Genuss Über den Gin des Lebens

Über den Gin des Lebens

Text von Klaus von Due

Gin ist ein Getränk für Männer, richtig Männer. Männer wie mich (ich habe gedient!). Und trotzdem fällt es mir nicht leicht, über Gin zu schreiben. Nein, nein, nicht weil mir vor fünf, sechs Jahren der eine oder andere Hipster zuvorgekommen wäre. Vielmehr aus Taktgefühl. Weil Gin-Trinker Lügner sind, notorische Lügner sogar. Nicht umsonst hat Gin seit Jahrhunderten einen so schlechten Ruf: Er verleitet zum Lügen und Übertreiben – und war so manchen guten Mannes Ruin.
Nachdem Sie nun also wissen, dass Sie nicht alles glauben dürfen, was von ei- nem bekennenden Gin-Trinker über sein Lieblingsgetränk geschrieben wird (ich lernte vor über 30 Jahren auf „Gordon’s & Schweppes Indian Tonic Water“ und bin dabei geblieben), will ich kurz auf die Geschichte des Gins eingehen. Von Bier und Wein einmal abgesehen, sind die meisten Trinkgewohnheiten Modeerscheinungen; an Gin muss demnach eine Menge dran sein, denn irgendwo auf der Welt ist er seit über 300 Jahren immer „in Mode“ gewesen.
Wie so vieles Gute (Burger in Oldenburg, bezaubernde kleine Cafés in der Bergstraße) kommt er aus den Niederlanden. Aus reinem Getreidealkohol – mittels Zugabe von Wasser von Fass- auf Trinkstärke gebracht, also dem deutschen Korn nicht unähnlich – schmeckt er erst einmal nach nichts. Also wurde stets etwas hinzugegeben, und das war im Laufe der Jahrhunderte meist Wachholder. Und von der ersten Silbe seines italienischen Namens, ginepro, hat er auch seinen Namen.
Die Menschen fanden ihn großartig: Gin war billig und schmeckte! Cognac, Armagnac, Calvados und Whisky schmeckten auch – waren aber teuer.
Begleiten Sie mich auf einem Sprung durch die Zeit, direkt ins 20. Jahrhundert. Ich will Sie schließlich unterhalten und nicht langweilen! Gin erscheint nun demjenigen, der nicht sehr an den Genuss hochprozentiger Genussmittel gewöhnt ist, als „spritig“, weshalb er mit Tonic gemischt gereicht wird. Merke: Das Tonic Water gibt den Geschmack, der Gin das gewisse Etwas.
Hier setzten nun Berliner Hipster (so gerne ich hierüber löge, ich fürchte, das ist die Wahrheit) an und begannen mit sogenannten botanicals zu experi- mentieren, Zutaten, die während des zweiten Destilliervorgangs den Alkohol parfümieren. Den Wachholder hatten wir schon, Engelwurz, Kardamom, Safran, Koriander, Zimt, Kassiarinde und manchmal Orange lassen Sie mich hier anführen. Der fertige, nun mitunter schmackhafte Gin brauchte bloß noch einen Namen. Und diese sind nicht nur Legion, sondern mir zudem auch noch Schall und Rauch. Was auch am Gin selbst liegen mag: Ich kaute schon auf Tapetenresten, die mir besser schmeck- ten.
Was verschaffte mir Abhilfe? Der Martini. Keineswegs nach dem Wermut eines bekannten italienischen Herstellers benannt (obgleich etwas Wermut unabdingbar ist), sondern vielmehr nach einem Bartender des Waldorf Astoria, der den Cocktail erfand: Mr. Martiñez. Wie auch immer: Beim Martini gibt wieder der Wermut den Geschmack, der Gin das gewisse Etwas. Über das rechte Verhältnis der beiden Ingredienzen zu- einander wird seit beinahe 100 Jahren gestritten. Fakt ist: Gute Martinis sollten in einem Verhältnis von zwei Teilen Gin zu einem Teil Wermut gemixt, frei von Eis und irgendwelchem Gemüse sein. Ja, da ist die Olive. Aber eigentlich nur für die, die den Geschmack von Gin immer noch nicht zu schätzen wissen.
Dazu kann man stehen. Ich empfehle dann aber statt einer Olive aus der Dose den echten Gin-Cocktail. Den Cobbler, den Tom Collins, den Prince’s Smile. Bedenken Sie bitte, dass die vorzüglichste Eigenschaft dieser Cocktails nicht ihre Mischung ist (nach dem dritten wissen Sie eh nicht mehr, was Sie im Glas hat- ten), sondern ihre schnelle Wirkung. Ohne mich, aus Rücksicht auf Damen und Minderjährige, allzu sehr in Details verlieren zu wollen: Ogden Nash schrieb vor Jahren „Candy/is dandy/but liquor/ is quicker“. Und beschrieb damit eine von vielen Methoden der todsicheren Verführung.
Schätzten Sie bisher mein smalltalkfähiges Halbwissen, entlasse ich Sie diesmal – gerne bei einem Gin & Tonic – mit der Aufgabe, die Wahrheit selbst herauszufinden.
Kategorie: Genuss
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