Kultur Sardinien

Sardinien

Klaus muss raus

Sardinien – Mediterranes Lebensgefühl mit langer Geschichte

INFO
Die Insel Sardinien und ihre Hauptstadt Cagliari gehören seit 1861 zu Italien. Mit 24.089,89 km2 ist sie nach Sizilien die zweitgrößte Insel im Mittelmeer. Sie liegt 202 Kilometer vom italienischen Festland entfernt, ist von der zu Frankreich gehörenden Nachbarinsel Korsika aber nur durch die 12 Kilometer breite Straße von Bonifacio getrennt. Bis zur spanischen Baleareninsel Menorca sind es 335 Kilometer. Zusammen mit einigen kleineren vorgelagerten Inseln bildet das 270 Kilometer lange und 145 Kilometer breite Sardinien in Italien die autonome Region Sardinien mit rund 1,6 Millionen Einwohnern. Die Sommer sind hier im Durchschnitt rund 30 Grad heiß, im Januar gehen die Temperaturen bis auf durchschnittliche sechs Grad runter. Der meiste Regen fällt in den Monaten Oktober bis Dezember. Sardinien verfügt über vier Nationalparks, 26 Regionalparks und drei Meeresschutzgebiete. In den Naturreservaten stehen viele tausend Tier- und Pflanzenarten unter Schutz, darunter mehrere Landschildkrötenarten. Der höchste Berg Sardiniens ist die 1834 Meter hohe Punta La Marmora, der wichtigste Wirtschaftsfaktor ist neben dem Tourismus die hier ansässige Erdölindustrie. Der Militärflugplatz nordwestlich des Flughafens Cagliari wird auch von der deutschen Luftwaffe genutzt. Bis vor kurzem verfügte Sardinien mit der „Meridiana“ noch über eine eigene Fluggesellschaft, die aber im vorigen März in der „Air Italy“ mit Sitz in Mailand aufging.

In Deutschland konnte wir in diesem Jahr einen außergewöhnlich heißen Sommer und einen fantastischen Herbst genießen – sogar bei uns in Norddeutschland. Wer Sonne suchte, brauchte das Land eigentlich nicht zu verlassen. Aber: Der Verlockung eines Kurztrips nach Sardinien konnten wir CHAPEAU-Macher trotzdem nicht widerstehen. Eine Woche im herrlichen mediterranen Klima – wer kann da schon nein sagen?

Verlängerter Sommer mit lässiger italienischer Lebensart.

Tatsächlich empfängt uns die Insel in den letzten Septembertagen mit angenehmen Temperaturen bis in die lauen Abendstunden. Wir genießen den verlängerten Sommer und die lässige italienische Lebensart, lassen es uns in den Gassen und Restaurants der sardischen Hauptstadt Cagliari gut gehen. Hier versteht man zu leben. Die Stadt im Süden Insel hat etwas mehr als 150.000 Einwohner und einen Hafen. Fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt Il Poetto, einer der längsten Strände der gesamten Mittelmeerküste. Wir aber wollen uns erst einmal einen Überblick verschaffen. Der beste Ort dafür ist Cagliaris Altstadt Castello. Sie liegt auf einem Hügel, von dem aus wir den herrlichen Blick über den ganzen Golf von Cagliari genießen.

Il Poetto bietet einen der längsten Strände am Mittelmeer.

Sardinien ist nach Sizilien die zweitgrößte Insel im Mittelmeer und blickt ebenso wie die südliche Schwesterinsel auf eine lange und abwechslungsreiche Geschichte zurück. Cagliari war in der Antike zunächst eine phönizische Kolonie, gehörte später zum Königreich Karthago und wurde während der Punischen Kriege Bestandteil des römischen Imperiums. Nach dem Zerfall des weströmischen Reiches ließen sich hier zunächst die Vandalen nieder, bevor sich das Byzantinische Reich die Insel und die Stadt Cagliari einverleibte. Mit der schwindenden Bedeutung von Byzanz folgte im 9. Jahrhundert eine Phase relativer Unabhängigkeit, in der die Insel in zunächst fünf, dann in vier juristische Gebiete aufgeteilt wurde – den sogenannten Judikaten.

An die Zeit der Judikate erinnert bis heute das Wappen Sardiniens, auf dem die silberne Fläche mit einem roten Kreuz in vier Teile getrennt ist. Die ebenfalls auf dem Wappen abgebildeten Maurenköpfe mit dem silbernen Haarband sind wohl eine Reminiszenz an König Peter I. von Aragon, der während der Kriege christlicher Fürsten und Majestäten gegen die Mauren auf der iberischen Halbinsel im Jahr 1096 die Schlacht von Alcoraz gewann.
Tatsächlich gehörte Sardinien im 14. bis ins frühe 15. Jahrhundert hinein zum Königreich Aragon, danach zum Königreich Spanien. Immer wieder wurden die Küsten Sardiniens von arabischen Piraten heimgesucht, weswegen die Bewohner Cagliaris während der Zeit der Unabhängigkeit die Stadt aufgaben und im Binnenland die Stadt Santa Igia gründeten.

Ein atemraubender Blick über die Bucht von Cagliari.

Das Wappen: Vier Judikate und die Köpfe unterlegener Mauren.

Später in der Hochphase der italienischen Seerepubliken geriet Sardinien unter die Verwaltung Pisas, und die spanische Herrschaft dauerte danach bis ins 17. Jahrhundert. Anschließend verfügten die österreichischen Habsburger über Sardinien, bis sie die Insel beim Herrscherhaus Savoyen gegen Sizilien eintauschten. Es folgte Anfang des 18. Jahrhunderts die Zeit des Königreiches Sardinien-Piemont, aber die Hauptstadt dieses neuen Königreiches richteten die Savoyer in Turin ein. Sardinien wurde so lange vom Festland regiert, bis das Festland Ende des 18. Jahrhunderts von französischen Truppen besetzt und Sardinien von der englischen Flotte abgeschirmt wurde. Als es dann im 19. Jahrhundert zur italienischen Einigung kam, wurde der sardische König Emmanuel II. zum König Italiens ausgerufen.
Seit 1861 gehört Sardinien nun zu Italien, und Italienisch ist auch die Sprache, die den Alltag auf Sardinien bestimmt – auch wenn das Sardische dort noch gesprochen wird.

Wer jetzt auf Sardinien nach Resten der alten Kulturen sucht, findet in Cagliaris Kathedrale Santa Maria de Castello die Spuren mehrerer Jahrhunderte. Der heutige Bischofsitz wurde ursprünglich 1217 von den Pisanern errichtet, im 14. Jahrhundert erfolgten mehrere Um- und Ausbauten, und die Spanier verzierten den Dom mit der barocken Fassade. Aber auch die ins Mauerwerk eingelassene Wand eines römischen Sarkophags ist unter dem Türsturz noch zu entdecken.
Das größte Monument aus römischer Zeit ist jedoch das Amphitheater, dessen Sitze teilweise in den Fels gehauen wurden. Es stammt aus dem zweiten Jahrhundert, bot damals rund 20.000 Zuschauern Platz – das entsprach seinerzeit der gesamten Bevölkerungszahl Sardiniens. Ihnen wurden in dem Theater während der Zeit römischer Kaiser gewaltige Spektakel geboten. Neben blutigen Kämpfen von Tieren und Menschen wurden ganze Seeschlachten in dem Rund inszeniert. Möglich machten das unterirdische Kanäle, mittels derer die Arena komplett unter Wasser gesetzt werden konnte. Noch heute, wo in der Arena Konzerte und Festivals stattfinden, freut man sich über den fantastischen Ausblick von den Rängen.

Zu den Sehenswürdigkeiten Sardiniens zählen auch die Kirchen im byzantinischen und romanischen Baustil, Cagliaris Oper, deren Aufführungen internationales Niveau haben, die Pinakothek der Stadt oder das Centro Culturale Man Ray, in dem moderne und zeitgenössische Kunst ausgestellt ist. Daran angeschlossen ist die Man Ray Photo School, in der Fotografen, Kameraleute und Videokünstler ausgebildet werden.
Naturfreunde kommen zum Beispiel im Gennargentu-Gebirge im Zentrum der Insel auf ihre Kosten, einem der vier Nationalparks Sardiniens. Hier findet sich mit dem Bruncu Spina auch der zweithöchste Berg Sardiniens – und der einzige Skilift der Insel. Wem das von der Hauptstadt zu weit erscheint, kann sich auch in den Nationalpark Parco de Sulcis in der Region Cagliari begeben. Hier sind zahleiche Relikte aus der Frühzeit der Menschheit erhalten geblieben.

Nicht erhalten geblieben dagegen ist der alte Botanische Garten Cagliaris. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, musste er anschließend komplett neu aufgebaut werden und beherbergt heute neben einheimischen Gewächsen, Heilpflanzen und seltenen Pflanzen aus allen Kontinenten auch eine umfangreiche Kakteensammlung.
Wir jedoch widmen uns jetzt erst einmal dem einheimischen Wein. Sardiniens autochthone Rebsorte heißt Monica di Sardegna und ist eine spätreife Traube mit rundem vollem Geschmack. Aus ihr gewinnt man die sardischen Weinsorten Mandrolisai, Cagliari – und den Monica di Sardegna. Mindestens 85 Prozent dieser Sorte müssen aus der Monica-Traube gewonnen sein, die restlichen 15 Prozent aus anderen lokalen Rebsorten. Der Monica di Sardegna ist trocken oder süß, würzig mit einem intensivem ätherischen Geschmack und muss wenigstens 11 Prozent Alkohol enthalten – als Superior mindestens 12,5 Prozent.
Danach fahren wir mit Cagliaris moderner Straßenbahn zurück in die Unterkunft. Und für das nächste Mal nehmen wir uns den noblen Norden Sardiniens vor.

Aber zuvor geht es erst einmal zurück in den Norden Deutschlands. Hier ist es ja auch sehr schön. Sogar noch das Wetter…

Kategorie: Kultur
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