Genuss Sake: Fakten & Interview
Sake: Fakten & Interview
Auf den Spuren des japanischen Nationalgetränks
Auf den Spuren des japanischen Nationalgetränks
Mit dem Interview in dieser Ausgabe führt uns die Sommelière Helen Mol in die Grundlagen der japanischen Sake-Kultur ein. Dieser Überblick zeigt dazu die verschiedenen Qualitäten, Stile und Braumethoden des Reisweins. Mit Ausnahme von Futsū-shu sind alle genannten Qualitäten Premium-Sake und werden ausschließlich aus speziellem Sake-Reis hergestellt.
Stilistik
Nigori – trüb
Sparkling – perlend
Koshu – über mehrere Jahre gereift
Kijōshu – Süßer Sake
Taru-zake – Im japanischem Zedernholz-Fass gereift
Qualitätsstufen
Futsū-shu
bezeichnet den Standard-Sake. Er wird mit Tafelreis hergestellt, ist fruchtig und recht preisgünstig.
Honjōzō
zählt zu den Premium-Sake, muss aber keinen Poliergrad haben und kann mit zusätzlichem Alkohol versetzt werden. Ist leicht trocken und leicht zu genießen.
Ginjō
60% oder weniger Poliergrad, darf mit Alkohol versetzt werden. Fruchtig aromatisch und leicht.
Daiginjō
50% oder weniger Poliergrad, darf mit Alkohol versetzt werden. Ist fruchtig, leicht, elegant, ausgewogen und hat wenig Säure.
Junmai
muss ebenfalls keinen Poliergrad haben, darf aber nicht mit Alkohol versetzt werden. Es sind meist kräftige, manchmal mittelkräftige und komplexe Sake mit viel Umami.
Junmai Ginjō
hat 60% oder weniger Poliergrad, darf nicht mit Alkohol versetzt werden. Fruchtig und hat oft auch etwas Säure.
Junmai Daiginjō
50% oder weniger Poliergrad, darf nicht mit Alkohol versetzt werden. Fruchtig, charakteristisch und ausgewogen.
Tokubetsu Honjōzō oder Tokubetsu Junmai
werden ausschließlich mit Sakereis hergestellt und haben einen Poliergrad von unter 60%. Meistens sind es Junmai Ginjōs oder Ginjōs, denen der Brauer keine noch höhere Qualitätsstufe zusprechen will.
Herstellungsart
Kimoto
Bezeichnet eine traditionelle Methode mit Verwendung eines Holzpaddels, um mehr Säure bei dem Fermentationsstarter zu erzeugen.
Yamahai
Kennzeichnet eine simplere Version von Kimoto, um auch ohne Holzpaddel mehr Säure bei dem Fermentationsstarter zu erzeugen.
Muroka
Der Sake wurde nicht mit Kohle gefiltert, um die Farbe des Sakes zu verbessern.
Nama
Der Sake wurde nicht pasteurisiert.
Genshu
Der Sake wurde vor der Abfüllung nicht mit Wasser verdünnt, um so den Alkoholwert nach unten zu korrigieren.
Interview mit Helen Mol
Bei einem Berufe-Ratequiz würde Helen Mol wohl auch die ausgekochtesten Kandidaten zur Verzweiflung bringen. Aber beim Interview in Berlin spricht die frisch gekürte Sake-Sommelière gern über die Geheimnisse des Reisweins und verrät, wie sie zu ihrer Profession gekommen ist.
CHAPEAU — Herzlichen Glückwunsch zum Bestehen der Prüfung. Bist du jetzt die einzige Sake-Sommelière in Deutschland?
HELEN MOL – Nein, allein in diesem Jahr waren es sieben Kursteilnehmer aus ganz Deutschland. Der Test lief über drei Tage in Koblenz. Und natürlich haben wir die Corona-gerechte Distanz eingehalten und saßen vereinzelt hinter Plexiglasscheiben mit dem nötigen Abstand. Das ist sehr professionell abgelaufen.
Du bist Weinexpertin – wie bist du auf den Sake gekommen?
Ich mag gern asiatisches Essen. Und obwohl ich Chinesin bin, interessiert mich auch die japanische Kultur und die Art des Anrichtens von Speisen. Besonders Sushi und die anderen japanischen Speisen sprechen mich an. Und ja, ich finde es auch überaus ästhetisch. Japaner finden Vollkommenheit nicht im Wuchtigen oder in etwas Ausladenden. Je delikater und feiner es ist, desto hochwertiger ist es für sie.
Ist Sake-Sommelier ein geschützter Begriff?
Staatlich ist das leider noch nicht geregelt. Auch ohne Prüfung darf sich jeder Sommelier nennen. Aber es ist auf dem besten Weg, ein geregelter Beruf zu werden. Einige Sommeliers kommen noch aus der Zeit, in der es noch keine Sommelier-Schulen gab. Das sind jetzt die Grand Messieurs und Grand Madames. Die hatten noch gar nicht die Möglichkeit zum Ablegen einer regulären Prüfung. Aber es ist eine schöne Entwicklung, dass immer mehr für die Fortbildung von Sommeliers oder Sake-Sommeliers getan wird. Die erste Sommerlierschule wurde 1976 gegründet.
In Deutschland wird Sake ja auch „Reiswein“ genannt. Wo liegen denn die hauptsächlichen Unterschiede zum Traubenwein?
Ja, man spricht vom Reiswein, aber tatsächlich hat Sake in der Machart mehr Ähnlichkeit mit Bier. Die Herstellung von Sake ist ein Brauverfahren. Die vier Grundbestandteile sind Reis, Wasser, Hefe und die Koji-Sporen – das ist ein bestimmter Edelpilz. Diese Zutaten gibt es in verschiedenen Qualitäten, und mehr als diese vier Elemente dürfen laut des japanischen Sake-Gesetzes bei Premiumsake auch nicht hinzugefügt werden. Die Herstellung findet dann durch Gärung in einer Brauerei statt.
Trinkt man Sake in Japan eher in Restaurants oder zuhause?
Es gibt den alltäglichen Sake-Konsum, aber man trinkt Sake auch zu besonderen Anlässen. Spezielle Sake werden beispielsweise zu Hochzeiten getrunken. Das sind zum Beispiel Taruzake (im Holzfass gereifter Sake), Koshu (sehr gereifter Sake) oder Kijōshu (süßer Sake), die jeweils hochwertiger auch hochpreisiger sind. Man verwendet dazu auch bestimmte Gefäße. Bei Hochzeiten beispielsweise legt man viel Wert auf goldene Gefäße. Dann gibt es auch Festivitäten wie das Kirschblütenfest, wo der Genuss von Sake ganz besonders im Mittelpunkt steht.
Tee wird in Asien ja auch im Rahmen von Zeremonien getrunken, wo man etwa die Tasse auf eine bestimmte Art dreht, bevor es zur Verkostung kommt. Gibt es solche Rituale auch für Sake?
Ja. Dazu gehört, dass man sein Gegenüber niemals sich selbst einschenken lässt. Es ist ganz wichtig, dass einem eingeschenkt wird und dass auch das Glas nie leer ist. Es muss immer benetzt sein. Der Gast darf nicht das Gefühl haben, dass er verdursten muss. Das ist eine Frage des Respekts und gehört auch zur traditionellen Höflichkeit der japanischen Kultur. Wer des Gegenübers Glas leer werden lässt, verliert quasi das Gesicht. Meistens nimmt man auch zwei Hände zum Einschenken, genauso wie beim Überreichen der Visitenkarte. Diese Umgangsformen haben sehr viel mit der Darbietung von Respekt zu tun.
Muss der Sake warm getrunken werden?
Sake kann man in verschiedenen Temperaturen genießen. Das hat weniger mit dem kulturellen Hintergrund zu tun und ist vielmehr eine Frage der Qualität und des Geschmacks. Unterschiedliche Sake sind für verschiedene Temperaturen gedacht.
Woher weiß ich, welchen Sake ich mit welcher Temperatur serviere?
Ginjōs und Daiginjōs sind sehr feine und fruchtige Sake. Beim Ginjō darf der Poliergrad (im Japanischen „Semai-buai“ genannt) höchstens 60%, das heißt 40% der äußeren Schicht des Reiskorns sind bei der Politur abgetragen worden, betragen. Bei Daiginjō darf er höchstens 50% betragen. Der Poliergrad ist wichtig, weil die Proteine, Lipide und Aminosäuren auf der Schale des Reiskorns wegpoliert werden. Dadurch wird der Geschmack feiner, klarer und fruchtiger. Diese feinen fruchtigen Sake genießt man besser gekühlt, ungefähr bei 7 – 13°c. Die kräftigeren Junmais kann man auch warm (bei 40 – 50°) sehr gut trinken. Wärme bringt ihre Aromen sehr gut zur Entfaltung. Die Temperatur macht eben viel aus – beim Wein wie auch bei Sake.
„Bei Hochzeiten legt man großen Wert auf goldene Gefäße..“
Trinkt man ihn zum oder nach dem Essen?
Sowohl als auch. Beim Sparkling Sake entsteht das CO2 bei der Gärung der Hefe, den kann man dann sehr gut als Aperitif nehmen. Die meisten Sparkling Sake sind nicht so trocken, etwas fruchtiger und im Aussehen auch ein bisschen milchig. Nicht immer, aber doch um die 80 Prozent. Das nimmt man gerne zum Anstoßen oder als Aperitif. Es gibt verschiedene Ausrichtungen von Sake, unterschiedliche Poliergrade. Je nach Geschmacksrichtung kann man das auch begleitend zum Essen nutzen. Und die gereiften Sake, die geschmacklich schon in die Richtung eines Madeira gehen können, werden auch gern als Absacker genommen.
Manche legen die Betonung des Wortes Sake auf das „a“, andere aufs „e“ und sagen Saké. Wie spricht man es richtig aus?
Wir sagen Saake, aber die Japaner sagen Saké (lacht).
Woran erkenne ich einen guten Sake?
Generell steigt der Preis mit dem Aufwand der Herstellung. Zum Beispiel wird der Reis in verschiedenen Graden poliert. Das kann sogar bis auf ein Prozent herunterreichen. Dann sind 99 Prozent der äußeren Hülle vom Reiskorn ab poliert worden. Ich glaube aber nicht, dass Anfänger herausschmecken, ob das Reiskorn einen Poliergrad von 20 Prozent oder von 35 Prozent hat. Das sind schon sehr feine Unterschiede. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene Methoden und Verfahren. Das fängt bei der Auswahl der Reisqualität an, geht über die Produktion, ob der Sake händisch oder weitestgehend maschinell hergestellt wurde, bis zur Quantität der Produktion und die Zeitspanne der Produktion, die den Preis des fertigen Produkts bestimmen. Aber das heißt nicht unbedingt, dass einem ein teurer Sake besser schmecken muss. Das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Manche mögen den ganz trockenen Sake lieber, manche mögen lieber den fruchtigen Sake, manche mögen kräftige Sake.
Der Junmai Sake (Junmai heißt übersetzt purer Reis) hat keine Poliergrad-Einschränkung und ihm wird kein Alkohol vor der Filtration zugesetzt. Die Zugabe von Jōzō-Alkohol (hochprozentiger Alkohol) gibt dem Sake ein fruchtigeres und delikateres Aroma.
Wie kann ich mir das Polieren eines Reiskorns vorstellen?
Der Reis wird in eine Art Trichter gefüllt und geht dann zum Mahlen oder Schmirgeln zwischen die beiden Scheiben der Poliermaschine. Das abgetragene Mehl fällt in ein Gefäß und wird gewogen. Wenn man dieses Gewicht dann vom Ausgangsgewicht des Reises abzieht, weiß man, wann der gewünschte Poliergrad erreicht ist. Am Ende muss der Brauer trotzdem noch einmal geschmacklich prüfen, ob er das Produkt als Ginjō (40 Prozent oder weniger) oder als Daiginjō (50 Prozent oder weniger) proklamiert. Der Poliergrad ist nicht unbedingt das einzige Kriterium. Das Gelingen ist auch eine Frage der Aromen, der Feinheit oder der Balance zwischen Säure und Süße. Das spielt alles eine Rolle, wenn der Brauer angibt, mit welcher Klassifizierung er den Sake in den Verkauf bringen will. Danach entscheidet dann noch eine Kommission, ob die Benennung der Qualitätsstufe so in Ordnung ist.
Hast du dein Sake-Interesse vor Ort in Japan entdeckt?
Leider nicht. Ich bin über den Wein zum Sake gekommen, als ich meine Lehrerin kennengelernt habe, Yoshiko Ueno-Müller. Mit ihrer Firma Ueno Gourmet vertreibt sie europaweit Sake, und sie ist auch als Dozentin bei der IHK tätig. Sie hat mich angesprochen, ob ich nicht Interesse daran hätte, und dann ging es relativ schnell und spontan. Ich habe es in drei Wochen geschafft, den Stoff für die Prüfung zu lernen. Der Kurs geht über drei Tage und im praktischen Teil der Prüfungen werden eine halbe Stunde lang zwei Sakes zur Bewertung verkostet. Danach hat man noch eine Stunde und vierzig Minuten Zeit für den theoretischen Teil mit 50 Multiple-Choice-Fragen und für einen Test mit weiteren Fragen. Alles auf Englisch, weil die Tests nach London eingeschickt werden. Dort wertet die WSET-Organisation (Wine & Spirit Education Trust) sie aus und entscheidet. Deswegen bekommt man die Resultate auch etwas später. In unserem Fall nach zweieinhalb Monaten.
War es für dich ein Vorteil, dass du vorher bereits Wein-Expertin warst?
Das war trotzdem eine große Herausforderung. Sake unterscheidet sich schon sehr von Wein. Beim Wein sucht man nach Charakter und findet das Wechselspiel von Säure, Süße und Fruchtigkeit spannend. Das ist bei Sake überhaupt nicht gewollt. Man muss sich innerlich darauf einstellen, dass die geforderten Qualitäts- und Geschmackskriterien ganz andere sind. Je feiner und delikater ein Sake ist, desto hochwertiger ist er für die Japaner. Aber auch das ändert sich langsam. Vielleicht liegt das an einem veränderten Geschmacksprofil in der jüngeren Generation. Es gibt inzwischen einige Brauer, die auf einem Weingut in Burgund ein Praktikum machen, dort arbeiten oder Ausbildungen absolvieren. Zurück in Japan produzieren sie dann Sake in Anlehnung an den Weinbau in Burgund. Diese neue Generation von Sake-Brauern ist auch sehr spannend, aber es sind nicht viele. Und sie werden weniger, weil es sehr harte Arbeit ist. Es gibt auf Netflix den tollen Dokumentarfilm „The Birth of Sake“ über das Leben der Brauer. Wie sie im Sommer den Reis anbauen und dann im Winter für ein halbes Jahr in die Brauerei gehen, Sake brauen und dafür nur noch arbeiten und schlafen. Auch ihre Familie bekommen sie in der Zeit nicht mehr zu Gesicht. Erst wenn der Sake nach einem halben Jahr fertig ist, fahren sie nach Hause.
Für Weinkenner gibt es spezielle Reisen. Gibt es ähnliche Angebote auch zu Sake?
Ueno Gourmet kann geführte Reisen anbieten, und auch direkt in Japan sind solche Reisen zu buchen. Ich selbst habe leider noch nie eine Japanreise unternommen, aber das wird mein nächstes Projekt sein. Nach Möglichkeit will ich auch mehrere Brauereien besuchen. Die sind von Nord bis Süd im ganzen Land verteilt und jeder Bezirk, auch Präfektur genannt, hat seine eigene Stilistik, ein spezielles Sake-Reiskorn (Sake-Reis enthält weniger Proteine, Lipide und Mineralien und ist besser zu verarbeiten, als Tagelreis) und eine darauf abgestimmte Geschmacks-Stilistik, für die die jeweils einzelne Präfektur bekannt ist.
Dann wünschen wir dir dazu viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch.
Sake ist ein alkoholisches Getränk, das vor allem mit der japanischen Kultur verbunden ist. Der weißlich-trübe Sake entsteht durch das Brauen von poliertem Reis, und der Alkoholgehalt ist mit 15 bis 20 Prozent höher als etwa beim Traubenwein.
Die Sommeliere Helen Mol berichtet, dass die Ursprünge der Sake-Herstellung in China liegen. Die Herstellung in Japan begann vermutlich mit Einführung des Nass-Reisanbaus im 3. Jahrhundert vor Christus. Überlieferungen berichten von rituellen Zeremonien des Shintō-Glaubens, bei denen man zerkauten Reis in Schüsseln spuckte. Ein im Speichel enthaltenes Enzym wandelte beim Kauen die Stärke im Reis in Zucker um, was eine Fermentierung und die Entstehung von Alkohol ermöglichte. Die Verwendung von Pilzkulturen für die alkoholische Gärung, die man ab dem 5. Jahrhundert aus China importierte, machte das Kauen überflüssig. Historische Berichte erzählen von Banketten und Festen ab dem späten 5. Jahrhundert, bei denen der Genuss von Sake mit dem Dichten von Versen und dem Singen verbunden wurde. Ausgeschenkt wurde nach Rang der Gäste, und getrunken werden durfte erst nach dem Vortragen eines Liedes.
Die Sake-Herstellung war zunächst dem Kaiserhof vorbehalten, später allmählich auf Klöster übertragen. 1369 wurden die Sake-Brauereien dann der militärischen Zentralregierung der Shōgun unterstellt, und noch im späten 18. Jahrhundert bildete die Sake-Steuer eine der größten Einnahmequellen für die Regierung.
Rund 80 Prozent der heutigen Sake-Produktion erfolgt in der weitgehend automatisierten Futsū-Qualität. Auf diesem Level ist die Zugabe von Zucker, Alkohol, Wasser und Säuerungsmitteln erlaubt.
Für Sake in gehobener Qualität gibt es sieben Kategorien, darunter die von Helen erwähnten Junmai, Ginjō oder Daiginjō. Für alle sieben gelten strenge Vorschriften im Hinblick auf Geschmack, Farbe und Klarheit. Bei allen muss der Anteil des Koji-Pilzes im Verhältnis zur verwendeten Reismenge mindestens 15 Prozent betragen. Entscheidend für die Einordnung ist auch der Anteil des verbliebenen Reiskorns, nachdem die Hülle vom Korn abgeschliffen wurde. Ein Sake mit höherem Poliergrad ist milder als einer mit einem geringeren Grad, dafür hat dieser ein fruchtigeres Aroma.