Menschen „Über die Lust am Machen“- Annabelle Mandeng
„Über die Lust am Machen“- Annabelle Mandeng
Interview Annabelle Mandeng
CHAPEAU: Meine letzte Sitzung vor einem Fernsehgerät fand anlässlich der Trauerfeierlichkeiten nach dem Tode Johannes Paul II statt; also 2005 statt. Ich kenne dich also gar nicht. Nicht privat, nicht als Person des öffentlichen Lebens. Aber ich weiß, dass du aus Bad Zwischenahn kommst, wie lange du in Berlin lebst – und dass wir ungefähr im selben Alter sind. Ich bin 49.
ANNABELLE MANDENG: Ich bin jetzt 46 geworden; am 2. April. Geburtenreicher Jahrgang, 1971.
Hast du damals, vor vierzig Jahren, noch Alltagsrassismus erlebt? Du siehst ja nicht wie die typische Deutsche aus.
Wann hast du dich zum ersten Mal als schön empfunden? Du dich, also nicht, weil deine Mutter oder Großmutter es dir sagten, sondern als du in den Spiegel sahst und dachtest …
(lacht) ... schön doof! Gar nicht. Nie. Ich empfinde mich wirklich nicht als schön. Ich meine, ich bin ein ganz guter Typ. Ich verkörpere bestimmt einen bestimmten Look. Ich habe ja auch relativ früh als Model gearbeitet; also das war mir schon irgendwann bewusst. Aber schön? Das ist für mich etwas ganz anderes. Bestimmt apart, ich kann auch ganz gut aussehen. Aber eine schöne Frau? Dafür finde ich mich zu eckig, zu breitschultrig ... Ich sehe gut aus. Und das habe ich benutzt. Als Model, später auf der Bühne, im Studio natürlich.
Hast du es wirklich benutzt? Oder bist du benutzt worden?
Und dann hast du dich aus der Modelwelt wohin bewegt?
Also, ich glaube, dass ich mich erst einmal gar nicht in der Modelwelt bewegt habe. Es ist ja eine Sache, zu sagen: Ich habe auch gemodelt. Oder: Ich war Model. Ich lebte als Jugendliche, von 15 bis 18, in Pakistan. Und da bin ich angesprochen worden, ob ich nicht Lust hätte, zu modeln. Deren eigene Mode, die muss ja auch präsentiert werden. Nur mit Frauen, klar, alles in abgeschlossenen Bereichen, keine Männer anwesend, aber richtige Models. Da bin ich zum ersten Mal auf hohen Schuhen gelaufen, wackelig, aber schnell gelaufen. Bin irgendwie „Schnelllernerin“ ... Später, mit 18, wieder in Oldenburg bzw. Bad Zwischenahn, habe ich mich dann in einer Model-Agentur vorgestellt. Die haben mich überhaupt nicht mit offenen Armen empfangen. Heidi Gross damals in Hamburg hat mich von oben bis unten angeguckt und dann gesagt: „Na, wir probieren es mal“ Und ich hatte das Glück oder wieder den Instinkt, mich sofort bei Model Management, das ist Elite Paris (Die europäische Agentur in Paris; Anm. d. Red.), zu bewerben. Da bin ich heute noch ... An so einem Punkt kann es natürlich auch schiefgehen. Wenn die komisch, offen für Halbseidenes sind, dann na ja ... Ich weiß gar nicht, ob Tom Lemke mich da hinvermittelt hat. Das war der erste Fotograf, der mich in Deutschland fotografiert hat.
Den kannst du mal von mir grüßen! Mich hatte Tom für die erste Ausgabe der CityNews fotografiert. Mein Hund und ich auf dem Cover …
Im Fernsehen angekommen – gab es da Momente, in denen du dachtest: Ich bin hier nur Kulisse, nur ein Gesicht, inhaltlich kann ich mich so gar nicht identifizieren mit dem ganzen Käse hier?
Das mit dem Studium, das hatte sich dann aber erledigt?
Ach so! Ja. Nie angefangen. Ich habe zwar den amerikanischen Highschool-Abschluss in Pakistan gemacht und danach hier das deutsche Abitur, hätte also studieren können, tat es aber nie. Irgendwie passte mir alles nicht so. Grafikdesign nicht, Economics nicht ... Theater, durch „Mephisto“ am Staatstheater und andere Sachen, das war gut. Auch das mit Hamburg 1 fühlte sich gut an. Und dann RTL ... Klaus Ebert, den ich bis heute sehr schätze, sagte ganz klar: „Frau Mandeng, Sie können nichts, aber ich glaube an Ihr Talent“ – und ließ mich dann auch machen. Jeden Tag war ich im Sender. Nach einer Woche hatte ich schon irgendwas bei Gericht gedreht. Nach zwei Wochen habe ich gemerkt: Das ist es. Diese Schnittstelle von Entertainment, echter Information, sich einbringen zu müssen, nach etwas suchen müssen. Dann kam das Wetter, dann irgendwann Fit for Fun. Dinge ergeben sich, Dinge, auf die ich Bock habe.
Du hattest vorhin, beim Shooting, kurz „Bond-Girl“ in die Runde geworfen, dass du das du ja nicht bist oder warst. Verbirgt sich da eine Enttäuschung? Ich meine, ein Bond-Film ist ja nicht irgendein Film.
Also die Sportlersicht: dabei sein ist alles?
Deine Agentur weiß: Du bist offen für Shootings, Schauspiel, Film, Fernsehen. Und sucht für dich? Kommt auf dich zu?
Ja. Es sind verschiedene Agenturen. Für jede Sache eine. Modeln machen die, Theater die, Fernsehen die. Und dann gibt es mein Management. Mit denen bin ich sehr, sehr zufrieden, denn die rödeln richtig. Superkreativ. Ich meine, die Zeiten haben sich geändert. Denk nur an das Internet ... Seit ein paar Wochen baue ich gerade einen Instagram Account auf, wo ich nur meinen Sport und die Ernährung zeige. Um Facebook habe ich mich nie gekümmert. Da habe ich den Hype verschlafen. Weil mir das Denken fehlt, da ziehe ich jetzt Nutzen daraus. Ich mache die Sachen, das Turmspringen beispielsweise, um ihrer selbst willen. So gesehen, könnte ich heute ganz woanders sein. Ich mache Sachen, die mir Spaß machen – fertig. Oder weil ich Geld damit verdiene. Oder etwas dazulerne. Kommen alle drei Faktoren zusammen – das ist dann natürlich super. Selten der Fall, aber es passiert.
Hast du schon Zukunftssorgen? Was ist, wenn ich die fünfzig überschreite?
Das ist also wirklich erfolgreich. Da möchte ich bleiben mit meinem Geist, und ich möchte mit meinen Händen etwas machen. Ist jetzt eine Weile her, fünfzehn Jahre, dass ich als Malerin eine Ausstellung hatte – unheimlich erfolgreich, viele Exponate verkauft –, aber seitdem habe ich nichts mehr in der Richtung gemacht. Und zum Alter, der Zahl, habe ich auch keinen Bezug. Zum einen, weil ich einfach nicht wie 46 aussehe, weil ich fitter, agiler bin, immer schon Sport gemacht habe. Und ich baue die Bereiche Sport, Ernährung und Design auch weiter auf, um mich von der Kamera unabhängiger zu machen.
"Ich habe einen guten Instinkt... Daher bin ich sehr, sehr risikofreudig, aber eben nie lebensmüde."
In Berlin bist du angekommen? Bist du da Hause?
Verbindet dich viel mit Afrika?
Aber du bekennst dann und wann „Farbe“ – was ich jetzt nicht als blödes Wortspiel missverstanden wissen möchte.
Das klingt schon etwas politisch. Dich also politisch zu positionieren, ist für dich auch normal? Oder sogar ein Gebot?
Ja, aber nicht parteipolitisch. Zum einen fragt da niemand, zum anderen sehe ich den Sinn nicht. Aber an der Seite stehen? Nicht mein Ding. Auch wenn ich dann einen Shitstorm ernte ... Nach „Der heiße Stuhl“ oder „Focus TV“ hat sich die ganze rechte Szene auf meiner Facebook-Seite ausgekotzt. Da stehe ich aber zu mir, zu meiner Meinung. Flüchtlinge, Terror – ich kann nur sagen, die Inquisition ist nicht das Christentum, und IS-Terror ist nicht der Islam. Da muss sauber getrennt und differenziert, genau hingesehen werden. In meinen Augen ist das die große Gefahr für unser Zusammenleben hier: zu pauschalisieren. Selbstverständlich gibt es Straftaten, die von Flüchtlingen verübt wurden. Selbstverständlich gibt es englische Hooligans. Aber selbstverständlich ist nicht jeder Brite Hooligan – und nicht jeder Flüchtling ein Straftäter. Für solche Aussagen werde ich in der Luft zerrissen. Ja, ich habe meine Meinung, aber vor einen Karren lasse ich mich nicht spannen. Damit bin ich dann in Talkshows. Und dann gibt es einen Shitstorm hier – und wirklich gute Kritiken dort. In der Presse. Wenn ich mich energisch ans Publikum wende und Respekt einfordere, weil zum Beispiel eine Muslima etwas sagt, das keiner hören will, aber Fakt ist, dann wird nicht gejohlt. Das muss einfach respektiert werden. Nicht gemocht, von mir aus nicht verstanden werden, aber respektiert.