Menschen Rolle vorwärts!

Rolle vorwärts!

Interview mit Collien Ulmen-Fernandes

Mit einer weiteren „Lotti & Otto“-Geschichte hat die Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes jetzt ihr zweites Kinderbuch als Autorin veröffentlicht. Beim CHAPEAU-Gespräch im Berliner Hotel DAS STUE zeigt sie sich als leidenschaftliche Streiterin gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen überkommene Geschlechterbilder.

Info – Die Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes ist 1981 als Tochter eines Inders und einer Deutschen in Hamburg geboren. Bekannt wurde sie Anfang der 2000er Jahre als Moderatorin jugendlicher Pop-Sendungen. Eine Hauptrolle spielte sie 2007 in der Grimme-Preis gekürten TV-Serie „Dr. Molly & Karl“. Seit 2017 ist sie zusammen mit ihrem Mann Christian Ulmen in der Maxdome-Serie „jerks“ zu sehen. Darüber ist sie ist als Kolumnistin und Autorin tätig und veröffentlichte kürzlich ihr zweites „Lotti & Otto“- Kinderbuch.

CHAPEAU: Man kennt dich vor allem als Moderatorin und Schauspielerin. Was hat dich dazu gebracht, ein Kinderbuch zu schreiben?

Collien Ulmen-Fernandes ― Das ist ja schon der zweite Teil meiner Geschichte von „Lotti & Otto“. Der Anlass war vor allem, dass mir die Geschlechterklischees in den Kinderbüchern meiner Tochter negativ aufgefallen sind.

„Mir geht es darum, mit stereotypen Geschlechterbildern zu brechen.“

Welche Klischees meinst du?

In den Gute-Nacht-Geschichten ist es immer die Mutter, die die Kinder ins Bett bringt. In einem der Bücher ist die Mutter zu einem Prosecco-Abend mit Freundinnen verabredet, deswegen müssen die Kinder sich selbst ins Bett bringen. Der Vater wird nur erwähnt, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Und auch die Kinder selbst erscheinen in ihren Geschlechterrollen sehr stereotyp. Mädchen sind oft die passiven Prinzessinnen, die hundert Jahre schlafen, bis ein freundlicher Prinz vorbeikommt und sie rettet – weswegen sie ihn dann aus lauter Dankbarkeit sofort ehelichen. Mir ging es mir vor allem darum, mit diesen sehr stereotypen Geschlechterbildern zu brechen.

Was machen denn die Mädchen und die Männer in deinem Buch?

Die Protagonisten sind „Fleckenhalsotter“ – sie haben die identischen Flecken am Hals. Das ist eine gute Voraussetzung, um miteinander die Rollen zu tauschen. Der Arbeitstitel des Buches war „Das doppelte Otterchen“, in Anlehnung an das doppelte Lottchen. Der Junge Otto tauscht im ersten Buch mit Lotti, um bei den Mädchen beim Backen und Girlanden-Flechten mitmachen zu können – bei all den Dingen, für die in ihrem Feriencamp eigentlich nur die Mädchen eingeteilt sind. Lotti dagegen möchte gern angeln und zum Holzsammeln mit in den Wald gehen. Dafür sind aber die Jungs im Camp eingeteilt. Unter anderem können sie die Geschlechterklischees im Feriencamp brechen.

Für welches Alter hast du die Bücher konzipiert?

Die Geschichte ist für Kinder ab vier Jahren. Das legt grundsätzlich der Verlag so fest. Im zweiten Buch haben wir mit dem Thema Rassismus einen weiteren Aspekt hinzugefügt. Ich war vorher in einem Kinderbuchladen und habe gefragt, ob sie Bücher zum Thema Migration und Rassismus haben. Die gab es aber erst für Kinder ab 12 Jahren! Ich war sehr erstaunt, dass es zu diesem Thema kein Buch für kleinere Kinder gibt.

Kleinere Kinder sind ja zunächst mal unbefangener…

Grundsätzlich sind die Rassismen dort am größten, wo es die wenigsten Migranten gibt. Wenn man niemanden kennt, der aus einem anderen Land kommt, sind Angst und Vorurteile riesengroß. Genau so sieht es auch in unserem Buch aus. Da kommen fremde Tiere aus Dschibuti in Afrika, die DikDiks. Niemand kann mit dieser Tierart etwas anfangen, und die Gerüchte über sie werden übermächtig. Der besorgte Bär Bärndt übernimmt in der Geschichte den Part der besorgten Bürger, die noch nicht viel mit Migrationen in Berührung gekommen sind. Sie machen sich Sorgen darum, was denn alles passieren könnte. Auch Bärndt ist sehr besorgt, und das führt dazu, dass irgendwann die gesamte Siedlung Angst vor den Fremden bekommt. Letztendlich ist es eine Geschichte über Vorurteile. Sowohl Geschlechterklischees als auch die Angst vor Migration haben viel mit Vorurteilen zu tun.

Gestern habe ich in der Hamburger U-Bahn auf einem dieser Nachrichten-Bildschirme die Meldung über dich gelesen, du hättest in einem Interview gesagt, wir lebten in einer Gesellschaft mit Pseudo-Gleichberechtigung…

Als ich Mutter wurde, habe ich immer mittwochs eine Sendung moderiert. Also hat an dem Tag mein Mann das Kind mit ins Büro genommen – und auf einmal sprachen alle überschwänglich von Gleichberechtigung. Wenn eine Mutter jeden Tag weg ist und das Kind einmal die Woche mit ins Büro nimmt, bezeichnet man sie als Rabenmutter, während der Mann dafür gefeiert wird, als habe er einen heroischen Akt vollbracht. Das habe ich oft genug erlebt und es zeigt, dass wir nicht in einer Gleichberechtigung im Sinne des Wortes angekommen sind.

Sind wir denn zumindest auf dem Weg dahin?

Im Gegenteil. Tendenziell machen wir beim Thema Gleichberechtigung eher eine Rolle rückwärts. Zu dem Thema habe ich die Dokumentation „No more Boys and Girls“ gedreht, die man immer noch in der ZDF Mediathek findet. Da haben wir den Kindern einen Fragebogen hingelegt und sie gebeten anzukreuzen, was eine Männer- und was eine Frauensache ist. Sie konnten auch beide Geschlechter nennen. Tatsächlich haben einhundert Prozent der Kinder angekreuzt, dass Geldverdienen Angelegenheit der Männer und sich um Kinder kümmern Frauensache sei. Wir Kinder der Achtziger waren da schon wesentlich weiter als das, was wir jetzt bei der nachfolgenden Generation beobachten können.

Woran liegt das?

Der Trend zum Gender-Marketing verstärkt die stereotypen Rollenbilder. Im Spielzeugladen meiner Kindheit war alles wild durcheinander gemischt – Autos, Roboter, Puppen. Ich habe zu allem gegriffen und hatte all das querbeet zu Hause. Mittlerweile gibt es getrennte Abteilungen für Jungen und Mädchen. In der Mädchenabteilung natürlich ein riesiges Regal zu Themen wie Kochen und Putzen. Bei den Jungs finden wir dagegen Electronic Learning, also elektronisches Lernen. In den Spielwarenkatalogen sehen wir Mädchen im Zusammenhang mit Kindern, Küche, und die Jungs werden im beruflichen Kontext als Polizisten und Feuerwehrmänner gezeigt. Für die Dokumentation haben wir mit Kindern darüber gesprochen und Sätze gehört wie „Frauen sind zum Kochen und Putzen eher geeignet als Männer“. Kein Wunder, wenn man sich mal anschaut, welches Frauen- und Männerbild im Kinderfilm, in Kinderserien, in Kinderbüchern vermittelt wird. Die Welt dort ist noch viel stärker stereotyp als die der Erwachsenen.

Das wundert mich. Ich dachte, dass Frauen und Mädchen gerade in Formaten für Kinder viel stärker geworden sind.

In meiner Kindheit gab es viel mehr positive Beispiele als jetzt. Es entwickelt sich gerade alles eher zum Schlechten. Deswegen war es mir so wichtig, mit dem Beispiel von Lotti und Otto dagegen anzuarbeiten.

„Beim Thema Gleichberechtigung machen wir tendenziell eher eine Rolle rückwärts.“

Und die Ursachen für diese Entwicklung siehst du im Gender-Marketing?

Der Trend ist in den letzten zehn, 15 Jahren aufgekommen. Früher gab es einfach Shampoo für Kinder. Jetzt steht auf einem Jungen-Shampoo „Für mutige Helden“ und auf dem für Mädchen so etwas wie „Shampoo für kleine Prinzessinnen“. In einer großen Studie hat man die Aufdrucke hunderter T-Shirts analysiert und festgestellt, dass auf den Shirts für Mädchen hauptsächlich Begriffe stehen, die mit Äußerlichkeiten zu tun haben: Kleine Schönheit, Pretty, Cutie – alles Mögliche. Bei den Jungs steht „Genie im Wachstum“, „Born to be legendary“ „I’m the future“. Schade, dass man das nicht auch auf Mädchen-T-Shirts schreibt.

Das Gegenteil einer Prinzessin habe ich gestern auf einem Werbeplakat der Bundeswehr gesehen: eine Soldatin in voller Ausrüstung, mit Tarnfarbe geschminkt und Schnellfeuergewehr im Anschlag. Dazu der Spruch „#Kämpfen. Folge deiner Berufung“.

Kampagnen für Erwachsene sind auch nicht so schlimm stereotyp wie die für Kinder unter zehn Jahren. Was man dort sieht, ist erschreckend. In der ZDF-Doku wollten wir aufzeigen, wie sich das auf die Geschlechter-Vorstellung der Kindern auswirkt.

Aus meinem Bekanntenkreis kenne ich eine ganz andere Gender-Diskussion. Da gibt es mittlerweile Leute, deren Kinder im Teenager- oder Twen-Alter gar nicht mehr wissen, ob sie Junge oder Mädchen sein wollen und vielleicht auch aus Unsicherheit mal einen Geschlechterwechsel versuchen. Vielleicht entwickelt sich jetzt in den Kinder-Medien so etwas wie eine Gegenreaktion mit klaren, aber leider komplett überkommenen Geschlechterbildern?

Letztlich geht es doch nur darum, dass man klischeefrei aufwächst. Meine Tochter hat einen riesigen Wachstumsschub hinter sich, und wir waren in einem Kleidungsgeschäft, wo sie sich eine Army-Hose ausgesucht hat. Aber dann wurde sie in der Schule gehänselt. Einige Kinder haben gesagt iiih, du trägst ja eine Jungshose! Sie hat sich nicht mehr getraut, diese Hose anzuziehen. Da waren wir in den 80ern wirklich weiter. Ich war auch mit einer Army-Hose in der Schule, und niemand hat etwas gesagt. Es geht mir darum, dass man kein Etikett draufklebt und sagt, diese Hose tragen nur Jungs, diese nur Mädchen. Wer eine Army-Hose mag, soll sie anziehen. Kinder orientieren sich ganz stark an der Peergroup. Was die Gleichaltrigen sagen, ist für die Kinder enorm wichtig. Da kann man als Eltern sonst was erzählen.

Wie haltet ihr es denn in der Familie mit der Gleichberechtigung – wer putzt Treppe und Bad?

Wir haben zum Glück einige Bereiche outgesourced. Das ist sehr praktisch. Aber wenn wir anfangs beide gleichzeitig Anfragen für Dreharbeiten bekommen haben und das Kind krank war, ist man im Umfeld ganz klar davon ausgegangen, dass ich es bin, die meinen Dreh absagt. Reflexartig wird erst einmal von der Frau verlangt, dass sie doch bitteschön zuhause zu bleiben hat. Kind ist krank? Dann muss Collien wohl ihre Termine absagen. Für mich ist da aber nicht automatisch einer zuständig. Wenn jetzt das Kind krank ist, schauen wir erst einmal, wer welche Termine hat und welche leichter zu verschieben sind. Im Job erlebe ich noch heute, dass Kolleginnen wesentlich öfter als Männer ihre Termine wegen Kinderbetreuungsangelegenheiten absagen.

Liegt das nicht auch daran, dass man Frauen ein Fernbleiben zugunsten der Kinder eher verzeiht als Männern?

Ich denke, das hat etwas mit gewohnten Rollenbildern zu tun. Als unser Kind das erste Mal krank war, hat mein Mann ganz selbstverständlich gesagt, ich müsse zuhause bleiben. Und diverse Studien besagen, dass in 80 bis 85 Prozent der deutschen Haushalte die Frau den Großteil der Hausarbeit macht. Dass es im Jahr 2020 immer noch so ist, finde ich erstaunlich.

Ist es denn eurer Tochter egal, wer von euch im Krankheitsfall zuhause bleibt und sie umsorgt?

Sie kennt das schon, dass auch Mama beruflich weg muss und dass dann Papa da ist. Für sie ist das überhaupt nicht ungewöhnlich oder merkwürdig.

Pädagogen sagen, dass Kinder einen festen Rahmen und Zuverlässigkeit brauchen. Was macht ihr, wenn beide wegfahren müssen?

Einmal musste ich für einen Dreh nach Kambodscha und mein Mann nach New York. Die Drehs waren eigentlich so geplant, dass wir nicht gleichzeitig weg sind. Dann verschob sich aber etwas aus Gründen, für die niemand etwas konnte. Plötzlich überlappten sich die Termine um drei Tage. In so einem Fall müssen dann die Großeltern anrücken. Die meisten Kinder lieben es, wenn die Großeltern kommen. Dann gelten andere Regeln. Man darf mehr Süßigkeiten essen und länger fernsehen als bei den Eltern.

„Dass schon kleine Mädchen in ein Schönheitsideal gepresst werden, finde ich sehr schade.“

Ihr seid beide im Mediengeschäft tätig. Wie haltet ihr es denn mit dem Medienkonsum eurer Tochter – Fernsehen, Computer, Internet?

Das ist leider ein ganz schwieriges Thema. Unsere Tochter möchte natürlich die Sachen sehen, die auch ihre Klassenkameradinnen gucken. Wenn ich mir das dann anschaue, denke ich: Um Gottes Willen, was ist das denn! Neulich hat sie wieder irgendetwas gesehen, das alle in der Klasse gucken. Da ging es darum, dass ein Mädchen unbedingt Model werden wollte. Darum geht es ständig. Wenn man sich diese Sendungen ansieht, bekommt man das Gefühl, dass es für Mädchen gerade einmal zwei berufliche Optionen gibt: Prinzessin oder Topmodel.

Wie alt ist eure Tochter?

Acht.

Äußert sie auch schon Berufswünsche wie Model oder Schauspielerin?

Zumindest spielt sie mit ihren Klassenkameraden jetzt irgendein Spiel mit einem Ranking: Topmodel, Fashion-Influencerin, Profi-Model. Dann ziehen sie sich Sachen an und machen bei einem Model-Contest mit. In diesen Topmodel-Ausmalbüchern posieren immer Mädchen mit unrealistisch langen Beinen und dünnen Hälsen. Gerade deswegen haben die kleinen Mädchen das Gefühl, sie müssten auch so aussehen.

Schaut sie denn auch Heidi Klums Topmodel-Sendung auf Pro Sieben?

Dafür ist sie noch zu jung. Aber für kleinere Mädchen gibt es diese Topmodel-Ausmalbücher, die nichts mit der Pro-Sieben-Sendung zu tun haben. Von der Marke gibt es Bücher, Federtaschen und so weiter. Die Abbildungen darauf zeigen Mädchen mit riesengroßen Augen und Lippen und ganz kleinen Nasen. Für das Homeschooling hat meine Tochter ein iPad. Darauf hat sie sich neulich eine Foto-App heruntergeladen und Bilder von sich bearbeitet. Ihre Augen und Lippen riesengroß gemacht und ihre Nase total klein. „Mama“, hat sie gesagt, „so finde ich mich schön.“ Da merkt man, wie Kinder von diesen Rolemodels beeinflusst werden. Sie denken, dass so Schönheit geht. Für eine Studie hat man jungen Mädchen eine solche Software gegeben. Sie sollten ihre Fotos dahingehend bearbeiten, wie sie sich schön finden. Auch diese Mädchen haben ihre Augen und Lippen groß gemacht und die Nase klein. Erst als sie super künstlich aussahen, waren sie mit sich zufrieden. Dass schon kleine Mädchen in dieses Schönheitsideal gepresst werden, finde ich sehr schade.

Du warst doch auch mal Model…

Nein, nicht wirklich. Ich habe als Kindermodel Werbung gemacht. Die suchten damals Kinder für alle möglichen Produkte. Es gibt ein Bild von mir mit bunten Haargummis auf dem Kopf und einem Kassettenrecorder in der Hand, dazu habe ich eine Baggie-Hose an, wie man sie in den 90ern getragen hat. Einmal habe ich ein Plakat für eine Kinokette gemacht. Die brauchten für ihre Werbung ein paar junge Menschen, die im Kino sitzen. Das waren keine Modelbilder. Einer hatte große Ohren, der Nächste eine große Nase. Mit Modeln hatte das überhaupt nichts zu tun. Aber als ich älter wurde, ging das in die erwachsene Modelwelt über. Da habe ich gemerkt, was das für eine asoziale Branche ist, da herrscht ein ganz anderer Ton. Die Leute gehen mit dir auf eine Art und Weise um, die ich ganz schrecklich fand. Darauf hatte ich gar keinen Bock.

Ich würde gern noch mal auf das Thema Rassismus zurückkommen. Hast du selbst entsprechende Erfahrungen machen müssen?

Früher nicht. Als ich in der Fernsehwelt landete, habe ich immer mal wieder Anfragen von Journalisten bekommen, die Geschichten zum Thema Rassismus sammelten. Aber ich hatte dazu gar nichts zu erzählen, und dann waren sie immer alle ganz überrascht. Wie kann das denn sein? Aber so war es über eine sehr lange Zeit. Das hat sich dann jedoch irgendwann schlagartig geändert. In den letzten fünf Jahren ist das Thema immer schlimmer geworden. Auf meinen Social-Media-Seiten kriege ich inzwischen extrem rassistische Kommentare, und die werden in Masse und Wortwahl immer heftiger.

Lässt du das juristisch verfolgen?

Das sind alles Fake-Profile, das kann man nicht verfolgen.

„Wir spielen mit uns selbst, ohne uns wirklich selbst zu spielen.“

Kommen wir mal auf die Serie „jerks“ zu sprechen, die du zusammen mit deinem Mann Christian Ulmen für den Streaming-Dienst Maxdome drehst. Ihr habt schon drei Staffeln gemeinsam gemacht?

Ja genau, und bald die vierte.

Ihr agiert da in einer fiktiven Geschichte, aber unter eurem richtigen Namen…

Ja. Die Anfrage kam 2016 von Pro Sieben. Es hieß, wir haben hier eine dänische Serie, in der sich alle selbst spielen. Da gibt es dieses Paar und den besten Freund. Das würden wir in Deutschland gern mit euch umsetzen. Wir haben uns also die Folgen aus Dänemark angeguckt. Man sieht das Paar oft miteinander im Bett liegen und über irgendwas reden. Das hätte etwas gehabt von „Kommt mal alle gucken, wie es bei Ulmens im Schlafzimmer so aussieht.“ Um eine ganz klare Trennlinie von der Fiktion zur Realität zu ziehen, haben wir gesagt okay, wir spielen uns selbst, aber als getrenntes Paar. So spielen wir damit, uns selbst zu spielen, ohne uns wirklich selbst zu spielen.

Aber könnt ihr da wirklich immer Realität und Fiktion auseinander halten, ohne dass mal Elemente aus eurem richtigen Leben hineinspielen?

Das kommt vor. Es gibt im Privatleben Momente und absurde Situationen, in denen wir uns anschauen und beide wissen, das landet auf jeden Fall in der Serie. Einmal haben wir einen Moment gedreht, der uns wirklich mit jemandem passiert ist. Und während der Dreharbeiten kommt durch einen riesen Zufall genau diese Person um die Ecke. Was für ein Zufall. Auch weil es gar kein Ort war, an dem damit zu rechnen war.

Dein Mann Christian führt in der Serie auch Regie…

Ja, leider (schmunzelt).

Wie sieht es denn am Set mit der Gleichberechtigung aus?

Als ich das Projekt zugesagt habe, war er noch nicht der Regisseur. Erst später kam der Produzent auf die Idee, dass Christian doch die Regie übernehmen könnte. Ich dachte noch, oh nein! Aber alle fanden die Idee gut, und auf einmal war er der Regisseur. Als Schauspieler unterschreibt man in den Verträgen, dass man weisungsgebunden ist. Das ist Standard in Schauspielerverträgen. Wenn man etwas auf eine gewisse Art spielen möchte, der Regisseur will es aber anders, hat er das letzte Wort. Punkt. Ich glaube, er genießt es sehr, dass ich bei dem Projekt weisungsgebunden bin. Und er findet es schade, dass es nur für die Dreharbeiten gilt (lacht). Wenn er könnte, würde er dafür sorgen, dass die Weisungsgebundenheit auch nach Drehschluss noch gilt. Aber da sind wir dann anderweitig weisungsgebunden. Zuhause macht nämlich unsere Tochter die Ansagen.

Spielt sie auch in der Serie mit?

Nein. Das hatten wir zu Beginn der ersten Staffel mal überlegt, aber da war sie erst vier, also viel zu jung.

Aber ihr hättet nichts dagegen, wenn sie jetzt mal mitspielen wollte?

Mein Mann nicht, ich schon eher. Es gibt im Alter von acht Jahren ja noch so gut wie keine professionellen Darsteller. Deshalb bekommen wir ab und zu mal eine Rundmail mit der Anfrage, ob jemand sein Kind zum Casting schicken will. Da bin ich dann immer diejenige, die sagt, das machen wir nicht. Mein Mann sagt, ach komm, wir können das doch mal ausprobieren. Aber ich habe da Hemmungen, auch weil es für Frauen in dieser Branche echt schwer ist. Ich wünsche ihr eigentlich nicht, dass sie in der Branche landet.

„Zuhause macht unsere Tochter die Ansagen.“

Guckt sie denn die Serie?

Nein, das ist nichts für Kinder. Aber sie ist manchmal mit am Set, und dann kriegt sie natürlich schon viel mit. Wir drehen bei uns in der Nachbarschaft, da läuft sie auch mal zufällig vorbei. Dann setzt sie sich hin und guckt ein bisschen beim Dreh zu. Dadurch ist sie mit der Serie recht vertraut. Natürlich nicht mit allem, Vieles ist nicht jugendfrei. Aber wenn sie beim Dreh zuguckt, lacht sie mit. Und sie bekommt auch mit, dass Mama und Papa da ein getrenntes Paar spielen. Sie hat auch schon mit unseren Filmkindern gespielt und fand das natürlich total spannend.

Auch wenn du als Schauspielerin weisungsgebunden bist – kannst du dich trotzdem mit Vorschlägen oder Ideen am Drehbuch beteiligen?

Klar, da wir ja auch private Geschichten einbauen. Tatsächlich landen viele Vorschläge von mir in der Serie. Das hat natürlich damit zu tun, dass die Serie bei uns zuhause sehr präsent ist und wir ganz viel darüber reden. So landen automatisch viele Ideen von mir in der Serie.

Ich habe gelesen, dass ihr im kommenden Frühjahr die nächste Staffel dreht.

Ja, das habe ich auch gelesen. Aber es stimmt nicht. Die Staffel wird gedreht, jedoch nicht im Frühjahr.

Sind Dreharbeiten wegen Corona ausgefallen?

Ja, schon.

Was habt ihr denn dann gemacht?

Ich hätte eigentlich nicht nur „jerks“, sondern noch zwei weitere Projekte gedreht, aber die wurden alle verschoben. Unter den derzeitigen Corona-Bedingungen können wir diese Projekte noch immer nicht drehen, deshalb hatte ich mir für die Zeit total viel vorgenommen. Ich habe mir eine Eismaschine gekauft, Rezepte herausgesucht und wollte Eis herstellen, den Keller aufräumen, den Schrank ausmisten. Statt dessen habe ich dann aber „Familien allein zu Haus“ fürs ZDF gedreht, über Familien und ihre Herausforderungen in Zeiten von Corona. So habe ich in der Lockdown-Zeit durchgängig gearbeitet.

„»jerks« ist schon eher derbe und daher nicht gerade jugendfrei.“

2019, im Jahr vor Corona, warst du in der Jury der ersten Staffel von „Masked Singer“ zu sehen. Im Nachhinein wirkt das Konzept mit den maskierten Sängern fast wie eine Vorwegnahme der allgemeinen Maskenpflicht.

Ich hatte kürzlich einen Dreh, und da kam zufälligerweise Max Mutzke mit Maske zu mir in die Garderobe. Ich sehe ich ihn anscheinend überall nur maskiert – entweder im Astronauten-Anzug oder mit Corona-Maske.

Ganz ehrlich: Habt ihr Max Mutzke damals in der Jury wirklich nicht gleich erkannt?

Ab Sendung zwei stand Max bei mir schon ziemlich weit oben auf der Liste der Verdächtigen, aber zu hundert Prozent sicher war ich mir da noch nicht.

Was machst du als nächstes?

Ich habe gerade einen Film gedreht, gehe nächste Woche in Dreharbeiten, aber darüber darf ich noch nichts sagen. Ich werde eine Serie machen, und es wird noch ein Moderationsprojekt geben.

Dann wünsche ich dir viel Erfolg für diese Projekte, auch für dein Buch, und danke für das schöne Gespräch.

Kategorie: Menschen
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