mehr kann ich nicht verraten!

Woher holst du deine Inspirationen?

Die Inspirationen kommen von überall her. Um sie zu finden, muss man nicht in ein fernes Land reisen. Ich lese viel, meditiere, und besonders in den letzten Monaten höre ich viele spirituelle Podcasts. Ich lasse mich auch von Freunden und Familie sowie von den kreativen Menschen um mich herum inspirieren. Es muss kein berühmter Maler oder Sänger sein, um für mich inspirierend zu sein. Vor allem Musik, insbesondere Punk, inspiriert mich sehr.

Wie vereinbarst du Familie und Beruf?

Das Muttersein hat viele Dinge und Ansichten verändert. Wenn ich meine Tochter ansehe, wird mir bewusst, was im Leben wichtig ist. Sie gibt mir viel Kraft und auch Inspiration. Ich versuche eine gute Balance zwischen Arbeit und Familie zu finden. Das ist nicht immer einfach.

Hast du noch familiäre Bande in den Iran?

Ja klar, der Iran ist meine Heimat. Das Essen, die Farben, die Muster und die Gerüche. Ich merke immer wieder, wie stark meine Herkunft sich in der Arbeit reflektiert.

Was fühlst du, wenn du jetzt die vielen Flüchtlingsfrauen aus der Ukraine mit ihren Kindern in Berlin ankommen siehst?

Es bricht mir das Herz, zu sehen, dass all diese Menschen sich so heimatlos fühlen müssen. Wie meine Eltern, als wir diesen Weg bestritten haben. Hoffnungslos verloren in einer neuen Welt. Alles zu verlieren, an was man geglaubt hat, alles an dem man gebaut hat. Das alles hinter sich zu lassen, ist ein harter Abschnitt für jeden, der das erlebt. Zu allem Verdruss müssen diese Frauen auch noch ihre Männer verlassen und stehen nun allein mit ihren Kindern in einem neuen Land da.
Es wird oft vergessen, dass die meisten geflüchteten Menschen sich nichts sehnlicher wünschen als eine Rückkehr in ihre Heimat. Mit Empathie kann man Menschen emotional am besten auf und für das Neue vorbereiten und sie integrieren. Man muss sie auffangen, sie unterstützen und Hilfe bieten.

Hast du einen Rat für diejenigen Flüchtlinge, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen?

Einen universellen Rat zu geben, ist sehr schwer. Es gibt so viele unterschiedliche Einzelschicksale, das lässt sich nicht einfach über einen Kamm scheren. Ich bin seit 1979 in Deutschland und hier aufgewachsen. Ich hatte es leicht, man hat mir hier nie das Gefühl gegeben, ein Einwanderer zu sein. Allerdings kann ich sagen, dass mir das schnelle Erlernen der Sprache und das Verständnis der neuen Kultur sehr geholfen haben.

Dann wünschen wir dir weiterhin viel Erfolg und bedanken uns herzlich für das schöne Gespräch.

lala Berlin
Alte Schönhauser Straße 3
10119 Berlin
lalaberlin.com

Kategorie: Mode
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